Informationsmodell soll auf LAN realisiert werden

IBM läßt den Plan von einem umfassenden Repository fallen

24.07.1992

MÜNCHEN - Nur einer handverlesenen Schar guter Kunden hat die IBM gestattet, Erfahrungen mit dem Repository Manager/MVS zu sammeln. Wer vor der Tür blieb, braucht sich nicht länger zu grämen: Das MVS-Repository ist bereits Schnee von gestern; statt dessen will IBM das Zentrum des Anwendungsentwicklungs-Konzepts AD/Cycle auf OS/2 und AIX verlagern.

Branchenkenner hatten den blauen Riesen schon früh davor gewarnt, daß der Markt eine For-Mainframes-only-Strategie nicht akzeptieren würde. So beispielsweise der CASE-Experte Edward Yourdon, der den IBM-Ansatz bereits im Herbst 1990 -etwa ein Jahr nach Ankündigung des Repository Manager - als "Desaster" bezeichnete (siehe CW Nr. 45 vom 9. November 1990, Seite 19).

Auch die AD/Cycle-Partner standen offenbar schon lange nicht mehr uneingeschränkt hinter dem Konzept, das den Mainframe als "Single point of control" sowie als Integrationsplattform für sämtliche Anwendungsentwicklungs-Werkzeuge definierte. Stellvertretend für andere Experten kritisierte Alexander von Stülpnagel, General Manager Central Europe bei Sapiens International vor allem die doch komplexe Technik des AD/Cycle-Dictionaries.

Der ehemalige Geschäftsführer des "Data-Manager"-Anbieters MSP: "Die Akzeptanz des Repository Manager/MVS scheitert vermutlich daran, daß nur wenige Unternehmen in der Lage sind, eine - DB2-Anwendung mit 2000 Tabellen auch nur annähernd zu administrieren - geschweige denn, sie vernünftig zum Laufen zu bringen."

Im deutschsprachigen Raum unternahm diesen Versuch kaum mehr als ein Dutzend Anwender. Wie IBM-Insider hinter vorgehaltener Hand zugeben haben die meisten von ihnen mit dem Repository Manager eher gespielt als gearbeitet. Nur einigen wenigen war es sowohl die Hard- und Software-Ressourcen, als auch die Manpower wert, das Repository tatsächlich mit Daten zu füllen.

Jahrelang auf das falsche Pferd gesetzt

Diese Unternehmen befürchten jetzt, monate- oder gar jahrelang auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Dort ist das Controlling wohl derzeit damit beschäftigt, alle durch den Repository-Einsatz angefallenen Kosten zu addieren. Auf die Frage, was denn jetzt aus der in seinem Betrieb angelegten Entwicklungsdatenbank würde, antwortete ein leitender Informationsverarbeiter aus Österreich: "Auf jeden Fall wird IBM uns das bezahlen." Damit dürfte er recht behalten, denn auch der Branchenprimus kann es sich nicht mehr leisten, ausgerechnet seine besten Kunden vor den Kopf zu stoßen.

Entwicklung kommt ohne Mainframe aus

Unbestritten hat die IBM eine Kehrtwendung um 180 Grad unternommen. Das überarbeitete Entwicklungskonzept stellt OS/2 und AIX gleichberechtigt nebeneinander, während MVS anscheinend überhaupt keine Rolle mehr spielt. Damit verliert auch DB2 seinen Status als Conditio sine qua non. Die gemeinsame Datenbasis für alle Entwicklungswerkzeuge soll nämlich nicht relational, sondern objektorientiert aufgebaut sein. Last, but not least wird die Portable Common Tools Environment (PCTE) der European Computer Manufacturers' Association (ECMA) als Basis für die Werkzeugtechnologie genutzt.

Informationen aus IBM-nahen Kreisen legen allerdings die Vermutung nahe, daß Ma Blue ihr in die Jahre gekommenes Elefantenbaby keineswegs verhungern lassen will: Zwar wird der Mainframe künftig von der eigentlichen Anwendungsentwicklung ausgeschlossen; die Tool-Integration zu delegieren heißt aber noch nicht, den zentralen Kontrollpunkt aufzugeben. Schließlich müssen die verschiedenen dezentralen Workstation-Repositories irgendwie konsolidiert werden.