Stuttgarter Computerriese führt kundenorientierte Außendienstorganisation ein:

IBM Deutschland strafft Vertriebsapparat

18.12.1981

STUTTGART - Das in den USA angekündigte Konzept für einen kundenorientierten Vertrieb (CW Nr. 41/81) will jetzt auch die IBM Deutschland einführen. Die bisher nach Produkten ausgerichteten Bereiche Datenverarbeitung (DV), Basis-Datenverarbeitung (BD) und Textverarbeitung (TV) werden aufgelöst und unter einer einheitlichen Leitung zusammengefaßt. In der Stuttgarter IBM-Zentrale verdichten sich die Anzeichen, daß im Zuge dieser Umstrukturierung der Vertriebsapparat gestrafft wird. Durch "normale Fluktuation" sollen "ein paar hundert Leute" abgebaut werden, weiß ein Betriebsratsmitglied (siehe auch Kolumne, Seite 7).

Schon vor einem Monat hatte John R. Opel, Chief Executive Officer und President der IBM Corp., öffentlich erklärt, daß die ausländischen Töchter adäquat zur amerikanischen Lösung umstrukturiert würden. In der vergangenen Woche erfuhren die deutschen IBM-Geschäftsstellen durch einen Aushang am schwarzen Brett, daß eine Neuordnung des Außendienstes "geplant" sei.

Konkret wurde die IBM-Pressestelle, von der COMPUTERWOCHE auf "Buschtrommel-Spekulationen" angesprochen: Ab dem 1. Januar 1982 soll es unter einem gemeinsamen Marketingdach nach dem amerikanischen "ABC-"-Muster drei unterschiedliche Vertriebsbereiche geben - die "A"-Organisation für große, komplexe Systeme, die "B"-Sparte für mittlere und kleinere Systeme sowie den Sondervertrieb, "C" für Mengenprodukte wie Testsysteme, Bildschirme oder Schreibmaschinen.

Der entscheidende Unterschied zur bisherigen Organisation, so IBM, liegt darin, daß die neuen Vertriebzweige nach Kundengröße strukturiert sind. Dabei wird getrennt nach Großkunden, Klein- und Mittelbetrieben sowie Mengenabnehmern (Softwarefirmen, Systemhäuser, Händler etc.)

Noch ist nicht bekannt, nach welchem Verteilungsschema die Kundenzuordnung erfolgen soll. Dies sei, kommentiert ein Ex-IBM-Manager, eine "heikle" Frage, "denn die Kunden interessiert natürlich, wer ist mein neuer Vertriebsbeauftragter, wer ist mein neuer Geschäftsstellenleiter?" Der IBM-Intimkenner glaubt an eine Version, die dem bisherigen DV-Vertrieb auf den Leib geschneidert ist, und befürchtet, daß "in Zukunft BD wieder das fünfte Rad am Wagen" sein wird: "Die Geschäftsstellen machen eben mit einem Großsystem eher ihren Auftragseingang."

Der Leiter der neuen Marketinggruppe "Informations-Systeme" (IS), an die die kundenorientierten ABC-Bereiche berichten, heißt Karl E. Michel, wollen gutunterrichtete Stuttgarter Kreise wissen. Der DV-Chef war erst vor drei Monaten von einem "Paris-Ausflug" zur IBM Europe ins Management der IBM Deutschland zurückgekehrt (CW Nr. 36/81). Ferner ist durchgesickert, daß daneben der bisherige BD-Chef Dr. Rainer Gohlke etabliert wird, zukünftig zuständig für den technischen Außendienst, die Außendienstverwaltung und die Anwendungsentwicklung.

Konkurrenz im eigenen Hause abgestellt

In IBMs neuem Konzept, meinen Branchenbeobachter, spielt eine wichtige Rolle, daß jeder Bereich die ganze Produktpalette vertreiben kann, "vom größten MVS-System bis runter zur kleinsten BD-Maschine". Dadurch soll nach Ansicht von Kennern der IBM-Szene vermieden werden, daß ein Kunde von zwei oder drei Vertriebsbeauftragten betreut wird, was nach der jetzigen Organisation möglich ist. "Nun kann es nicht mehr vorkommen", freut sich Harald Tass, DV-Leiter bei der Schade & Füllgrabe GmbH, Frankfurt, und Vizepräsident von Common Europe, "daß die ihre Konkurrenzkämpfe auf dem Rücken der Kunden austoben." In die gleiche Kerbe haut Kurt R. Thomas, Sekretär von Guide Europe: "Der Wettbewerb unter den Vetriebsbeauftragten wird eliminiert."

Anders die Bewertung von Heinz Neubeck, DV-Chef der Mauser-Werke Oberndorf GmbH: "Konkurrenz belebt das Geschäft." Heute seien es im Normalfall mehrere IBM-Verkäufer, die sich um den Kunden bemühten, "jetzt wird es nur noch einer sein."

Zweifel an der Qualifikation

Hans-Jürgen Müller, DV-Leiter bei der Hessischen Landesentwicklungs- und Treuhand GmbH, Wiesbaden, krittelt gar, es werde für den Vertriebsbeauftragten schwierig sein, das gesamte Produkt-Know-how der IBM zu beherrschen: "Ob der so qualifiziert ist, möchte ich bezweifeln." Die Neugliederung halten IBM-Kenner freilich für einen raffinierten Schachzug des Marktführers, von seinen hohen Marketingkosten herunterzukommen . "Produktorientierte Sparten wie Datenverarbeitung und Basis-Datenverarbeitung

aufrechtzuerhalten", analysiert ein Insider, "war eine teure Sache."

Mehr Effizienz im Verkauf erwartet offenkundig die IBM-Geschäftsführung von der Neuregelung. Hauptargument für die strukturelle Maßnahme, so ein Betriebsrat, sei zwar gewesen, "dem Kunden nicht mehr nur Hardware zu verkaufen, sondern ein ganzes Informationssystem", doch sei vom Topmanagement ganz klar gesagt worden, daß man sich einen größeren Umsatz erhoffe. Die Arbeitnehmervertreter waren auf einer IBM-internen Großveranstaltung im Stuttgarter International-Hotel vergangene Woche über den Operationsplan der "Big Blue"-Bosse informiert worden.

Die Neuordnung setzt nach dem Mitbestimmungsrecht die Zustimmung des IBM-Betriebsrates voraus. Wie die IBM-Pressestelle mitteilt, werden derzeit entsprechende Verhandlungen zwischen der Geschäftsleitung und den Gewerkschaftsvertretern geführt: "Die neue Organisation wird allgemein positiv aufgenommen." Dazu einer der Beteiligten: "Es ist einmalig, wie bereit die Geschäftsleitung ist, Zugeständnisse zu machen." Für ihn sei das freilich klar, "weil die unter Zeitzwang sind".

Der Erfolg der Vertriebsstraffung scheint einigen Kunden freilich zweifelhaft. So gibt Wolfgang Behrens, DV-Chef bei der Coop, Kiel, zu bedenken, daß es "falsch von der IBM wäre", langjährige Bindungen zwischen Vertriebsbeauftragten und Kunden zu zerreißen: "Ich glaube nicht, daß die IBM dann die Umsätze macht, die sie sich verspricht." Und der Kieler sorgt sich: "Wenn die IBM im Zusammenhang mit der Umstrukturierung Personal abspeckt, wird es für die Anwender sicherlich nicht besser."