IBM kauft sich die Macht im Server-Geschäft

23.03.2009
Mit Sun Microsystems würde sich Big Blue Marktanteile schnappen und seine ärgsten Rivalen unter Druck setzen.

Bisher ist eine Übernahme von Sun durch IBM nicht viel mehr als ein Gerücht. Die Beteiligten schweigen eisern, haben einschlägige Medienberichte aber auch nicht dementiert. Dessen ungeachtet deutet vieles darauf hin, dass der womöglich 6,5 Milliarden Dollar schwere Deal tatsächlich zustande kommt. Die vorliegenden Informationen ergeben ein schlüssiges Bild: Mit Sun würde sich der mit Mainframes und anderen Hochleistungsrechnern groß gewordene IT-Konzern einen wichtigen Konkurrenten einverleiben und seine ohnehin schon starke Position im Server-Markt entscheidend verbessern. Das Nachsehen hätten insbesondere der große Rivale Hewlett-Packard, aber auch andere Server-Anbieter wie die japanische Fujitsu.

Sun-Kunden im Visier

Zu den Schlüsselkunden Suns gehören Unternehmen aus der Finanz- und der Telekommunikationsbranche, die IBM nach einem Wiederanziehen der Konjunktur erhebliche Umsatzzuwächse bringen könnten.

Doch das ist längst nicht alles: Big Blue, wie der zweitgrößte IT-Konzern in der Branche genannt wird, würde auch die Kontrolle über die Kronjuwelen Suns gewinnen: die weltweit auf unterschiedlichsten Rechnerplattformen verbreitete Programmiersprache Java (siehe dazu: Was wird aus Suns Software?, Seite 16). Zusammen mit den vielfältigen Open-Source-Initiativen beider Hersteller würde ein mächtiges Gegengewicht zum gemeinsamen Rivalen Microsoft entstehen.

HP und Fujitsu wären geschwächt

Am augenfälligsten wären die Auswirkungen der Fusion im weltweiten Server-Markt. Legt man Umsatzstatistiken von IDC zugrunde, besäße IBM zusammen mit Sun einen Anteil von 42 Prozent. HP und Dell lägen mit 29 beziehungsweise knapp zwölf Prozent abgeschlagen auf den Plätzen (siehe Grafik "Server-Markt nach Umsatz"). "HP würde vor allem im Segment der Highend-Server deutlich geschwächt", kommentiert Andreas Zilch von der Experton Group. Der große Verlierer wäre nach seiner Einschätzung aber Fujitsu, inklusive der wieder eingegliederten Fujitsu-Siemens Computers (FSC): "Aus strategischer und technischer Sicht hätte Sun optimal zu Fujitsu gepasst." Die Technologiepartnerschaft der Unternehmen bezüglich der Sparc-Prozessoren und dem Solaris-Betriebssystem hätte weiter ausgebaut werden können, so der Analyst. Auch die regionale Ausweitung auf den amerikanischen Markt hätte perfekt gepasst.

Trotz des immensen Medienechos kamen die Fusionsgerüchte nicht überraschend. Sun gilt schon seit geraumer Zeit als mögliches Übernahmeobjekt. Vom Platzen der Internet-Blase im Jahr 2001 hat sich der einstige Börsenstar nie richtig erholt (siehe Seite 18). Die weltweite Wirtschaftskrise trifft die Kalifornier nun mit voller Wucht.

Ganz anders IBM: Trotz Rezession steigerte das Unternehmen den Gewinn im vierten Quartal 2008 um zwölf Prozent auf 4,4 Milliarden Dollar. Zwar wäre Sun mit den kolportierten 6,5 Milliarden Dollar (rund 4,8 Milliarden Euro) die größte Übernahme in der Firmengeschichte IBMs. Doch die Kriegskasse des blauen Riesen ist mit rund 13 Milliarden Dollar (Stand: Ende 2008) gut gefüllt.

Die Folgen für Sun

Die Auswirkungen einer Übernahme wären für Sun gravierend. IBM müsste schnell und massiv die Kosten senken, um den Zukauf vor den Aktionären zu rechtfertigen. Erst im abgelaufenen Jahr kündigte Sun-CEO Jonathan Schwartz an, rund 6000 von 33.000 Stellen zu streichen. Dabei dürfte es nach einem Zusammengehen mit IBM kaum bleiben. Zu groß sind die Überschneidungen der beiden Unternehmen in verschiedenen Produkt- und Organisationsbereichen.

Am deutlichsten wird das Problem am umfangreichen Server-Portfolio der Anbieter. Vor allem Suns mit Sparc-Prozessoren ausgerüstete Maschinen unter dem hauseigenen Unix-Derivat Solaris ständen nach einer Übernahme vor einer ungewissen Zukunft. IBM unterhält in fast allen Leistungsklassen vergleichbare Server mit Power-CPUs und dem Betriebssystem AIX. Auf lange Sicht würde die Entwicklung von Sparc und Solaris sehr wahrscheinlich auslaufen, glauben nicht wenige Analysten. "Zwei Unixe voranzutreiben ergäbe für IBM keinen Sinn", kommentiert Experton-Mann Zilch. Auch IDC-Analyst Vernon Turner ist sich sicher: "IBM muss sich zwischen Solaris und AIX entscheiden."

Vorteile im Storage-Markt

Mit der Übernahme von Sun würde IBM ganz nebenbei den größten Konkurrenten im Markt für leistungsstarke Bandspeichersysteme aus dem Weg räumen. Im Jahr 2005 hatte Sun den Speicherhersteller Storagetek gekauft, der lange Zeit einer der führenden Anbietern von Highend-Bandspeichern war. Zwar gibt es ansonsten auch im Storage-Bereich beträchtliche Überschneidungen in den Produktportfolios. Doch IBM könnte zumindest seine Kundenbasis deutlich verbreitern. Geht es dagegen um Midrange-Speicherpodukte, haben beide Anbieter keine besonders starke Position.

In jedem Fall müsste IBM nach dem Zukauf zwei höchst unterschiedliche Unternehmenskulturen unter einen Hut bringen. Sun gilt als Prototyp eines Startup-Unternehmens aus dem Silicon Valley, das es mit brillanten Entwicklungen eigenwilliger Technik-Freaks an die Spitze schaffte. IBM dagegen ist der Inbegriff des konservativen Ostküstenkonzerns mit straffen Strukturen und stets korrekt auftretenden Managern. "Sun ist ein Unternehmen, das mit der Arbeit von Eigenbrötlern groß geworden ist", kommentiert Charles King, Analyst bei der kalifornischen Pund-IT. "Für IBM ist es entscheidend, diese Kultur zumindest teilweise zu erhalten. Sie ist einer der größten Werte von Sun."

Platzt der Deal noch?

Ob der Deal überhaupt zustande kommt, war bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch offen. In die Parade fahren könnten IBM insbesondere die Kartellbehörden, die ihr Plazet zu der Transaktion geben müssten. Vor allem der Markt für Highend-Server dürfte die Wettbewerbshüter in den USA wie in der EU interessieren.

Last, but not least besteht die Möglichkeit, dass hinter den Übernahmegerüchten aus anonymen Quellen interessierte Aktionäre von Sun Microsystems stecken. Sie fordern schon länger mehr Rendite für ihr Kapital und wären besonders interessiert, den Aktienkurs schnell nach oben zu treiben. In diesem Kontext taucht immer wieder der Hedgefonds Southeastern Asset Management auf. Er hatte im vergangenen Jahr seinen Anteil an der Java-Company auf mehr als 20 Prozent aufgestockt. "Diese Jungs haben die Führung bei Sun übernommen", glaubt der amerikanische Analyst Dan Olds. "Es geht hier nicht um Strategien oder Jonathan Schwartz, sondern einzig und allein um das Geschäft."