Der Mikrocomputermarkt in den skandinavischen Ländern:

IBM beherrscht den DV-Markt im hohen Norden

29.03.1985

Den Kinderschuhen sind die skandinavischen DV-Hersteller inzwischen entwachsen. Auf dem Mikrocomputermarkt finden Konkurrenzkämpfe statt, denn viele Anbieter wollen sich ein Stück vom Mikrokuchen abschneiden. Wie die Situation im hohen Norden aussieht. beschreibt eine Studie* der Marktforschungsgruppe Intelligent Electronic Europe.

Die skandinavischen Länder werden oft mit den Worten charakterisiert: "Wohlfahrtsstaaten, sehr demokratische Regierungen, freie Marktwirtschaft und weitreichendes Sozialfürsorgesystem". Obwohl sie auf vielen Gebieten als Marktführer in Europa gelten, mißt man diesen vier Ländern - mit knapp über 22 Millionen Einwohnern - bei Betrachtung des gesamteuropäischen Marktes dennoch eine oft nur geringe Bedeutung bei.

Zwar stehen die skandinavischen Märkte schon länger in dem Ruf, auf dem Gebiet der Hochtechnologie den übrigen europäischen Ländern ein gutes Stück voraus zu sein, der eigentliche Durchbruch auf dem Mikrocomputermarkt begann jedoch erst 1984. In den ersten Jahren nahmen die skandinavischen Käufer noch eine abwartende Haltung ein, beziehungsweise standen dem Mikrocomputer in seinen Anfängen eher ablehnend gegenüber. Erst mit dem Einzug der IBM in die Personal-Computer-Arena begann der Markt zu wachsen, und dieses Wachstum und wurde 1984 aufgrund des Nachfrageschubs in den skandinavischen Ländern ungeheuer beschleunigt.

Der Bericht der Marktforscher unterstreicht, daß der "hohe Norden" eindeutig von IBM beherrscht wird. 1984 hat Big Blue hier seinen höchsten Marktanteil in Europa errungen: 36 Prozent. Skandinavische Hersteller teilen sich sozusagen den restlichen Markt, so daß für andere internationale Konkurrenten nur kleine Stücke des Kuchens übrigbleiben. Dennoch tummeln sich auf dem skandinavischen Mikromarkt viele Anbieter. Die Zukunft dieses Marktes scheint jedoch bereits völlig in den Händen weniger sehr starker Wettbewerber zu liegen. In Schweden, dem größten und wirtschaftlich am weitesten entwickelten nordeuropäischen Markt, konnten sich IBM, Luxor und Ericsson 1984 zusammen einen Marktanteil von 65 Prozent sichern und ihre Verfolger Apple und DEC mit bescheidenen Marktanteilen von je fünf Prozent abschlagen. IBM hat diese ungeheuer starke Position auf dem schwedischen Markt einmal seiner aggressiven Absatzpolitik sowie der Tatsache zu verdanken, daß der IBM PC nach wie vor von vielen Großunternehmen eingesetzt wird. Auch wenn Luxor und Ericsson 1984 laut Intelligent Electronics mit Marktanteilen von 18 beziehungsweise 8 Prozent deutlich schlechter abschnitten als IBM, befinden sie sich doch in einer guten Ausgangslage für eine Verbesserung ihrer Marktposition 1985.

Luxor, das 1983 mit seinen ABC-Mikrocomputern einen Marktanteil von 40 Prozent verbuchen konnte, verlor 1984 aufgrund der geringen Konkurrenzfähigkeit seiner veralteten Computerserie und des dadurch bedingten Abspringens einiger seiner besten Händler stark an Boden. Mit der kürzlichen Übernahme der Aktienmehrheit durch den finnischen Konzern Nokia scheinen die Unternehmensziele von Luxor noch unbestimmt. Was Ericsson angeht, so wurde allen Anzeichen nach der neue, kompatible Mikro vom Handel und den potentiellen Benutzern sehr positiv aufgenommen. Scheinbar wird sein Erfolg nur noch durch die derzeitigen Produktionsbeschränkungen beeinträchtigt. Intelligent Electronics sieht Ericsson 1985 gestärkt an zweiter Position auf diesem Markt.

Regnecentralen, ein dänisches Computerunternehmen, zeigte sich 1984 gegenüber IBM (mit 33 Prozent) konkurrenzfähiger als andere Hersteller und konnte sich einen Marktanteil von 21 Prozent sichern. Hinter diesem Erfolg verbirgt sich der Partnercomputer auf CP/M86-Basis sowie das Modell Piccoline, das insbesondere für den Bildungsbereich konzipiert ist. Auf diesen Bereich entfiel 1984 ein sehr großer Anteil des Umsatzes von Regnecentralen. Für 1985 rechnet man fest damit, daß das Unternehmen nun auch in die Bereiche Industrie und Handel drängen wird.

Apple und Ericsson, die beide 1984 einen Anteil von neun Prozent am dänischen Markt erlangen konnten, kämpfen von unterschiedlichen Positionen aus um den dritten Platz. Dem Apple-Importeur International Microdata gelang es 1984, im Hinblick auf die Apple-Umsatzzahlen, den Schwung des Jahres 1983 ins nächste Jahr hinüberzuretten. Der Macintosh lief jedoch auf diesem Markt schlechter an als erwartet. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß er 1985 als ernsthafter professioneller Computer voll anerkannt wird. Dagegen kann Ericsson zuversichtlich auf sein erfolgreiches Eindringen in den Markt des IBM-Terminals 3270 bauen. Derzeit sind über 15 000 Alfaskop-Terminals von Ericsson in Dänemark installiert. Es wird erwartet daß der Mikro von Ericsson als Terminalersatz mit aller Macht auf den Markt drängen wird, wodurch Ericsson auf dem Kleinrechner-Markt sehr stark werden und Regnecentralen den zweiten Rang streitig machen könnte.

Wenn wir nun den kleineren norwegischen Markt betrachten, so zeigt sich auch dort ein einheimischer Hersteller an zweiter Stelle hinter IBM. Allerdings könnte man einwenden, daß Tiki Data eher auf einem anderen Marktsektor etabliert ist. Der beachtliche Marktanteil von 15 Prozent im letzten Jahr wurde hauptsächlich im Bildungsbereich durch den Verkauf von Billigpreiscomputern (für rund 1000 Dollar) erzielt, die ursprünglich für den Einsatz in norwegischen Schulen konzipiert waren. Tiki Data beabsichtigt, mit einem für Small-Business-Applikationen konzipierten Mikrocomputer einen neuen Markt zu erschließen und dürfte auf diese Weise auch 1985 noch zu den Marktführern gehören. Sowohl Apricot als auch Compaq haben 1984 beachtliche Umsatzzahlen erreicht (mit Marktanteilen von acht beziehungsweise drei Prozent) und bringen somit ihren gemeinsamen Importeur Norsales (ehemaliger Vertriebshändler von Osborne) auf eine starke dritte Position. DEC und Scanvestring sind mit je fünf Prozent ebenfalls nicht zu unterschätzen. Während DEC entsprechend seiner internationalen Marktstrategie þMikrocomputer nur noch als Erweiterung, beziehungsweise als Workstation zu den erfolgreichen Minicomputern betrachtet, dürfte Scanvestring als einflußreicher Vertriebshändler für Elektronikprodukte sein Umsatzvolumen mit Corona-Produkten beträchtlich steigern.

IBM hatte in Finnland, dem isoliertesten der nordeuropäischen Länder, zwar mit 29 Prozent den geringsten Marktanteil in Skandinavien, ist jedoch auch hier unumstrittener Marktführer vor den bekannten

skandinavischen Computerunternehmen Nokia Data und Ericsson. Auch hier teilen diese drei Hersteller mehr als die Hälfte des Markts unter sich auf, so daß den Konkurrenten nur noch ein Rest von 40 Prozent bleibt. Der große Industriekonzern Nokia expandiert nun schon seit fünf Jahren mit hohen Zuwachsraten, was in der Hauptsache auf die erklärte Unternehmenspolitik des Erwerbs von Firmen und der ständigen Diversifizierung zurückzuführen ist. Auf dem Mikrocomputermarkt engagiert sich Nokia sehr stark im Bildungsbereich und hat eine unumstrittene Position, wenn es um Aufträge der Regierung oder Behörden geht. Obwohl die Stellung des Nokia-Konzerns auf dem finnischen Markt gesichert scheint, steht das Unternehmen in diesem Jahr vor zwei schwierigen Problemen: vor der Entscheidung, IBM-Kompatibilität für Nokia-Produkte oder nicht, und vor der Schwierigkeit, bei der Mittelverteilung zwischen den aggressiven Exportaktivitäten und der Sicherung der eigenen Position auf dem Binnenmarkt die Waage zu halten.

Ericsson Dava, ein Joint-venture zwischen Ericsson und der finnischen Firma Valmet, gewährleistet den Vertrieb aller Ericsson- und Facit-Produkte in Finnland. Das gute Ansehen von Ericsson Dava als "finnische Firma" (obwohl ihre Produkte in Wirklichkeit importiert werden) die überzeugenden Leistungsmerkmale des neuen Mikros von Ericsson, die große Zahl der bereits installierten ,.unintelligenten Terminals" und ihr Exklusiv-Händlernetz - dies sind alles Pluspunkte, mit denen Ericsson Dava seine Marktposition erfolgreich verteidigen kann. Seine Zukunft im Marktführertrio auf dem finnischen Markt scheint gesichert.

Die Studie zu einem Preis von 1600 Dollar bei Intelligent Electronics Europe, 15, rue Buffon, 75005 Paris, bestellt werden.