Vom Mainframe zur Service-Company

IBM feiert 100. Geburtstag

20.12.2011
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Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.

Louis Gerstner (1993) - wie IBM aus seiner schwersten Krise kam

1987 war IBM mit einem Börsenwert von 106 Milliarden Dollar das am höchsten bewertete Unternehmen der USA. Doch Ende des Jahrzehnts und Anfang der neunziger Jahre stürzte die IBM in die schwerste Krise seiner Geschichte. Der alte Slogan "Nobody gets fired for buying from IBM", galt nicht mehr. Die Mainframes gerieten in den Ruf einer zu teuren, unflexiblen und aussterbenden Rechnerklasse. Doch die IBM machte damals 60 Prozent ihrer Profite mit den Dinos.

Midrange-Systeme und das aufblühende Client-Server-Paradigma machten dem blauen Riesen schwer zu schaffen. Im PC- Workstation- und Unix-Segment galt IBM nicht mehr als führend, kurz: das Unternehmen hatte seine Innovationskraft eingebüßt. Der damalige Chef John Akers musste zehntausende Mitarbeiter entlassen - ein bis dahin völlig unbekanntes Phänomen bei IBM. Der Konzern geriet massiv in die roten Zahlen und wies 1992 einen Verlust von knapp fünf Milliarden Dollar aus. Die Insolvenz drohte. Auf Anraten hochkarätiger Berater begann Akers, die Zerschlagung der IBM vorzubereiten.

Louis V. Gerstner übernahm 1993 die Geschäfte vom glücklosen John Akers. Gerstner rettete die IBM.
Louis V. Gerstner übernahm 1993 die Geschäfte vom glücklosen John Akers. Gerstner rettete die IBM.
Foto: IBM

Als Louis Gerstner im April 1993 als vielbelächelter Seiteneinsteiger (Cookie-Monster) die IBM übernahm, traf er schnell zwei weitreichende Entscheidungen: Er verhinderte die Zerschlagung der IBM und konzentrierte das Unternehmen auf das Service-Geschäft (siehe auch: Wie Gerstner IBM aus der Krise führte. Gleichzeitig trennte er sich von unprofitablen Geschäftsbereichen und nahm die Auslandstöchter wieder an die kurze Leine.

Die IBM sei mehr als die Summe ihrer Teile, ließ er mehrmals verlauten. Der Manager schaffte es, das große technische Know-how mit den über Jahrzehnte gewachsenen Branchenkenntnissen der IBM so zu kombinieren, dass der Konzern im aufblühenden Service-Geschäft Erfolge feiern konnte. Der starke Trend zum Outsourcing half beim Auf- und Ausbau des Service-Geschäftes.

Gleichzeitig erlaubte Gerstner den Hardware herstellenden Bereichen, ihre Komponenten auch an Konkurrenten zu vertreiben. Auf diese Weise wuchs das "OEM-Geschäft zu einer milliardenschweren Einnahmequelle heran", berichtete Wolfgang Herrmann in der Computerwoche bereits 2002 anlässlich der Inthronisierung von Sam Palmisano, der den Chefsessel am 1. März 2002 von Louis Gerstner übernahm.

Sam Palmisano übernimmt den Chefsessel

Samual J. Palmisano steht der IBM seit 2002 vor.
Samual J. Palmisano steht der IBM seit 2002 vor.
Foto: IBM

Als Palmisano antrat, war das Service-Geschäft mit einem Jahresumsatz von 35 Milliarden Dollar mit Abstand die stärkste Einnahmequelle der IBM. Diese Politik verfolgte der neue CEO weiter. Heute liegt der Serviceanteil am IBM-Geschäft bei mehr als 50 Prozent. Vom Gesamtumsatz, der sich 2010 auf 99,87 Milliarden Dollar belief, entfielen 56,4 Milliarden Dollar auf die beiden Servicebereiche Global Technology Services und Global Business Services mit einer kombinierten Bruttomarge von rund 31 Prozent.

Doch auch Gerstner hätte den Turnaround nicht ohne die riesige installierte Basis der IBM geschafft. Die vielen Tausend Enterprise-Kunden hofften ebenso auf ein Wiedererstarken von Big Blue wie die IBMer selbst. Sie waren in ihren IBM-dominierten RZ-Welten gefangen. Ein Umstieg auf andere zentrale Systeme hätte für sie enorme IT-Investitionen bedeutet; ein Aufwand den sie weder leisten wollten noch konnten.