Superrechner-Produzent will HP-PA-Chips einsetzen

HP kauft Convex-Anteil und ruft PA-RISC-Konsortium ins Leben

27.03.1992

BOSTON (IDG/CW) - Die Hewlett-Packard Co. will einen fünfprozentigen Anteil an der Convex Computer Corp. erwerben. Außerdem kündigte der Workstation-Hersteller die Gründung des PA-RISC-Konsortiums PRO an.

Im Zuge des ebenfalls ausgehandelten Technologieabkommens will Convex auch den HP- eigenen PA-RISC-Chip in seinen künftigen massiv-parallelen Rechnern einsetzen. Der Vertrag zwischen HP und Convex sieht vorerst den Kauf von rund 1,2 Millionen Aktien zum Preis von je 15 Dollar vor.

Nach Aussagen beider Unternehmen ist eine Aufstockung der fünfprozentigen HP-Beteiligung zu einem späteren Zeitpunkt durchaus möglich.

Außerdem gab Convex bekannt, daß man künftige massiv-parallele Systeme nicht, wie ursprünglich geplant, auf Basis des R4000 von Mips entwickeln, sondern den HP-PA-Chip einsetzen will. Das könnte die kürzlich von Silicon Graphics aufgekaufte Chip-Schmiede in weitere Schwierigkeiten bringen.

Als weiterer Bestandteil des Technologieabkommens ist der Austausch der jeweils neuesten Compiler-Techniken geplant. So wird HP seine während der vergangenen sechs Jahre optimierten RISC-Compiler zur Verfügung stellen; im Gegenzug bietet Convex Supercomputer-Compiler an. Außerdem wird jedes Unternehmen das andere mit den jeweils neuesten Entwicklungen versorgen.

OEM-Partnerschaft Ebenfalls angestrebt

Darüber hinaus beabsichtigen die Hersteller, einen OEM-Vertrag abzuschließen, der Convex zum Weiterverkauf von HP-RISC-Systemen und Hewlett-Packard zum Vertrieb der Convex-Produkte berechtigt.

Neben der Beteiligung zückte Hewlett-Packard am Montag in New York eine weitere Karte im Poker um RISC-Marktanteile. Der Workstation-Hersteller hat mit acht anderen Unternehmen die sogenannte Precision RISC Organization (PRO) gegründet. Die "unabhängige" Interessengemeinschaft, die bisher aus Convex, Hitachi, Hughes Aircraft, Mitsubishi Electric, Oki Electric Industry, Prime Computer, Sequoia Systems und Yokogawa Electric besteht, soll der von HP entwickelten PA-RISC-Architektur zu mehr Verbreitung verhelfen.

Hauptanliegen des neuen Konsortiums ist das Erarbeiten von Industriestandards für Hard- und Software-Schnittstellen, um das problemlose Portieren von Anwendungssoftware zwischen den PA-Plattformen der einzelnen Mitglieder sicherzustellen, heißt es in einer Erklärung von HP.

Die Beteiligten haben sich außerdem bereit erklärt, ihr Know-how zur Förderung von Synergie-Effekten den anderen PRO-Mitgliedern zur Verfügung zu stellen.

Nach Angaben von HP repräsentieren die jetzigen PRO-Unternehmen zusammen ein Umsatzvolumen von über 109 Milliarden Dollar.

Wer viel zahlt, hat bei PRO die meisten Rechte

Das Konsortium, dessen Zentrale im kalifornischen Cupertino eingerichtet wird, bietet vier verschiedene Stufen der Mitgliedschaft. Sponsoren müssen 100 000, Senior-Partner 10 000, normale Partner 1000 und assoziierte Mitglieder 100 Dollar im Jahr zahlen. Dabei erhalten nur die Sponsoren frühzeitige Informationen über die Weiterentwicklung der Architektur, haben vordringlichen Zugriff auf Zulassungs- und Beratungsdienste sowie Stimmrecht in Belangen, die die Vereinigung betreffen.

Allen Beteiligten steht jedoch die Teilnahme an Arbeitsgruppen zu Themen wie Server- und Mehrbenutzersysteme, Arbeitsplatz-Rechner, steuerungsorientierten (embedded) Systemen und Software frei. Diese Gruppen können - wenn es sich als notwendig erweist - Änderungsvorschläge in bezug auf die Architektur und die Standards machen.

Außerdem haben sie ebenfalls Zugriff auf die Zulassungs- und Beratungsdienste. Repräsentiert werden soll das Konsortium durch seinen Präsidenten James R. Bell, den Marketing-Direktor Thomas Black und den technischen Direktor Ronald E. Jonas.

"Um eine Technologie voranzutreiben, braucht man das richtige Vehikel und eine funktionierende Technik, die vielversprechende Entwicklungsmöglichkeiten aufweist", sagte HPs President und CEO John Young. Diese Schlüsselinhalte würden PRO zum Erfolg verhelfen. Mathias Ehrlich, Marketing-Manager von Silicon Graphics Deutschland, kommentierte die PRO-Gründung: jede Initiative, die den Gedanken von offenen Systemen nach außen trägt, ist gut; wobei die PRO-Idee sich allerdings grundlegend von der ACE-Initiative unterscheidet. ACE definiert eine Welt, und PRO scheint lediglich eine Einkaufsgemeinschaft darzustellen."

Für den Anwender eröffnet PRO nach Meinung der Gründungsunternehmen die Möglichkeit, einsatzfertige Standard-Applikationssoftware zu erwerben, die auf den PA-RISC-Rechnern der verschiedenen Anbieter lauffähig ist. Derzeit sollen etwa 4000 zumeist unter HP-UX arbeitende Applikationen verfügbar sein.