Hyper-V ist ernsthafter VMware-Rivale

07.05.2008
Von 
Andrej Radonic ist Experte für Virtualisierung, Cloud-Technologien und Open Source Anwendungen. Der Fachbuchautor ist Vorstand der interSales AG und entwickelt für mittelständische Unternehmen anspruchsvolle E-Commerce Lösungen.
Die Software repräsentiert einen wesentlichen Baustein in Microsofts Virtualisierungsstrategie. Die zukünftig in Windows Server 2008 integrierte Komponente glänzt vor allem durch einfache Handhabung.

Die Virtualisierungssoftware (Arbeitstitel "Viridian"), die sich derzeit noch im Release-Candidate-Status befindet, ist mit Hypervisor-Technik ausgestattet. Sie stellt eine schlanke Softwareschicht dar, die für die Hardwareabstraktion zuständig ist, und den virtuellen Maschinen eine schnelle und flexible Ablaufplattform bietet.

Die Feature-Liste von Hyper-V ist umfangreich, zu den Funktionen zählen unter anderem das Verschieben von virtuellen Maschinen (VMs) von einem Rechner zum anderen (Quick Migration genannt, bislang nur für Windows Server-Systeme), umfassende Storage-Anbindung und intelligentes Management. Außerdem ist sie auf Basis publizierter Schnittstellen (WMI, Hypercall API, VHD-Dateiformat) für Redmonder Verhältnisse sehr offen angelegt.

Eine der wichtigsten Eigenschaften der neuen Virtualisierungssoftware dürfte sein, dass sie als Bestandteil von Windows Server 2008 für jeden Anwender des Betriebssystems unmittelbar verfügbar ist. Die Installation erfolgt als Server-Rolle und ist damit schnell und einfach erledigt. Microsofts Kalkül ist offenkundig: Die Integration von Hyper-V in Windows Server 2008 soll Anwender zur Virtualisierung ermuntern, wobei sie für virtuelle Windows-Rechner abhängig von der benutzten Version Lizenzkosten berappen müssen (nur die Datacenter Edition erlaubt unbeschränkt viele Windows-VMs). Außerdem verringert Microsoft damit das Risiko, dass Unternehmen für Virtualisierungslösungen andere Systeme, wie etwa Linux, einsetzen. Neben der Virtualisierung von Windows 2003 und Windows 2008 können damit auch Linux-Server als Gastsysteme mit "eingefangen" werden.

Ähnlichkeiten mit Xen

Den Anforderungen an Virtualisierung kommt entgegen, dass Microsoft auch in einem anderen Punkt seine Hausaufgaben gemacht hat: Erstmalig existiert mit "Server Core" eine auf die wesentlichen Server-Funktionen beschränkte Variante eines Betriebssystems. Der um die Grafikoberfläche und anderen Ballast reduzierte Server bildet die ideale Grundlage für den Betrieb virtueller Systeme. Damit verringert sich der Aufwand für die Administration eines solchen Rechners ebenso wie die Fehleranfälligkeit und Angriffsfläche für Attacken.

Beim Blick unter die Motorhaube zeigt sich eine große Ähnlichkeit des Hypervisors mit der jenem von Xen. Dies ist insofern nicht überraschend, als ja bereits 2006 eine weit reichende Kooperationsvereinbarung zwischen Microsoft und Xensource geschlossen wurde (der Xen-Schmiede, die Ende 2007 von Citrix gekauft wurde). Ein ganzes Xensource-Entwicklerteam hat Microsoft dabei auf das Hypervisor-Pferd geholfen.

Architektur von Hyper-V

Den Kern von Hyper-V bildet der Hypervisor, der direkt auf der Hardware läuft. Für die Verwaltung sowie die Bereitstellung der Treiber ist die Parent-Partition (auch als "Root-OS" bezeichnet) zuständig. Es handelt sich dabei um eine schmale Installation von Windows 2008 Server inklusive aller benötigten Tools, die vom Hypervisor während des Bootvorgangs gestartet wird. Die VMs oder Gastsysteme - von Microsoft auch als "Child Partitions" bezeichnet - werden von der privilegierten Root-Partition aus gesteuert und administriert. Neben Windows 2003 und 2008 sowie Vista und Windows XP (nur mit SP3) wird erstmalig mit Novell Suse Enterprise 10 SP1 auch ein Linux offiziell als Gastsystem unterstützt.

Die virtuellen Maschinen werden mittels des Softwarepakets "Integration Services" für den virtuellen Betrieb optimiert, Microsoft spricht von "Enlightenment". Bei Xen nennt man dies Paravirtualisierung. Der Kernel des Gast-Betriebssystems wird dabei geringfügig modifiziert, so dass Hauptspeicher- und CPU-Zugriffe direkt über das Hypercall-API an die physische Hardware weitergeleitet werden. Festplatten- und Netzwerkzugriffe laufen dabei via VMBUS und das Root-OS und werden dort über die normalen Gerätetreiber an die Hardware durchgereicht.

Alternativ zum Paravirtualisierungsmodus können die Gäste - analog zu Xen - auch vollständig virtualisiert laufen. Hyper-V bedient sich dabei der Virtualisierungsunterstützung der CPU. Mit deren Hilfe lassen sich die Child Partitions somit auch unmodifiziert, aber mit Performance-Einbußen betreiben.

Installation und VM-Betrieb

Die Installation des Hypervisors ist gut gelöst und lässt sich einfach bewerkstelligen. Nachdem Windows Server 2008 vollständig oder als Server-Core eingerichtet ist, lässt sich der Virtualisierer als Rolle über den Server Manager installieren. Nach einem Neustart kann das System virtuelle Maschinen ablaufen lassen.

In jedem Fall lohnt es sich - speziell bei Intel-Maschinen -, vor dem ersten Start einen Blick ins BIOS zu werfen: Unter "Advanced => Processor" sollte hier die "Virtualization Technology" auf "Enabled" gesetzt werden, damit sich die Virtualisierungsschicht später kooperativ zeigt.

Der insgesamt positive Eindruck setzt sich bei der Erzeugung von virtuellen Maschinen fort. Diese Aufgabe übernimmt ein Assistent, der Schritt für Schritt die gewünschten Parameter - RAM, Laufwerke, Netzwerkanbindung und Installationsquelle - abfragt. Als Quelle kann derzeit eine CD/DVD oder ein entsprechendes ISO-Image dienen.

Während der Erzeugung einer VM fällt auf, dass sich das Gast-Windows regelrecht durch die Installation quält: Der Festplattendurchsatz ist offenbar nicht berauschend. Dies liegt daran, dass im voll virtualisierten Modus die Platten- und Netzwerkzugriffe über eine naturgemäß langsame Emulationsschicht an die Hardware gelangen. Daher empfiehlt es sich, sobald die VM installiert ist, die Integration Services einzurichten. Dies ist ein kleines Softwarepaket, das die Festplatten- und Netzwerktreiber durch paravirtualisierte Artgenossen ersetzt und so für flotte Zugriffe sorgt. Außerdem kann die VM dann über die nun vorhandenen Agents sauber neu gestartet oder in den Schlafzustand versetzt werden. Windows 2008 hat diese Erweiterungen schon an Bord, sie sind als Zusatzpaket für Windows 2003 und Linux erhältlich.

Eine VM kann auch nachträglich problemlos mit neuer "Hardware" bis hin zu COM-Ports ausgestattet werden. Leider kann man derzeit nicht nach dem Muster von Xen gezielt PCI- und USB-Geräte exklusiv an VMs durchreichen. Jedoch verfügt der Administrator über umfangreiche Optionen zur Speicherverwaltung. Mit dem VHD-Tool können virtuelle Laufwerke nachträglich vergrößert oder einem neu hinzugefügten (virtuellen) SCSI-Controller als weitere Platte zugeteilt werden.

Administrationswerkzeuge

Die Virtualisierungsrolle bringt eine grafische Management-Konsole mit, welche die Steuerung der VMs sowohl lokal als auch entfernt erlaubt. Dabei bedient sich das System der WMI-Schnittstelle (Windows Management Instrumentation). Assistenten helfen bei der Installation neuer VMs (von einem optischen Datenträger oder einem ISO-Image) sowie bei der Einrichtung virtueller Geräte wie Netzwerkadapter oder Laufwerken.

Die Installation von Linux-Systemen gestaltet sich dagegen noch sehr unkomfortabel. Hierzu muss der Kernel manuell installiert sowie der GRUB-Bootloader modifiziert werden. Dann sind noch die "Integration Components" mittels Perl-Script einzurichten. Für Xen vorbereitete Kernel sind zwar lauffähig, werden aber noch nicht offiziell unterstützt. Die Interoperabilität zwischen Hyper-V und Citrix Xenserver ist aber in greifbare Nähe gerückt. Citrix arbeitet an einem entsprechenden Installationswerkzeug für Xen-Gäste auf Hyper-V.

Für die Remote-Verwaltung ist als Management-Client momentan noch ein vollwertiger Windows Server 2008 notwendig. Dies wird sich mit den "Remote Server Administration Tools" (RSAT) ändern, die dann auch auf Windows Vista laufen.

Für größere Virtualisierungsvorhaben hat Microsoft den System Center Virtual Machine Manager (SCVMM, Codename "Carmine") geschaffen. Dieser wird jedoch erst ab dem finalen Release von Hyper-V den neuen Hypervisor unterstützen. SCVMM soll dann auch VMware ESX und Citrix Xenserver verwalten.

Systemvoraussetzungen

Hyper-V läuft ausschließlich mit der 64-Bit-Version von Windows Server 2008 und setzt für den Betrieb eine CPU mit Intel VT beziehungsweise AMD-V Erweiterungen voraus. Aufgrund der Hypervisor-Architektur, bei der das Parent-OS alle Treiber für die VMs bereitstellt, wird praktische jede moderne Hardware unterstützt. In dieser Hinsicht unterliegt beispielsweise VMware ESX deutlich Einschränkungen, weil man hier auf speziell für diesen Virtualisierer hergestellte Gerätetreiber angewiesen und die Geräteauswahl dadurch naturgemäß kleiner ist.

Hyper-V ist Lizenzbestandteil von Windows Server 2008 Standard Edition und damit quasi kostenfrei dabei. Parallel dazu soll eine Stand-alone-Version zum symbolischen Preis von 28 Dollar kommen. Windows Server 2008 Standard erlaubt eine virtuelle Instanz pro Lizenz. Daher erlaubt diese Variante die Installation des Host-Systems, das nur der Verwaltung dient, und eines Windows Server 2008 in einer VM. Die Enterprise-Variante berechtigt zu vier Windows-Instanzen in VMs, und die Datacenter Edition schließlich definiert keine Grenzen in dieser Hinsicht.

(ws)

Stärken und Schwächen

  • - Großer Funktionsumfang;

  • - Flexibilität und nahtlose OS-Integration;

  • - verschiedene ManagementOptionen;

  • - viele Hardware-Optionen;

  • - offene Schnittstellen.

  • - Linux-Unterstützung aus administrativer Sicht unzulänglich;

  • - keine Unterstützung für SCSI-Boot;

  • - keine (Live-) Migration von VMs ohne Ausfallzeiten;

  • - Fernadministration erfordert vollständigen Windows Server 2008 inklusive Hyper-V-Server-Rolle;

  • - ohne SCVMM ist keine gleichzeitige integrierte Verwaltung mehrerer Server möglich;

  • - keine Nutzung von PCI- oder USB-Geräten in der VM.

Funktionen

  • Gast-Betriebssysteme: Windows 2003, Windows 2008, Suse Linux Enterprise Server 10 SP1;

  • Unterstützung für 32-Bit- und 64 Bit-Betriebssysteme als Gäste;

  • Hot-Plugging von Prozessoren, Speicher, Netzadaptern sowie Laufwerken;

  • VM-Management-Tools (Import, Export, Cloning);

  • VHD-Tools für virtuelle Festplatten (Komprimierung, Vergrößerung des Dateisystems);

  • virtuelle SCSI-Laufwerke;

  • Clustering von VMs und Hyper-V-Servern;

  • Quick Migration von VMs;

  • SMP-Unterstützung;

  • Network Load Balancing (NLB);

  • Snapshotting;

  • Management für physische wie virtuelle Maschinen über System Center;

  • Volume Shadow Copy Services (VSS) für automatisiertes Backup im laufenden Betrieb von virtuellen Maschinen einsetzbar;

  • System Center Operations Manager Health Monitoring erstreckt sich auch auf VMs.

Einige der genannten Funktionen wie Clustering oder NLB stehen nur in den höheren Lizenzvarianten von Windows 2008 Server zur Verfügung.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/

1864706: Anwender haben große Pläne, aber wenig Know-how;

1861052: Virtualisierung und Desktop-Computing;

1861244: Xen macht kräftige Fortschritte.

Mehr im Wiki

Eine ausführliche Version des Tests des Microsoft-Produkts inklusive eines Funktionsvergleichs mit Citrix Xenserver finden Sie Im Wiki der Computerwoche (http://wiki.computer woche.de).