Desktop 36 für acht Benutzer:

IBM gibt System /36 die Sporen

31.01.1986

MÜNCHEN (CW) - Das Desktop Modell der IBM-/36-Reihe, seit seiner Markteinführung im letzten Jahr nicht gerade ein florierendes Produkt (siehe Computerwoche 30/85), soll jetzt etwas mehr Dampf erhalten. Big Blue ist dabei, eine Version dieses an der Grenze zum Personal Computer rangierenden Geräts für acht User auf den Markt zu bringen.

Einige Händler und Software-Entwickler erwarten einem Bericht des Computerworld-Netzwerkes zufolge von der Änderung einen Ansporn für die Verkaufszahlen des Desktop, warnen aber vor einer Reihe von Marketing- und Software-Problemen bei dem Produkt, die noch zu lösen seien. Eingeweihten Kreisen zufolge wird die neue Version zusammen mit der 512-Kilobyte-Speichererweiterung vorgestellt, die nach den Worten eines IBM-Sprechers für das erste Quartal angesagt ist. Weitere Auskünfte über Änderungen an der Maschine verweigerte der Sprecher.

Wahlweise Emulation oder Stand-alone-Betrieb

Der Desktop kombiniert /36 mit direkt angeschlossenen PCs, die wahlweise ein Terminal emulieren oder mit eigener Software arbeiten können.

Die knapp 6000 Dollar kostende Maschine kann mit bis zu vier PCs, Terminals oder Druckern verbunden werden. Eine typische Vollkonfiguration kostet zwischen 10 000 und 20 000 US-Dollar; die Softwarekosten belaufen sich dabei auf etwa 2500 Dollar.

Das Gerät, das über wenige besonders qualifizierte Händler vertrieben wird, konnte bei den Kunden "fast keinen Funken Interesse" erwecken, wie diese Händler erklärten. IBM hält dagegen an der Aussage fest, die Verkäufe über alle Kanäle liefen gut. Das Unternehmen startete letztes Jahr einen extensiven Werbefeldzug. Die Software wird von Marktbeobachtern und Entwicklern gleichermaßen als Schlüsselproblem betrachtet. Einige Entwickler haben nun mit der Übertragung der Software von Acht-Zoll-Systemen auf das 5,25-Zoll-Format für den Desktop /36 begonnen. Aber der Prozeß läuft nach Ansicht der betroffenen Händler zu langsam. Potentielle Kunden für die neue Software werden zudem oft durch den hohen Preis abgeschreckt.

"Software für das System /36 ist immer wesentlich teurer gewesen als PC-Software", drückte sich Herb Leiting aus, Vizepräsident von Phoenix Consulting in Madison. Seine Firma hat mehr als 2000 Pakete von der System /36-Software auf den Desktop portiert. "Wer das Doppelte für Software ausgeben muß wie für Hardware, der hat ein Problem." IBM reagiert auf dieses Problem mit einigen portierten Paketen zu einem reduzierten Preis.

Händler und Entwickler bemängeln auch, IBM habe es versäumt, den Zielmarkt für die Maschine genau zu definieren. "Mein großes Problem ist, wo er hineinpaßt", sagte ein Computerland-Franchisee. "Man kann es an jemanden verkaufen, der gänzlich mit IBM arbeitet, aber ich bin nicht sicher, wer wirklich einen Bedarf dafür hat. Wenn IBM in diesem Jahr seine Verkaufsunterstützung verbessert, könnte das deutlicher werden." Nach der Erfahrung vieler Händler entscheiden sich viele Nachfrager nach Multiuser-Systemen statt dessen für den PC AT. Ein IBM-Sprecher sagte, die Maschine ziele auf PC-Anwender, die nach einer Multiuser-Maschine Ausschau hielten, ebenso wie System/36-Anwender auf der Suche nach einer kleineren Maschine für arbeitsgruppenorientierte Aktivitäten. Die Händler gaben auch zu, ihrerseits zu dem Problem beigetragen zu haben.

"Wir waren selbst nicht auf Zack", sagte Roger Williams, Chef des Data Systems Computer Centers in New York. Ausgewählte Händler für das Produkt zögerten bisher, ihr Verkaufspersonal entsprechend auszubilden. Einem Händler zufolge koste es 10 000 bis 15 000 Dollar, bis man soweit sei, die Maschine zu verkaufen. IBM Deutschland sieht offenbar durchaus die Schwierigkeiten: In der Bundesrepublik wird der Desktop nicht angeboten.