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HP erwartete Microsoft-Angriff auf Open Source

22.07.2004

Bis vor kurzem war Hewlett-Packard in Sachen Open Source eher schmallippig. Der Grund: Das Unternehmen befürchtete, Microsoft werde wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen gerichtlich gegen zentrale quelloffene Produkte vorgehen. In einer jetzt bekannt gewordenen E-Mail vom Juni 2002 an leitende HP-Manager heißt es: "Microsoft wird sich das Rechtssystem zunutze machen, um Open-Source-Software fertig zu machen." Verfasser dieses Memos war Gary Campbell, damals Vice President für strategische Architekturen und heutiger Chef des Unternehmensbereichs Enterprise Servers and Storage. "Microsoft könnte Computerhersteller, Linux-Distributoren und - weniger wahrscheinlich - Entwickler wegen Verletzung von Patenten durch Open Source angreifen", schrieb Campbell.

Der Manager befürchtete, Microsoft würde einen Angriff auf Open Source starten, sobald das Redmonder Unternehmen unbeschadet die damaligen Monopolprozesse überstanden habe. "Sie sind besonders verärgert über Samba, Apache und Sendmail." Der Windows, Linux und andere Systeme integrierende File-Server Samba, der Web-Server Apache und das E-Mail-System Sendmail stünden Microsofts-Produktpolitik im Wege und begründeten den Erfolg von Linux. Außerdem sagte Campbell voraus, Microsoft werde in zweiter Linie wichtige Linux-orientierte Unternehmen attackieren, darunter namentlich Intel, Oracle, Red Hat und Suse. Er empfahl seinen Management-Kollegen, HP solle in Sachen Open Source "weniger Profil zeigen". So solle das Unternehmen darauf verzichten, Linux auf seinen Rechnern zu installieren und den Umgang mit Open-Source-Software Partnerfirmen überlassen.

HP bestätigte die Existenz der Campbell-Mail. Firmensprecherin Elizabeth Phillips erklärte allerdings: "Ein zwei Jahre altes Memo ist heute nicht mehr relevant." Und in Sachen Samba, Apache und Sendmail seinen HP "keine Patentverletzungen bekannt". In der Tat ist HP den Vorschlägen von Campbell nicht gefolgt - wohl weil sich die Geschichte anders entwickelt hat. Neun Monate nach dem Campbell-Memo startete SCO mit der Klage gegen IBM seinen umfassenden Angriff auf Linux. Microsoft hielt sich zurück - sieht man einmal ab von verbalen Attacken, beispielsweise Open Source sei ein krebsähnliches Geschwür, und der aktuellen Kampagne zum vermeintlichen Beweis, Linux sei teurer als Windows.

"Microsoft Rechtsstrategie zielt derzeit auf Konfiktbeilegung", erklärt Analyst Joe Wilcox von Jupiter Research. "Ich glaube, dass es aus PR-Gründen nicht die beste Taktik für Microsoft wäre, die Open-Source-Gemeinde zu verklagen." Dank SCO profitiere Microsoft von Unsicherheiten über die rechtliche Sicherheit von Linux und Open Source. Auch Hewlett-Packard hat sich der geänderten Situation angepasst und ist heute einer der wichtigsten Unterstützer von Linux. So war HP nach der SCO-Klage gegen IBM das erste Unternehmen, das seinen Linux-Kunden vollständigen Schutz gegen SCO-Ansprüche zusicherte. (ls)