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HP-Chefin Fiorina steht vor Gericht unter Beschuss

26.04.2002
Nach drei Verhandlungstagen vor einem US-Gericht ist nicht klar, ob die Argumente von Walter Hewlett den Richter überzeugen konnten, das Votum zum HP-Compaq-Merger für ungültig zu erklären.

Nach drei Verhandlungstagen vor einem Gericht im US-Bundesstaat Delaware ist nicht klar, ob die Argumente des Fusionsgegners Walter Hewlett den vorsitzenden Richter William Chandler überzeugen konnten. Hewlett will die Abstimmung der Hewlett-Packard-Aktionäre zugunsten einer Fusion mit Compaq für ungültig erklären lassen. HP-Chefin Carleton Fiorina wehrte sich auch am dritten und letzten Verhandlungstag gegen den Vorwurf, sie habe den Anteilseignern wichtige Informationen vorenthalten und einen institutionellen Anleger gezwungen, für die Fusion von HP und Compaq zu stimmen.

Walter Hewletts Klagestrategie hat sich im Verlauf der Anhörung allerdings auf den Vorwurf konzentriert, Fiorina habe die Aktionäre bewusst über die tatsächlichen Zukunftschancen eines vereinten Unternehmens HP-Compaq getäuscht und mit geschönten Detailinformationen über mögliche Umsatz-, Gewinn- und Wachstumsmöglichkeiten in die Irre geführt.

Hintergrund dieser Anschuldigungen sind Aussagen, die Fiorina am ersten Tag der Gerichtsverhandlung machte. Unter Eid gab die HP-Chefin zu, dass es tatsächlich eine Prognose über zu erwartende Effekte der Fusion von HP und Compaq von Mitgliedern eines HP-

Carleton Fiorina und Michael Capellas
Carleton Fiorina und Michael Capellas

internen Integrations-Teams gebe. Diese würde von den offiziellen und öffentlich gemachten Darstellungen des HP-Managements erheblich abweichen. Die geheimgehaltenen Einschätzungen wurden nur Fiorina, ihrem Pendant bei Compaq, Michael Capellas, sowie den beiden Finanzchefs der Firmen offenbart. Weder dem HP-Aufsichtsrat, noch den HP-Aktionären wurden die Ergebnisse dieser Mitte Februar und Mitte März erarbeiteten Einschätzung der wirtschaftlichen Aussichten eines vereinten Unternehmens zugänglich gemacht. Diese Erhebung fiel dabei noch deutlich negativer aus als die zuvor veröffentlichte.

Fiorina hatte offiziell gesagt, der Gewinn pro Aktie des vereinten Unternehmens würde im Jahr 2003 um zwölf bis 13 Prozent zulegen. Das Integrationsteam hatte demgegenüber im Februar hochgerechnet, der Profit pro Anteilsschein werde überhaupt nicht wachsen. In der Einschätzung im März fünf Tage vor der Aktionärsabstimmung kamen die HP-Insider sogar zu dem Schluss, dass mit einem Gewinnrückgang pro Aktie von ungefähr zehn Prozent zu rechnen sei.

Fiorina hatte ferner gesagt, die addierten Umsätze der beiden Unternehmen würden wegen Produktbereinigungen der überlappenden Angebotspaletten zunächst um etwa 4,1 Milliarden Dollar sinken. Hier kam die interne Prüfung am 14. März zu dem Ergebnis, es müsse eher mit einem Umsatzrückgang von 7,76 Milliarden Dollar gerechnet werden. Der von der HP-Chefin mit 6,9 Milliarden Dollar angegebene zu erwartende operative Gewinn werde hingegen höchstens bei 5,2 Milliarden Dollar anzusiedeln sein.

Die Bruttomarge aus dem vereinten PC-Geschäft von HP und Compaq, von Fiorina öffentlich mit drei Prozent berechnet, wurde von den internen Prüfern auf ein Prozent kalkuliert. Im normalerweise lukrativen Enterprise-Geschäft sehen die HP-eigenen Gutachter für HP-Compaq lediglich Bruttomargenpotenziale von fünf, Fiorina hingegen stellte neun Prozent in Aussicht.

Vor Gericht sagte Fiorina jetzt, die Februar- und März-Prognosen der HP-Insider seien "fehlerhaft" und "unrealistisch". Kosteneinsparpotenziale hätten die Integrationsteams nicht berücksichtigt, die genannten Umsatzzahlen seien nicht nachvollziehbar. Das von Fiorina und Capellas öffentlich genannte Einsparpotenzial von 2,5 Milliarden Dollar sei sogar noch sehr konservativ. Man glaube, dass vier Milliarden Dollar einen realistischeren Wert darstellen.

Übte HP Druck auf die Deutsche Bank aus?

Am letzten Tag der Anhörung musste Fiorina erklären, wie eine Aussage von ihr gegenüber Vertretern der Deutschen Bank zu verstehen sei, wonach die Abstimmung über den Firmenzusammenschluss "von großer Bedeutung für unsere fortlaufende Geschäftsbeziehung" ist. Sie hatte fortgefahren mit der Bemerkung: "Wir würden diesbezüglich sehr gerne Ihre Unterstützung bekommen."

Walter Hewlett, Sohn von HP-Firmengründer William Hewlett und seit Monaten im Streit mit dem HP-Management über die Fusion mit Compaq, sieht diese Äußerung als Beleg für seine These, Fiorina habe auf die Investoren der Deutsche-Bank-Tochter Deutsche Asset Management Druck ausgeübt. Wenn diese nicht für den Firmenzusammenschluss stimmen würden, hätte dies negative Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen zwischen HP und dem Finanzinstitut, interpretiert Hewlett die Fiorina-Aussage.

Die HP-Obere hat dieser Deutung vehement widersprochen. Sie sagte bei der Anhörung, den Ausdruck "fortlaufende Geschäftsbeziehung" benutze sie ständig in Gesprächen mit Investment-Bankern. Ein Anwalt von HP mokierte sich vor Gericht: "Letztendlich reduziert sich also der Vorwurf der Bestechung auf eine Bemerkung, die am Ende einer Telefonkonferenz fiel."

Fiorina und der Finanzchef von HP, Robert Wayman, hatten am Tag der Aktionärsabstimmung am 19. März 2002 noch kurz vor dem entscheidenden Votum in einem 45-minütigen Telefonat mit Deutsche-Bank-Vertretern versucht, deren Entscheidung zu beeinflussen. Ursprünglich wollte die Deutsche Asset Management ihre 25 Millionen Aktien gegen die Fusion platzieren. Sie hatte dann aber mit 17 Millionen Anteilen dem Zusammenschluss zugestimmt.

Insgesamt hatten nach dem Bericht des mit der Auszählung der Aktionärsstimmen betrauten Unternehmens IVS Associates 838 Millionen Stimmen für die Fusion, 793 Millionen dagegen gestimmt - eine Differenz von 45 Millionen mithin. Schlägt man die 17 Millionen Aktien der Deutsche Asset Management dem Lager der Gegner zu, wäre auch in diesem Fall für den Zusammenschluss votiert worden - allerdings nur mit einer Mehrheit von elf Millionen Stimmen.

Mittlerweile ist bekannt, dass die Deutsche Bank HP zu einer Kreditlinie über vier Milliarden Dollar verholfen hat. Außerdem wurde das Finanzinstitut von dem Drucker- und Computerhersteller beauftragt, bei anderen Investoren Lobbyarbeit für die Fusion mit Compaq zu machen. Hierfür wurde die Deutsche Bank mit einer Million Dollar entlohnt. Sollte die Fusion abgesegnet werden, wird eine weitere Million Dollar an Erfolgsprämie für die Banker fällig.

Die Anwälte von Walter Hewlett sagten, es sei offensichtlich, dass die Deutsche Bank ihre Geschäfte mit HP gefährdet sah, wenn sie nicht für die Fusion stimmen würde. Sie lasen Richter Chandler das Transkript eines Telefonats vor, das der Chefinvestmentexperte der Deutsche Asset Management in New York, Dean Barr, unmittelbar nach dem Abschlussgespräch von Fiorina und Wayman mit Deutsche-Bank-Vertretern am Morgen des 19. März mit seinen Kollegen führte. Barr sagte seinen Untergebenen, die die Investmentkonten der Deutsche Asset Management führen und somit stimmberechtigt waren: "Vielleicht ist Ihnen ja bewusst, dass wir eine enorm wichtige Beziehung mit HP unterhalten." Barr fuhr fort, "natürlich ist es allein Ihre Entscheidung, wenn Sie Ihr Votum nicht ändern wollen. Ich will da auch keinesfalls Druck auf Sie ausüben. Ich möchte Sie aber darauf aufmerksam machen .... dass Sie eine sehr gute Begründung dafür haben sollten, wie Sie

abgestimmt haben. Hierbei handelt es sich um ein extrem sensibles Thema." Die Deutsche Bank bestritt jedes Fehlverhalten und sagte, sie habe im besten Interesse der HP-Aktionäre gehandelt, die sie vertritt.

Allerdings hat die US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) jetzt eine Untersuchung eingeleitet, um die Hintergründe des Gesprächs zwischen Fiorina, Wayman und Deutsche-Bank-Vertretern zu durchleuchten. Die SEC war bereits vor einigen Tagen erstmals auf den Plan getreten, um HPs Überzeugungsaktivitäten bei Investmentinstituten zu prüfen, mit denen das Abstimmungsverhalten der Fondsmanager beeinflusst werden sollte.

Richter Chandler hat beiden Parteien bis Freitag, den 26. April, Gelegenheit gegeben, weitere Eingaben an das Gericht zu machen. Anhörungen hingegen gibt es nicht mehr. Aus Gerichtskreisen hiess es, es sei mit einer "schnellen" Entscheidung zu rechnen. (jm)