Schonfrist für den Itanium?

HP: Letzter Auftritt für Alpha

24.01.2003
MÜNCHEN (CW) - Wie geplant, hat Hewlett-Packard (HP) in dieser Woche neue Server auf Basis des jüngsten Alpha-Prozessors "EV7" (bisheriger Codename: "Marvel") vorgestellt. Das letzte Technik-Upgrade der mit Compaq übernommenen Server-Familie auf Grundlage der proprietären Chiparchitektur soll Alpha-Anwendern ausreichend Leistungsspielraum bis zum Umstieg auf die All-Itanium-Plattform gewähren.

Für eine Technik, deren Ende beschlossene Sache ist, zeigt HPs Server-Plattform Alpha erstaunliche Vitalität. Mit der letzten, bislang leistungsfähigsten Systemgeneration hat sich HP noch einmal zu größeren technischen Neuerungen aufgeschwungen: Gemeinsam mit dem jüngsten Alpha-Prozessor EV7 feiert die "Switchless Mesh Architecture" ihr Debüt. Sie ermöglicht es, die Prozessoren in den aktuellen Zwei- bis 64-Wege-Servern direkt beziehungsweise lediglich über Kabel miteinander zu verbinden. Daraus resultieren laut Hersteller deutlich verbesserte Speicher- und I/O-Bandbreiten, niedrigere Latenzzeiten sowie ungleich höhere Skalierbarkeit als bei den Vorgängermodellen.

Ebenfalls neu ist das modulare Design der Alpha-Server, die sich aus von allen Modellen nutzbaren Bauteilen zusammensetzen. Letzteres soll Anwendern erlauben, von kleineren Systemen flexibel in größere Maschinen "hineinzuwachsen". Da der EV7-Prozessor den Kern seines Vorgängers "EV68" enthält, lassen sich die zu den bisherigen Systemen binärkompatiblen Neuzugänge laut HP nahtlos in bestehende Alpha-Umgebungen integrieren und erfordern auch auf Applikationsebene keine Anpassungen.

Die jüngste Alpha-Server-Familie umfasst drei Mitglieder: Das neue Flaggschiff ist der "Alpha Server GS1280" mit bis zu 64 auf 1,15 Gigahertz getakteten EV7-CPUs, maximal einem halben Terabyte Hauptspeicher sowie 640 I/O-Steckplätzen. Bereits verfügbar sind Acht- und 16-Wege-Ausführungen mit 250 GB Hauptspeicher. Systeme mit 32 beziehungsweise 64 Prozessoren und dem doppeltem Hauptspeicher will HP ebenfalls noch in diesem Jahr auf den Markt bringen.

Eine Wachtumsoption im Alpha-Midrange bietet der ab kommendem März erhältliche "ES80", mit dem sich HP in erster Linie an Anwender des derzeitigen Mittelklasse-Servers "Alpha ES45" mit steigendem Bedarf an Rechenkapazität wendet. Der ES80 unterstützt bis zu acht Ein-Gigahertz-Prozessoren und lässt sich mit maximal 32 GB Hauptspeicher (Mitte 2003 auch mit bis zu 64 GB Memory) sowie 64 I/O-Slots ausstatten.

Technische Auffrischung

Am unteren Ende der neuen Alpha-Reihe ist der "ES47" angesiedelt. Der Server basiert ebenfalls auf Ein-Gigahertz-EV7-Chips und ist in einer Tower-Ausführung mit zwei Prozessoren sowie als Zwei- bis Vier-Wege-Rack-Variante verfügbar. Mit zunächst bis zu acht beziehungsweise 16 GB Memory und maximal 16 respektive 32 I/O-Anschlüssen sollen die Einstiegsmodelle die bestehenden Alpha-Systeme "DS25" und "ES45" ergänzen.

Nach Angaben von Rich Marcello, Vice President und General Manager in HPs Alpha Systems Division, werden die jüngsten Systeme, die die Betriebssysteme Tru 64 Unix und Open VMS unterstützen, zu Preisen zwischen 50 000 und rund einer Million Dollar zu haben sein. Gleichzeitig kündigte das Unternehmen neue Versionen der beiden Betriebssysteme an: Open VMS 7.3-1 wird im August dieses Jahres, Version 5.1B von Tru 64 Unix im kommenden Oktober verfügbar sein.

Das Ende kommt 2011

Die Tage der Server-Plattform Alpha sind bekanntlich gezählt. Vor diesem Hintergrund scheint die Markteinführung einer neuen Systemgeneration ein gewagtes Unterfangen. Vor der Abkehr von der knapp zehn Jahre alten Ex-Compaq-Technik zugunsten einer Standardisierung aller HP-Server-Linien auf Intels Itanium will der Konzern der aktuellen EV7-Frischzellenkur im kommenden Jahr noch ein letztes Geschwindigkeits-Upgrade ("EV79") folgen lassen. Ausgeliefert werden die Alpha-Systeme bis 2006, Unterstützung sagt der Hersteller bis zum Jahr 2011 zu. Spätestens dann jedoch geht für Alpha endgültig das Licht aus.

Vor dem Hintergrund, dass Intels 64-Bit-Plattform hinsichtlich Leistung und Softwarefunktionalität erst Ende 2004 das Notwendige zu bieten habe, ist das aktuelle System-Upgrade nach Ansicht von HP durchaus sinnvoll.

Migration auf Itanium hat Zeit

Der Itanium sei derzeit noch auf den Einsatz in Zwei- bis Vier-Wege-Systemen beschränkt, während Alpha-Server in Kürze mit bis zu 64 Prozessoren erhältlich sind, erklärt HP-Manager Marcello. Zudem müssten Tru-64-Anwender, die auch künftig auf Merkmale wie dessen Cluster-Technik angewiesen seien, auf das neue HP-UX warten, in das bestimmte Tru-64-Komponenten einfließen sollen (siehe CW 31/02, Seite 16). Das sei jedoch nicht vor Ende nächsten Jahres zu erwarten. Auch die geplante Portierung des Alpha-Betriebssystems Open VMS auf Itanium werde erst in etwa zwei Jahren abgeschlossen sein. Mit Hilfe der neuen Überbrückungsprodukte könnten sich Alpha-Anwender nun entsprechend ihren speziellen Geschäftsbedürfnissen "irgendwann zwischen Ende 2004 und 2011 zum Umstieg auf die Itanium-Plattform entscheiden" - und dieser somit noch einen "gewissen Reifeprozess" zugestehen, so Marcello. (kf)