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HP/Compaq: Erste Bilanz einer Ehe

03.09.2002
Ein Jahr nach der Ankündigung von Hewlett-Packard, Compaq zu übernehmen, ziehen Analysten eine überwiegend positive Bilanz. Jedoch blieb auch die "neue HP" nicht von der Konjunkturflaute verschont.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Ein Jahr nach der Ankündigung von Hewlett-Packard, den Konkurrenten Compaq zu übernehmen, ziehen Analysten und Beteiligte eine überwiegend positive Bilanz. Allerdings ist derzeit noch immer unklar, wie die Ankündigung von HP-Chefin Carly Fiorina interpretiert werden muss, der Zusammenschluss werde die ganze Branche verändern. Seit dem Ausspruch vom 3. September vergangenen Jahres ging es mit der IT-Branche noch einmal kräftig abwärts, der Konkurrenzdruck stieg dagegen weiter an. Auch die "neue HP" blieb davon nicht verschont.

Knapp vier Monate nach Vollzug der 18,7 Milliarden Dollar schweren Fusion warnen Analysten daher, sich von dem Zusammenschluss Wunder zu versprechen. So räumt Steven Milunovich von Merril Lynch zwar ein, dass das Unternehmen besser abschneiden werde als HP und Compaq alleine. Dies bedeute jedoch nicht, dass die neue HP ein Riesenerfolg werde, zitiert die "Financial Times Deutschland" den Staranalysten. Andy Neff von Bear Sterns fügt hinzu, es gebe bisher noch keine Anzeichen dafür, dass HP in den übernommenen Compaq-Geschäften die Wende herbeiführen könne. Unter dem Strich kann der Analyst bisher keine nennenswerte Wertschöpfung für die Aktionäre des Unternehmens erkennen.

Der sinkende Kurs der HP-Aktie und die verhaltenen Zahlen für das erste gemeinsame Quartal (Computerwoche online berichtete) überzeugten die Finanzexperten bisher nicht. So verbuchte der Konzern etwa im Unternehmenskundenbereich Enterprise Systems einen Verlust von 422 Millionen Dollar, die Einnahmen der Sparte sanken im Jahresvergleich um knapp eine Milliarde auf 3,75 Milliarden Dollar. Insgesamt lagen die Zahlen trotz des Nettodefizits von rund zwei Milliarden Dollar im Rahmen der Erwartungen. In der Sparte Drucker und Digitalkameras verbuchte HP sogar einen Zuwachs von zehn Prozent auf 4,7 Milliarden Dollar. Allerdings sei es noch zu früh, so Neff, ein Urteil über Fiorinas Fusionsstrategie abzugeben.

Kritische Beobachter tun sich allerdings schwer, der HP-Chefin abzunehmen, dass "die Prozesse nach Plan verlaufen". Da die Umbauarbeiten in Ländern außerhalb der USA noch nicht komplett abgeschlossen sind, konkurrieren Verkäufer beider Fusionspartner noch immer um Unternehmenskunden. Lediglich bei den größten Kunden standen die Vertriebsmannschaften bei der Fusion fest, erklärte der frühere Compaq-Finanzchef Jeff Clarke der "FTD". Als Resultat fühlen sich etwa in Deutschland, wo HP und Compaq erst ab Anfang November rechtlich verschmolzen werden, einige Schlüsselkunden vor den Kopf gestoßen, da sie von Vertriebsmitarbeitern beider Unternehmen umworben werden.

Aber nicht nur bei den Verkaufsteam ist die Stimmung gespannt. Bislang wurde nämlich noch nicht ausreichend kommuniziert, welche Aufgabe einzelne Mitarbeiter im Unternehmen inne haben werden, oder ob ihre Stelle gar dem Zusammenschluss zum Opfer fällt. HP plant, im Rahmen der Fusion 15.000 Arbeitsplätze weltweit abzubauen. Davon wurden bislang etwa 6500 Jobs gestrichen, die restlichen Entlassungen sollen bis nächsten Jahr erfolgen. Hierzulande laufen insbesondere die ehemaligen Compaq-Mitarbeiter Sturm. Deren Betriebsrat fordert feste Regeln für die geplanten Stellenstreichungen, dieses lehnt HP-Deutschland-Chef Heribert Schmitz aber offenbar strikt ab. (mb)