Eckart von Hirschhausen

"Humor ist das höchste Zeichen von Kompetenz"

10.01.2008
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Karen Funk ist Senior Editor beim CIO-Magazin und der COMPUTERWOCHE (von Foundry/IDG). Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind IT-Karriere und -Arbeitsmarkt, Führung, digitale Transformation, Diversity und Sustainability. Als Senior Editorial Project Manager leitet sie zudem seit 2007 den renommierten IT-Wettbewerb CIO des Jahres. Funk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Frauen in der IT ein. Zusammen mit einer Kollegin hat sie eine COMPUTERWOCHE-Sonderedition zu Frauen in der IT aus der Taufe gehoben, die 2022 zum 6. Mal und mit dem erweiterten Fokus Diversity erschienen ist.
Die Maxime "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" ist überholt, sagt Eckart von Hirschhausen. Warum Humor ein Zeichen von Kompetenz ist, erklärt der Arzt, Kabarettist und Humor-Coach im Gespräch mit CW-Redakteurin Karen Funk.

CW: Herr von Hirschhausen, haben Sie heute schon gelacht? Worüber?

VON HIRSCHHAUSEN: Gestern saß ich in der DB-Lounge am Münchner Hauptbahnhof und musste schmunzeln, als ich entdeckte: In der ersten Klasse gibt es an den Steckdosen Kindersicherungen. Für alle dreijährigen Vielfahrer oder für die depressiven Geschäftsreisenden, die sonst direkt mit dem Finger in die Leitung fassen würden?

CW: Sie sind nicht nur Kabarettist, sondern geben auch Humorseminare für Manager. Warum brauchen Führungskräfte Humor?

VON HIRSCHHAUSEN: Jeder Mensch braucht Humor. Und wir brauchen als Führungskräfte mehr Menschen. Viele meinen, alles was man mit einem ernsten Gesicht tut, ist deshalb schon vernünftig. Der Spruch "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" mag im industriellen Zeitalter im Bergwerk gegolten haben. Aber wer in der Informationsgesellschaft bei der Kopfarbeit kein Vergnügen hat, macht etwas Grundsätzliches falsch. The brain runs on fun!

CW: Führungskräfte sollen durch Eigenschaften wie Entscheidungsfreudigkeit, Durchsetzungsvermögen und Kompetenz überzeugen. Ist Humor da nicht eher image-schädigend?

Humor weckt Interesse und bleibt in guter Erinnerung, meint Eckart von Hirschhausen.
Humor weckt Interesse und bleibt in guter Erinnerung, meint Eckart von Hirschhausen.
Foto: Eckart von Hirschhausen

VON HIRSCHHAUSEN: Humor ist das höchste Zeichen von Kompetenz. Erst wenn ich ein Thema und mich durchschaue, kann ich auch gelassen die Perspektive wechseln. Humor zeigt: Ich habe keine Angst. Deshalb wirkt er auch so ansteckend im positiven Sinne. Die Humorlosen setzen sich durch und sind irgendwann sehr alleine. Die kompetenten Kommunikatoren sind teamfähiger und langfristig auch leistungsfähiger.

CW: Kann man Humor überhaupt lernen?

VON HIRSCHHAUSEN: Man muss niemandem Humor neu beibringen. Ich schaffe im Training viele Gelegenheiten, sich auszuprobieren, seiner spontanen und originellen Seite mehr Aufmerksamkeit zu schenken und sich mehr zu trauen. Man kann bekanntlich seinen Humor verlieren - also auch wiederfinden!

CW: Wie sieht Ihr Humortraining konkret aus?

Eckart von Hirschhausen

Dr. Eckart von Hirschhausen (Jahrgang 1967) studierte Medizin und Wissenschaftsjournalismus. Seit über 15 Jahren ist der Wahl-Berliner als Kabarettist, Humortrainer, Redner und Autor präsent. Sein Markenzeichen: intelligenter Witz mit nachhaltigen Botschaften. Von Hirschhausen ist bekannt aus Radio- und TV-Sendungen wie "Quatsch Comedy Club", "Genial Daneben" und vielen Talkshows. Unter dem Motto "Humor hilft heilen" gründete er "Rote Nasen Deutschland e.V." und bringt Clowns in Krankenhäuser. Sein Buch "Arzt/Deutsch-Deutsch/Arzt" steht seit April 2007 beständig auf den Bestsellerlisten. Derzeit ist Eckart von Hirschhausen mit seinem Kabarettprogramm "Glücksbringer" auf Deutschlandtour. Weitere Informationen unter: http://www.hirschhausen.com.

VON HIRSCHHAUSEN: Jedesmal anders, weil mein Job als Coach ist, den jeweils eigenen Sinn für Humor der Teilnehmer herauszukitzeln. Dabei arbeite ich mit Techniken aus dem Improvisationstheater, der provokativen Therapie und vielen eigenen Ideen und Übungen, die ich über die 30 Jahre, die ich schon als Zauberkünstler, Komiker und Fernsehmoderator vor Publikum stehe, gesammelt habe.

CW: Wenn Sie einen Seminarraum voller steifer Bank-Manager haben, wie gehen Sie da vor?

VON HIRSCHHAUSEN: Wenn ich ein festes Rezept hätte, würde ich mir selber widersprechen. Ich versuche, aus jeder Situation etwas Passendes zu machen, authentisch und direkt. Nie mit der Brechstange. Möglichst nah am Thema der Leute, sprich bei Bank-Managern erzähle ich etwas über die Psychologie des Geldes, wie völlig unvernünftig der Homo oeconomicus oft handelt, und sobald die merken, dass ich Ahnung habe, gewinnen sie Vertrauen. Und mit dem Vertrauen kommt bald auch das erste Schmunzeln. Ein Banker, der schmunzelt, macht einen viel größeren Sprung über seinen Schatten als ein Kabarettbesucher, der im Dunkeln lacht.

CW: Und wie machen Sie aus introvertierten Programmierern extrovertierte Witzeerzähler?

VON HIRSCHHAUSEN: Die Erwartung habe ich gar nicht. Wenn der trockene Programmierer sich mit einem Funken Selbstironie zu seiner Art bekennt, darf er gerne introvertiert bleiben. Hauptsache, er versucht nichts Aufgesetztes, was nicht zu ihm passt. Humor ist nicht Witzeerzählen, sondern ein heiteres Darüberstehen, sich selbst nicht zu ernst nehmen, eine Geisteshaltung.

CW: Wie können Business-Leute Humor im Geschäftsalltag gewinnbringend einsetzen? In Vertragsverhandlungen, E-Mails oder Vorträgen?

VON HIRSCHHAUSEN: Ob ich jemandem zuhöre, entscheidet sich in den ersten zwei Minuten der Begegnung. Humor ist ein Eisbrecher für die Stimmung, weckt Interesse und bleibt in guter Erinnerung. Was wissen Sie noch von einem Vortrag, der ein Jahr her ist? Keine einzige Zahl, keine einzige Folie - aber gewiss noch die Stimmung. Das Emotionale wird viel tiefer gespeichert als das Rationale. Wenn wir jemanden nach einem Jahr wiedertreffen, wissen wir wahrscheinlich nicht mehr seinen Namen, aber mit Sicherheit, ob er uns damals geärgert, gelangweilt oder amüsiert hat.

CW: Wie groß ist die Gefahr, sich lächerlich zu machen?

VON HIRSCHHAUSEN: Wie groß ist die Gefahr, aus Angst davor ein todlangweiliges Leben zu führen?

CW: Unsere Leser sind im IT-Umfeld tätig und haben täglich mit Computern zu tun. Über die kann man sich reichlich ärgern. Worüber sollen die Genervten lachen?

VON HIRSCHHAUSEN: Dass jeder Computer es versteht, uns die Laune zu verderben, aber es noch keinen Computer gibt, der uns einen guten Witz erzählen kann. Und dass der größte Feind der künstlichen Intelligenz die Übermacht an natürlicher Dummheit ist.

So beheben Sie Ihr Humordefizit

1. Schatzkiste

Finden Sie Witze die Ihnen wirklich gut gefallen, die zu Ihnen passen in Stil und Inhalt, hinter denen Sie stehen können. Ist einem ein Witz selber peinlich, überträgt sich diese Beklemmung auf den Zuhörer, und nach dem lauen Lacher kommt ein schlechter Nachgeschmack. Legen Sie sich eine "Schatzkiste" an, notieren Sie Ideen, Witze, Sprüche, machen Sie Fotos von kuriosen Situationen, speichern Sie witzige Dinge, die es im Internet zuhauf gibt.

2. Heimlich üben

Üben Sie drei Witze richtig gut ein. Zuerst da, wo ein Scheitern nicht weh tut. Ein guter Ort zu üben ist am Telefon! Am Ende eines Gesprächs einfach fragen, ob noch kurz Zeit für einen Witz ist. Ihr Übungswitz liegt anfangs noch neben Ihrem Telefon, mit jeder Wiederholung werden Sie sicherer. Keine großen Reaktionen beim anderen erwarten, wer gerade im Großraumbüro sitzt, wird nicht so losprusten wie in der Kneipe oder im Theater. Dranbleiben.

3. Öffentlich üben - und mit Freude scheitern

Ein humorvoller Umgang mit sich und der Welt ist am wirksamsten in peinlichen Momenten zu trainieren. Erst wenn ich die Angst vor einer Blamage verliere, bin ich frei und kann auf Situationen spontan reagieren. Das Schlimmste, was man sich am Ende seiner Tage vorwerfen müsste: Ich bin noch nicht mal gescheitert! Wirklich lernen kann man Komik nur in der Arena, im Kampf mit der Bestie namens Zufall und Zuschauer. Thomas Edison hat jahrelang an der Glühbirne gebastelt, nichts hat funktioniert. Er wurde gefragt: "Wie haben Sie das ausgehalten, so viele tausend Male zu scheitern?" Er antwortete: "Ich bin nie gescheitert. Ich habe erfolgreich Wege eliminiert, die nicht zum Ziel führten."