Wie Eltern durch Telearbeit einen anspruchsvollen Job weiterführen

Hypo-Bank: Kind und Karriere lassen sich kombinieren

28.08.1998

Der Traktor belebt die Dorfstraße, in den Vorgärten blühen die Tulpen, die Wiesen hinter den Häusern sind löwenzahngelb. Hier im Landkreis Freising, rund 25 Kilometer Luftlinie von der Münchner Zentrale der Hypo-Bank entfernt, entscheidet Jutta Bürger über hohe Kreditanträge von Firmenkunden. Die leitende Angestellte der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank hat einen Weg gefunden, wie Kind und Karriere zu vereinbaren sind: alternierende Teleheimarbeit. Konkret heißt das, daß sie zwei Tage pro Woche daheim und drei Tage in der Zentrale tätig ist. Wer ihre Dienstnummer wählt, wird automatisch an den jeweiligen Arbeitsort verbunden.

"Für mich läuft das optimal", sagt die Kreditreferentin. Sie zählt zu den wenigen Frauen mit verantwortungsvollem Posten, die zeitweise nur virtuell in ihrem Unternehmen präsent sind. "Meine Aufgaben sind gleich geblieben. Aber die Anstrengung, alles auf die Reihe zu bringen, ist gewachsen." Hinter Bürgers Urteil steckt die Erfahrung, daß gewisse Bedingungen gegeben sein müssen, wenn Mütter oder Väter auf diesem Weg dem Job und der Familie gleichermaßen gerecht werden wollen.

Wichtige Voraussetzungen sind: ein klar abgrenzbares eigenes Arbeitsgebiet, Vorgesetzte, die Telearbeit fördern, Kollegen, die sie wohlwollend unterstützen; ein Arbeitgeber, der überzeugt davon ist, Vorteile durch diese besondere Beschäftigungsform zu haben, eine Betriebsvereinbarung, die das Verfahren regelt und schließlich ein Partner, dessen berufliche Bedingungen ebenfalls passen.

Kreditentscheidungen werden innerhalb von drei Tagen getroffen - dieser "Servicestandard" ihrer Abteilung, verbunden mit der Verpflichtung, zu den Geschäftszeiten der Bank telefonisch erreichbar zu sein, geben den Rahmen für Jutta Bürgers Arbeitsrhythmus vor. Darüber hinaus wird schon mal eine Nacht- oder eine Wochenendschicht fällig, sagt die Betriebswirtin. Das war freilich immer so - mit oder ohne Kind, mit oder ohne Telearbeit.

Die Zeit, die sie im Dachstübchen am Schreibtisch und am PC sitzt, hat Bürger genau eingeteilt. Ablenken läßt sie sich weder vom Haushalt noch vom einladenden Sonnenschein draußen. Sie nützt vor allem die Stunden, in denen die Tochter schläft, von einer Kinderfrau oder vom Vater betreut wird.

"Ohne Disziplin, Planungsfähigkeit und Selbständigkeit geht nichts", urteilt die leitende Angestellte. Seit kurzem wurden ihr auch Aufgaben der Mitarbeiterführung übertragen.

Da ist das Telefon ein wichtiges Kommunikationsmittel, weil nicht alle nötigen Absprachen auf ihre drei Bankarbeitstage geschoben werden können.

"Viele Vorgesetzte haben ein Problem damit, wenn sie ihre Mitarbeiter nicht ständig sehen. Darum läuft das mit der Telearbeit auch noch sehr zäh", beschreibt Bürger ihre Beobachtungen. Im eigenen Fall ging es problemlos: Ihr Chef wollte sie keinesfalls verlieren, als das Kind kam, und hat den neuen Weg nach Kräften unterstützt. "Und die Kollegen haben ihren Jahresurlaub verlegt, um die Zeit zu überbrücken, in der ich im Mutterschutz war", erinnert sich Bürger anerkennend.

Nach der Geburt der Tochter arbeitete sie zunächst fünf Tage zu Hause - kein Modell auf Dauer, wie sie sagt. "Ich habe zwar telefonisch am Jour fixe teilgenommen. Dennoch bleibt man von all den Informationen abgeschottet, die zwischen Tür und Angel ausgetauscht werden. Das fördert auch Unterstellungen, welch' lockeres Leben man doch zu Hause habe." Deshalb legt sie allen Telearbeitswilligen nahe, mindestens einen Tag pro Woche in der Firma selbst anwesend zu sein: "Man darf den Kontakt zu den Kollegen und Kolleginnen nicht verlieren."

Die Zahl der bearbeiteten Kreditanträge, die Art der Entscheidung und die Dauer des Verfahrens sind in Bürgers Fall die Kriterien für das bankinterne Controlling. Diese hohe Transparenz und leichte Meßbarkeit ihrer Leistung sind große Vorteile, sagt Bürger. Es ärgert sie deshalb, wenn der Kollege einer Außenstelle "um halb neun Uhr morgens anruft und fragt: ,Habe ich Sie geweckt?'"

Die Motivation ist gestiegen

Ende 1993 begannen bei der Hypo-Bank die Überlegungen, wie für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit konzeptionellen, bearbeitenden und administrativen Tätigkeiten "Arbeit zu Hause" geregelt werden könnte. In einer sechsmonatigen Probephase wurde vor allem gestestet, inwieweit zuvor geäußerte Bedenken - Karrierehindernis, Image- und Kommunikationsverlust, Mehrarbeit für die Kollegen - zuträfen. Tatsächlich stellte sich jedoch heraus, daß die Arbeitszufriedenheit, die Motivation und die Produktivität der "Pendler" stark anstiegen.

Im Januar 1996 wurde schließlich eine Betriebsvereinbarung (BV) über alternierende Teleheimarbeit abgeschlossen. Zitat aus dem Begleitheft: "Die Hypo-Bank will nicht nur den veränderten Ansprüchen von Kunden und Mitarbeitern Rechnung tragen, sondern aktiv nach neuen Modellen für die Arbeitswelt von morgen suchen."

Kein Knick in der Karriere

Im Falle der leitenden Angestellten Jutta Bürger hatte der Betriebsrat zwar keine Mitsprache. Doch die klaren Vorgaben der BV zu Fragen wie Arbeitssicherheit, Ausstattung, Datenschutz und Kostenkalkulation haben das Verfahren vereinfacht, sagt Bürger und fügt hinzu: "Die BV macht den Schritt zur Telearbeit für Frauen leichter, die nicht von ihren Vorgesetzten gefördert werden."

Bürgers Ehemann ist ebenfalls Angestellter der Hypo-Bank und fungiert als Postkurier der Telearbeiterin. Während sie keine Sorge haben muß, auf der Karriereleiter stehenzubleiben, sieht das für den jungen Vater, der seine Arbeitszeit auf 19 Stunden reduziert hat, anders aus. "Der Vorgesetzte unterstützt ihn", sagt Bürger, "besonders die Kolleginnen finden das toll. Aber gesellschaftlich gesehen hat das immer noch einen negativen Touch."

Mitten in ihre zunächst auf drei Jahre vereinbarte Telearbeitsphase fällt die Zusammenlegung der Hypo-Bank mit der Bayerischen Vereinsbank. Das könnte ein bißchen schwierig werden, glaubt die Bank-Managerin: "Gerade in der Übergangsperiode entsteht ein hoher Abstimmungsbedarf. Ob da ein Heimarbeitsplatz das Ideale ist?" Doch gleich fügt sie das Ergebnis ihrer bisherigen Erfahren hinzu: "Wenn alle Beteiligten sich bemühen, dann geht es gut..

Helga Ballauf ist freie Journalistin in München.