Der Networking-Markt ist im Umbruch. Microsoft versucht mit Windows for Workgroups, Windows NT und dem kommenden Windows 4.0 mehr denn je, Novell Marktanteile streitig zu machen. Eric Tierling* sprach fuer die COMPUTERWOCHE mit Greg Fallon, Novells Vice-President Sales fuer Europa, den mittleren Osten und Afrika, ueber Strategien des Marktfuehrers im Jahr 1994.
CW: Wann kommen Novell DOS 7 und Personal Netware endlich auf den deutschen Markt, nachdem das Weihnachtsgeschaeft verpasst wurde?
Fallon: Die ersten Pakete treffen in den naechsten Tagen in Deutschland ein. Zur CeBIT '94 sind alle Produkte definitiv erhaeltlich. Die Nichteinhaltung des urspruenglich vorgesehenen Auslieferungstermins zum Oktober 1993 hat uns zu einer massiven Marketing-Strategie veranlasst.
CW: Glauben Sie, dass es ein geeignetes Rezept fuer Novell sein kann, Microsoft Paroli zu bieten, wenn Produkte spaeter als zuerst angekuendigt ausgeliefert werden?
Fallon: Natuerlich nicht. Sie muessen aber sehen, dass Novell 1993 viele Produkte auch rechtzeitig auf den Markt gebracht hat. Produkte, die allerdings nicht unbedingt im Mittelpunkt des grossen Interesses stehen.
CW: Gehoert nun Netware 3.12 oder 4.x die Zukunft?
Fallon: Ganz klar Netware 4.x mit den Netware Directory Services (NDS). Des weiteren stehen wir voll und ganz zur NLM- und VLM- Technologie.
CW: Warum entwickelt Novell dann noch Netware 3.12, bei dem das Update zudem noch relativ teuer ist?
Fallon: Gegenfrage: Warum bringt Microsoft ein Update von MS-DOS 6.0 auf 6.2 heraus? Ganz einfach, um eine einheitliche Basis zu schaffen, um beispielsweise den Support wesentlich zu erleichtern.
CW: NDS wird von vielen als die Technologie der Zukunft eingeordnet. Obwohl es nun seit fast einem Jahr auf dem Markt ist, stehen aber immer noch kaum NLMs fuer Netware 4.x zur Verfuegung.
Fallon: Vergleichen Sie Netware 4.x mit Netware 3.x: Erst rund zwei Jahre nach der Markteinfuehrung kam der Kick-off, und so wird es vermutlich auch bei Netware 4.x sein. Derzeit arbeitet eine ganze Menge Entwickler an der Netware-4.x-Unterstuetzung ihrer Produkte. Unsere Erwartungen sind dabei konform zur Entwicklung der Netware-3.x-Familie.
CW: Gilt das auch fuer die Verkaufszahlen von Netware 4.x?
Fallon: Der Verkauf von Netware 4.x laeuft sehr gut. Rund acht bis zehn Prozent der von unseren Distributoren verkauften Netware- Pakete entfallen auf Netware 4.x.
CW: Im letzten Jahr hat Novell, von Netware 4.x einmal abgesehen, sehr viele Neuerungen eingefuehrt. So soll Appware die Entwicklung von plattformuebergreifenden Netzwerkapplikationen vereinfachen oder das Netware Distributed Management System (NDMS) ein einheitliches, umfassendes Management einer Netware-Umgebung ermoeglichen. Ist die Vielzahl von Abkuerzungen, Strategien und Produkten nicht verwirrend und fehlt, wie manche behaupten, ein echtes Konzept?
Fallon: Nein, ich denke nicht. Nehmen Sie zum Beispiel NDMS. Laut neuesten Statistiken haben wir uns im Desktop-Management-Bereich eine fuehrende Position erobert, und ich weiss von zahlreichen Projekten mit OEM-Partnern. Das As im Aermel fuer das Management ist IPX/SPX, aufgrund seiner dynamischen Konzeption. TCP/IP hingegen ist statisch. Alles in allem ergibt sich daraus ein Gesamtbild, das fuer das steht, was wir anbieten: Informationsdienste fuer die ganze Unternehmensinfrastruktur.
CW: Vereinzelt ist zu hoeren, dass Novell sein IPX/SPX aufgibt und statt dessen TCP/IP als Protokoll verwendet.
Fallon: Nein, das ist nicht richtig. Ausdruecklich nein! TCP/IP wird IPX/SPX sicher nicht ersetzen. IPX ist die Zukunft fuer Novell, TCP/IP unterstuetzen wir lediglich auf Wunsch.
CW: Aus den USA ist zu hoeren, dass sich IBM in Zukunft wieder auf seinen LAN-Server besinnt und Netware nicht mehr ausdruecklich empfehlen, sondern nur noch auf Nachfrage anbieten moechte.
Fallon: Nicht in Europa. Hier hat sich IBM ganz klar fuer Netware entschieden und manifestiert das auch in Broschueren, Marketing- Material oder Verkaufsvideos. IBM USA und IBM Europa sind zumindest in dieser Hinsicht zwei verschiedene Unternehmen.
CW: Wird die naechste Netware-4.x-Version Netware 4 oder gleich Netware 5.0 heissen, um das teilweise negative Image von Netware 4.x abzustreifen?
Fallon: Ich bin nicht der Ansicht, dass Netware 4.x ein negatives Image besitzt. Daher kann ich mir auch nicht vorstellen, warum eine Namensaenderung erfolgen sollte. Netware 4.x bedeutet NDS- Technologie, und unsere Kunden sehen nicht nur auf einzelne Produkte, sondern auf das Ganze, was dahintersteht.
CW: Welche Neuheiten sind 1994 von Novell zu erwarten?
Fallon: Es wird neue Entwicklungen fuer IPX geben, mehr moechte ich hierzu im Moment noch nicht sagen. Ein anderer Fokus ist Mobile Computing. Weitere Novitaeten betreffen ISDN, Multimedia, Video oder Telephony-Services. Sie werden in diesem Jahr ausserdem prozessorunabhaengige Versionen von Netware sehen und im Unix- Bereich kommt Mitte des Jahres eine Multiprozessor-Version von Unixware fuer bis zu 16 Prozessoren.