Mit neuer Veranstaltungsreihe neue Märkte im Visier:

IBM gibt sich auch bei der Telematik kompetent

02.11.1984

HERRENBERG (cmd) - Trotz aller Schwierigkeiten mit dem Bildschirmtextsystem ist es der IBM Deutschland GmbH, Stuttgart, gelungen, sich mit diesem Auftrag als "Amtsbaufirma" der Bundespost zu profilieren. Mit dem erstmals veranstalteten "Herrenberger Telematik-Forum", das künftig zur Dauereinrichtung werden soll, sucht sich die deutsche Dependance der Armonker jetzt auch als kompetenter Partner für alle Fragen der Telekommunikation zu etablieren. Die Themen der ersten beiden Foren: Die Datenübertragungs- und Telematikdienste der Bundespost und die IBM eigene Architektur für Kommunikationsnetze SNA.

Die Deutsche Bundespost und die IBM teilten sich die zweitägige Veranstaltung in puncto Themenfolge je zur Hälfte. Die Vertreter der Post, zum überwiegenden Teil aus dem Fernmeldetechnischen Zentralamt in Darmstadt, referierten über Bildschirmtext, Teletex und Telebox, über die geplante Geschäftskommunikation via Satelliten, das ISDN-Konzept sowie das Bigfon-Projekt.

Stichworte zum Thema Bildschirmtext, vorgetragen von Erich Niebel, Referent Bildschirmtextdienst im FTZ: Bis Ende dieses Jahres soll es im Bundesgebiet 17 Btx-Vermittlungsstellen mit rund 6600 Teilnehmer-Ports geben. Die Post rechnet bis dahin mit rund 29 000 Teilnehmern, davon 3500 Anbietern. Für Anfang 1986 ist die Bereitstellung der Stufe 2 des neuen Btx-Dienstes mit zusätzlichen Merkmalen wie die eigenständige Verwaltung von Benutzern durch die Teilnehmer (zum Beispiel Vergabe von Editierberechtigungen), die Einführung von 31 Regionalbereichen, die Gebührenerfassung für Betreiber des Dienstes, die Einrichtung einer Seitenabrufstatistik und Offloading geplant.

Peter Kahl, Projektgruppenleiter ISDN im FTZ, beschränkte sich in seinem Vortrag über die ISDN-Konzeption der Post nicht nur auf die technischen Aspekte, sondern nannte auch erste Vorstellungen seines Hauses in bezug auf Gebühren: Der ISDN-Basisanschluß, so Kahl, orientiert sich an der heutigen Doppelanschlußgebühr", also 40 Mark. Als Dienste im ISDN will die Post Fernsprechen, 64-KBit-Transportdienste, Telefax Gruppe 4 sowie Text/Text-Fax anbieten.

Die IBM startete ihren Vortragspart mit der Vorstellung von SNI. Hinter dieser Abkürzung, die für SNA Network Interconnection steht, verbirgt sich "eine neue Möglichkeit, getrennte selbständige SNA-Netze für deren Interkommunikation miteinander zu koppeln, ohne die Eigenständigkeiten der Einzelnetze zu tangieren" (O-Ton IBM). Die neuen SNA-Releases mit den SNI- oder "Gateway-Funktionen sind Advanced Communications Function/Virtual Telecommunications Access Method (ACF/VTAM) Version 2 Release 2, ACF/Network Control Porgram (NCP) Version 3, Network Communications Control Facility (NCCF) und Network Logical Data Manager (NLDM) Release 2. Ein Gateway besteht dabei immer aus zwei Teilen: Dem Gateway System Services Control Point (SSCP) innerhalb des Gateway-VTAM und dem Gateway-NCP (siehe hiervon Bild 1).

ACF/VTAM Version 2 Release 2 wird als SNA-Zugriffsmethode in einem Großrechner eingesetzt. Der SSCP als Teil von ACF/VTAM kann bei entsprechender Konfigurierung als Gateway-SSCP auch SNI-Funktionen für den Auf- und Abbau netzübergreifender Sessions ausführen. (Die Implementierung gibt es bisher nur für das Betriebssystem MVS).

ACF/NCP Version 3 lauft als Netzwerk-Steuerprogramm in einer Datenfernverarbeitungs-Steuereinheit und kann durch entsprechende Generierung als Gateway-NCP auch SNI-Funktionen unter Steuerung eines oder mehrerer Gateway-SSCPs durchführen. Dieses Produkt übersetzt, die Adressen zwischen den Netzwerken und erlaubt so, daß in SNA-Nachbarnetzen unterschiedliche Adreßfeldteilungen möglich sind.

NCCF Version 2 - eine Anwendung unter ACF/VTAM - ermöglicht mit der "Alias"-Funktion, daß in SNA-Nachbarnetzen für Elemente sowie Tabellen die gleichen Name

verwendet werden.

NLDM Release 2 - eine Anwendung unter NCCF - schließlich sammelt, korreliert und stellt dem Benutzer online Daten im Hinblick auf netzübergreifende SNA-Sessions zur Verfügung. Dieses Produkt unterstützt so bei der Problemeingrenzung netzübergreifender logischer Fehler.

Im Fall von zwei durch SNI verknüpften Netzen kann eine Gateway-Funktion in einem oder in beiden der Partnernetze oder auch in einem speziellen dazwischenliegenden Gateway-Netz. Das Gateway-VTAM muß in einem MVS-Betriebssystern arbeiten, in den bedienten Netzen können jedoch auch andere Betriebssysteme angeschlossen sein. Die Konfigurationsmöglichkeiten im einzelnen:

- In der Minimalkonfiguration steuert ein Gateway-SSCP ein Gateway-NCP. Es können bis zu 255 SNA-Netze verbunden werden. (Siehe Bild 2.)

- Mehrere Gateway-SSCPs steuern ein einzelnes Gateway-NCP. Der Aufbau einer netzübergreifenden Session kann je nach Generierung nur von einem oder von mehreren Gateway-SSCPs gemeinsam vorgenommen werden. (Siehe Bild 3.)

- Eine andere Konfiguration kann sich mehrerer Gateway-NCPs an den Netzverbindungsflächen bedienen. Dabei legt das Gateway-SSCP beim Aufbau einer netzübergreifenden Session fest, über welches Gateway-NCP diese geführt werden soll. (Siehe Bild 4.)

- Eine serielle Netzverknüpfung in Form einer Kette bietet sich dann an wenn man mehrere Netze nicht an einem einzigen Gateway verbinden will. Die Kette kann unendlich lang sein, doch ist zu beachten, daß mindestens in jedem zweiten Netz ein Gateway-SSCP und an jeder Netzübergangsstelle ein Gateway-NNCP vorhanden sein muß. (Siehe Bild 5.)

- Last but not least besteht auch die Möglichkeit einer "Back-to-Back"-Konfiguration: In diesem Fall ist das mittlere Netz ein "Null-Netz" ohne eigenen SSCP und NCP, das nur funktionellen Anteil an den benachbarten Gateway-NCPs hat. (Siehe Bild 6.)

- Die weiteren Vorträge der Stuttgarter stellten den Bildschirmtext-Rechnerverbund, den IBM PC als multifunktionale Btx-Station und als SNA-Station als Variationen des Oberthemas SNA dar. Das gleiche galt auch für die "Architektur für Bürokommunikation mit den Ebenen "Document Interchange Architecture" (DlA), "Document Content Architecture" (DCA) und "Graphic Codepoint Definition" (GCD). Diese Kommunikationsprotokolle - so wurde in Herrenberg immer wieder und sehr nachdrücklich betont seitens der IBM - seien die Basis für zukünftige Hard- und Software-Entwicklungen auf dem Gebiet der Bürokommunikation.