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IBM-Contras formieren Open Token Foundation

09.12.1988

MENLO PARK (bi) - Eine gewichtige Gruppe von Herstellern sucht ihre Strategie in Richtung offene Token-Standards durch eine "Foundation" zu sichern. Exponenten dieser "Open Token Foundation" sind 3Com und die Madge Networks Ltd.; angeschlossen haben sich bereits Proteon, die Architecture Technology Inc., und die Network General Corp.; Texas Instruments, Telex, NCR, Sytec, Natsemi und Western Digital, haben einem Branchenblatt zufolge, Interesse bekundet.

Hintergrund dieser neuerlichen Gruppenbildung ist die befürchtete IBM-Dominanz im Token-Ring-Markt. "Wenn Big Blue erst einmal 90 Prozent des Token-Marktes in Händen hat, dann erübrigt sich die Frage nach der Offenheit des Standards, es wird sie nicht geben", erläutert Bob Metcalfe, Senior President bei 3Com, dem nach eigener Einschätzung nach Big Blue zweitgrößten Lieferanten von Token-Ring-Netzwerkprodukten, die Bedenken der Gruppen-Mitglieder.

Auch wenn die letzte Ankündigung der IBM-Produkte für den Token-Ring-Sektor im US-Markt eher zwiespältig aufgenommen wurde, scheint das Vorgehen des Marktführers speziell mit dem um zirka 400 Prozent schnelleren 16-MBit/s-Token-Ring die Wettbewerber im Hinblick auf die Standardisierung stark zu beunruhigen. Paul Duggan von der Western Digital möchte mit der Open-Token-Initiative verhindern, daß IBM ungestört mit der "Definition des Produkts" und damit ihrer Einflußnahme sowohl auf den Markt und die Preise als auch auf die eigentliche Technik fortfahren kann.

3Com-Mann Metcalfe, der vor elf Jahren schon einmal bei der Einführung von Ethernet mit einer entsprechenden Initiative zur Offenhaltung dieses Standards erfolgreich war, betont den Preisaspekt: "Token Ring ist zu teuer; ein Teil unseres Jobs in der Foundation wird sein, herauszufinden, warum das so ist und wie man die Preise drücken kann - auch, um den Markt zuzüglich über diese Schiene zu öffnen." Metcalfe kann als Gruppen- und Standardisierungsexperte gelten; er ist der Gründer und zur Zeit auch der Chairman der Corporation for Open Systems (COS).

Bisher hat sich für die Nicht-IBM-Anbieter im Token-Markt das mangelnde Vertrauen der Käufer in die Sicherheit einer künftigen Kompatibilität mit den Token-Produkten des Marktführers noch als Barriere ausgewirkt. Dies jedenfalls stellte Robert Madge, Präsident der Madge Networks fest. Zusammen mit Metcalfe war er der Initiator der Open Token Foundation. Im Augenblick sei IBM die Marktdominante und könne völlig unabhängig von anderen ihre Produkte planen. Die Token-Foundation strebe deshalb zum Nutzen des gesamten Marktes eine Stabilisierung des Token-Standards IEEE 802.5 an, um künftig auch den Produktmix unterschiedlicher Hersteller - einschließlich der IBM - zu ermöglichen.

Weniger optimistisch betrachten andere Foundation-Mitglieder die Aussichten der Vereinigung. Speziell die Proteon Inc. verharrt in einer "Wait and see"-Position: "Wir werden die Meetings besuchen und an den Diskussionen teilnehmen. Aber wir glauben, daß es zu früh ist, zu beurteilen, ob die Open-Token-Initiative den richtigen Weg einschlängt. Token Ring ist unser Brot-und-Butter-Produkt, einen Fehler können wir uns nicht leisten."

Anders als 3Com oder Madge Networks produziert Proteon Proprietary-Systeme mit Übertragungsraten von 10 Bit/s und 80 MBit/s zuzüglich zu den IBM-kompatiblen 4- und 16-MBit/s-Systemen.

Damit das Marktgeschehen nicht langweilig wird, hat sich parallel zur Open Token Foundation eine kleinere Gruppierung potenter Netzwerkanbieter zusammengefunden: Sun Microsystems Inc., Apollo Computer Inc., Banyon Systems Inc. und Novell Inc. Sie wollen gemeinsam an dem 16-MBit/s-Token-Ring-Test-Programm der IBM teilnehmen.

Zusätzlich gibt das jetzt in den USA angekündigte Chip-Set der Texas Instruments für den 16-MBit/s-Token-Ring dem Getümmel um die künftige IBM-Token-Ring-Strategie eine Richtung. Analysten indes halten den Trubel für verfrüht. Bevor der 16-MBit/s-Ring im Midrange-Bereich seine Kunden finde, seien schnellere Netzwerk-Server und weitere Tools zur Steigerung der Netz-Performance notwendig. Erst danach habe der 16-MBit/s-Token-Ring eine Chance auf einen größeren Markt.