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HP-CIO spricht über die Flops einer ERP-Migration

21.09.2004

Die Meldungen gingen um den Globus wie ein Lauffeuer: Als Hewlett-Packard (HP) die Erwartungen für das dritte Quartal nicht erfüllte und insbesondere das Produktsegment Server und Massenspeicher ein katastrophales Ergebnis mit tief roten Zahlen ablieferte, feuerte Firmenchefin Carleton Fiorina drei Top-Manager.

Außerdem stand HPs oberster IT-Manager, CIO Gilles Bouchard, im Kreuzfeuer der hausinternen Kritik. Er und sein Team hätten - so die offiziellen Verlautbarungen - durch ein missglücktes Migrationsprojekt zur Integration eines Bestell- und Lieferkettensystems einen großen Anteil an dem schlechten Quartalsergebnis. Denn weil das ERP-System (Enterprise Resource Planning) nicht funktionierte, seien Lieferrückstände in erheblichem Umfang aufgelaufen. Bouchard hat die Pleite trotzdem überlebt. Gegenüber der US-amerikanischen Schwesterpublikation der Computerwoche.de, der Online-Ausgabe von Computerworld, äußerte sich Bouchard zu den Problemen.

HPs Top-IT-Verantwortlicher stimmte der von Fiorina deutlich gemachten Kritik zu, HP habe die ERP-Migration schlecht durchgeführt. Wenn Aufträge nicht bearbeitet werden könnten, wenn händisch in den Bestellvorgang eingegriffen werden müsste, und zudem Datenintegritätsprobleme aufträten, sei es gerechtfertigt, von Problemen bei der Migration zu sprechen. Zu bemerken sei aber auch, dass HP im Zuge der Umstrukturierung des Konzerns insgesamt 35 ERP-Projekte in der ganzen Welt durchgeführt habe. Das 35. und letzte war das Projekt in der Amerikaregion. Und nur hier gab es unvorhergesehene Probleme mit den bekannten Folgen.

Bouchard sagte, als er im Dezember 2003 bei HP die oberste IT-Verantwortung übernahm, habe er nicht nur die Geschäftsprozesse mit der IT auf der obersten Management-Ebene verquicken wollen. Sein Ziel sei gewesen, die gesamte IT von HP auch in den unteren Vollzugsebenen zu konsolidieren, und zwar in jeder geografischen Region und in jedem Land. Das grundsätzliche Problem sei dabei gewesen, dass etwa Lieferketten-Systeme, das Bestellwesen sowie die IT als Einheit in unterschiedlichen Geschäftsdivisionen lokalisiert waren. All diese IT-Einzelteile habe man in einer operativen Einheit zusammenführen müssen. Dies sei zum 1. Mai 2004 geschehen.

Die Frage, ob es denn ein einziges übergeordnetes Problem gegeben habe, das das Projekt der IT-Konsolidierung von HP so lange verzögerte, verneinte Bouchard. Es habe verschiedene Schwierigkeiten gegeben, die aber in der Summe zu erheblichen Verzögerungen geführt hätten. Zum einen habe die Konsolidierung der gesamten IT natürlich bedeutet, dass über das gesamte Unternehmen unterschiedliche Geschäftseinheiten koordiniert werden mussten. Hinzu kam, dass die in diesem Prozess zu erzielenden Ergebnisse einer Geschäftseinheit abhängig waren vom Vollzug in anderen. Über diese Grenzen innerhalb der Firma hinweg zu operieren, sei sehr schwer, das Projektmanagement sehr komplex gewesen.

Zum zweiten gab es, so Bouchard, auch eine Menge Datenintegritätsprobleme. Bestellungen zwischen dem Legacy-Frontend und dem SAP-System im Backend seien verloren gegangen, weswegen in vielen Fällen händisch Aufträge nachgetragen werden mussten. In der Folge kam es zu einem erheblichen Stau bei der Abarbeitung der Bestellungen. Es habe Wochen gedauert, diese Rückstände aufzuarbeiten. Diese missliche Situation habe noch am Ende des Geschäftsquartals bestanden und mit zu dem schlechten Ergebnis beigetragen.

Schließlich habe auch die Nachfrage nach HP-Produkten angezogen. Diese zwar für HP erfreuliche Tatsache habe aber das IT-System noch weiter unter Druck gesetzt.

HPs IT-Verantwortlicher betonte, dass die Probleme nicht durch die Benutzung von SAP entstanden seien. Zwar komme SAP-Software natürlich zum Einsatz, aber ursächlich für die Schwierigkeiten seien die Geschäftsprozesse gewesen, die um die ERP-Applikation gruppiert waren.

Da HP auch als Dienstleister für SAP-Implementierungen am Markt auftritt, bestand die Gefahr, dass die HP-internen IT-Probleme negative Auswirkungen auf das Image des Unternehmens als Serviceanbieter hatten. Bouchard sagte, zwar hätten sich viele Kunden nach den Implementierungsproblemen in seiner Firma erkundigt. Sie seien aber mehr an den 34 erfolgreichen Projekten interessiert gewesen und an den so genannten Lessons learned, also den Erfahrungen, die HP aus den Schwierigkeiten des 35. Migrationsprojekt zog.

Hier nannte Bouchard drei wesentliche Punkte: Wer solch ein riesiges IT-Projekt schultere, sollte unbedingt auf die Probleme achten, die sich bei der Koordinierung unterschiedlicher Geschäftsdivisionen zwangsläufig ergeben würden und ein Augenmerk auf die Reibungsverluste haben, die an den Nahtstellen unterschiedlicher Geschäftsbereiche auftreten. Zweitens sei ein gutes Management das A und O jedes erfolgreichen Projekts. Schließlich müsse man sich in einem Unternehmen darüber im Klaren sein, dass jedes nur vorstellbare Problem in der Wirklichkeit auch tatsächlich auftreten kann. Das Desaster sei potenziell immer möglich. Dagegen könne man sich nur insofern absichern, als man entsprechend großzügige Notfallpläne erarbeite, die möglichst viele Eventualitäten vorwegnehmen. (jm)