Geschäft mit PS2-Rechnern soll angekurbelt werden

IBM-Händler: End-of-Life-Aktion für AT-PCs

26.08.1988

MÜNCHEN (dow/rs) - Der PC AT ist tot - es lebe der PS/2-AT. In einer Sommeraktion versucht die IBM ihren Händlern (und damit indirekt den Endkunden) weiszumachen, der "Abschied von der alten Welt" (O-Ton IBM) sei gekommen. Doch die neue Welt ist so neu nicht.

"Diese Sommeraktion hat zum Ziel", schreibt Dieter Kolb aus dem IBM-VH-Marketing (Vertrieb Handelspartner) an die adressierten Händler, "das Geschäft für das vierte Quartal vorzubereiten und endgültig auf die PS/2-Produktfamilie auszurichten." Gleichzeitig solle diese Aktion im dritten Quartal "Zusatzgeschäft in speziellen Marktsituationen ermöglichen".

Mit Preisnachlässen bis zu 40 Prozent sollen die Händler die alten Rechner XT286 und AT 03 an den Mann bringen. Den wesentlichen Grund für diese "End-of-Life"-Aktion (O-Ton) verschweigt Big Blue ihren Händlern indes: Die Lager müssen für das AT-Modell der PS/2-Familie geräumt werden (siehe Seite 4, "IBM kehrt zum AT-Bus zurück").

Daß das Modell 35 der PS/2-Familie kurz vor der Ankündigung steht, bestreitet die IBM Deutschland erwartungsgemäß. Doch immerhin bestätigt die Hauptverwaltung in Stuttgart, "daß IBM auch weiterhin Maschinen auf der Basis des ,Alte-Welt-Standards' bauen wird". Jörg Balser, Mitarbeiter der IBM-Pressestelle, ließ dabei offen, ob diese Maschinen auf der PC- oder der AT-Architektur basieren werden.

In dem Rundschreiben an ihre Händler findet sich allerdings kein Wort von neuen Modellen des "alten" Standards. Dort werden stattdessen den Distributoren die PS/2-Modelle 50 und 60 als Nachfolger des XT286 und des AT 03 nahegelegt. Als Vorzüge stellt Marketier Dieter Kolb heraus, daß die genannten Nachfolge-Systeme "im Preisrahmen der Mittbewerberangebote in alter PC-Architektur" lägen und "Koexistenz durch gleichzeitige DOS- und BS/2-Fähigkeit" sowie einen "weichen Übergang auf neue Anwendungen und Einsatzgebiete" ermöglichten.

Für einen XT286, ausgerüstet mit VGA-Adapter und dem Bildschirm 8512, muß der Händler jetzt noch knapp 3400 Mark bezahlen. Vor der Sommerloch-Aktion kostete ihn dieses Modell noch fast 4500 Mark. Zum Vergleich: Das PS/2 Modell 30-021 steht für 3800 Mark in der Liste. Der Preis für den AT 03, ebenfalls mit VGA-Adapter und 8512-Bildschirm, ist um knapp 40 Prozent in den Keller gegangen: rund 3900 Mark statt knapp 6300 Mark.

Auch PS/2-Systeme finden sich im Sonderangebot. Sie werden, befristet bis zum 30. September, den Händlern zwischen 4,4 und 9,1 Prozent unter dem Listenpreis angeboten (einschließlich Bildschirm 8512). So sind beispielsweise für das Modell 50-021 jetzt noch 5000 (Liste: 5500) Mark zu zahlen, das Modell 60-071 gibt es für knapp 7400 (7700) Mark und ein Modell 80-071 für rund 8600 (9400) Mark.

Doch nicht nur die Hardware-Preise sind im Rahmen dieser Promotion gesunken, auch die Betriebssystemsoftware ist "zur leichteren Aufbereitung dieses neuen Wachstumsmarktes" (O-Ton IBM) um rund 20 Prozent billiger geworden. "Das vierte Quartal", so Marketing-Mann Kolb in seinem Händlerbrief, "hat für den Umstieg von DOS auf BS/2 besondere Bedeutung."

Für seine Vertriebspartner hat er die drei Marketing-Schwerpunkte "Multitasking für den gewerblichen Mittelstand", "Multitasking beim Systemkunden" und "Multitasking für jedermann" ausgemacht. Allerdings hat das Angebot einen Haken: Nur die BS/2 Standard Edition kommt in den Rabattgenuß. Sie kostet jetzt noch 410 Mark.

Ködern will Big Blue die Händler mit einer "Investitions-Garantie": Die jeweilige BS/2-Version 1.0 wird kostenlos in die Version 1.1 mit Presentation Manager umgetauscht. Zusätzlich stellt IBM eine Aufrüstung zur Extended Edition mit einem späteren Upgrade-Paket in Aussicht. "Bitte denken Sie daran", drängt Kolb seine Vertriebspartner zum Kauf der Alt-Hardware, "daß diese BS/2-Einführungs-Promotion ... in Verbindung mit unseren XT286-, AT-03- und Speicher-Promotions eine attraktive Alternative zum aktuellen Wettbewerbsangebot darstellt."

Einfluß auf die Kaufentscheidung von Großkunden, deren Entscheidung für das PS/2-System bereits gefallen ist, scheinen die Preisnachlässe jedoch nicht zu haben. Maximilian Wieland, DV-Chef der Bayerischen Beamtenversicherung, München, und Verfechter des SAA-Konzeptes der IBM, will weiterhin PS/2-Rechner mit Mikrokanal installieren. Auch beim Deutschen Bücherbund in Stuttgart läßt man sich nicht durch Sonderangebote beeindrucken und bleibt bei der Order von PS/2-Kanal-Rechnern. Daß es für diese Rechner derzeit noch wenig Software gibt, nehmen beide Anwender dabei in Kauf.