Walter Hewlett will weiter gegen die Fusion kämpfen

HP-Chefin Fiorina ist kurz vor dem Ziel

26.04.2002
MÜNCHEN (CW) - Die Aktionäre von Hewlett-Packard (HP) haben die Fusion mit Compaq einer ersten Auszählung zufolge genehmigt. Nun muss das Management nur noch die Klagen des Fusionsgegners Walter Hewlett überstehen.

Nach dem vorläufigen Ergebnis des mit der Auszählung betrauten Unternehmens IVS Associates befürworteten 51,4 Prozent der Hewlett-Packard-Aktionäre die Fusion mit Compaq. Mit dem Votum von 838 gegen 793 Millionen Stimmen fällt der Vorsprung allerdings denkbar knapp aus. Sollte sich das Ergebnis bestätigen, behielten die Befürworter in der Abstimmung vom 19. März dieses Jahres mit 45 Millionen Stimmen oder 2,8 Prozent Vorsprung die Oberhand. Siegessicher meldete HP-Chefin Carleton Fiorina ihren Mitarbeitern: "Wir sind weiter zuversichtlich, dass wir unseren Terminplan für die Fusion einhalten und das neue Unternehmen Anfang Mai starten können."

Trotz ihrer Zuversicht steht hinter dem Merger noch immer ein Fragezeichen. Erst Anfang Mai, nach einer zweiwöchigen Einspruchs- und Revisionsfrist, wird das rechtskräftige Ergebnis der Abstimmung feststehen. Bis dahin werden die Gegner der größten Fusion in der IT-Geschichte wohl nicht aufgeben. So hat Walter Hewlett, Sohn des Firmengründers William Hewlett, bereits angekündigt, dass er eine Nachzählung verlangen werde: "Das Ergebnis ist extrem knapp." Experten gehen jedoch davon aus, dass sich an den Zahlen nichts mehr ändern wird.

Neben der Nachzählung bleibt ferner abzuwarten, wie das Bezirksgericht in Delaware über die Klage Hewletts wegen unrechtmäßiger Einflussnahme Fiorinas auf die Abstimmung entscheiden wird. Der Fusionsgegner wirft der HP-Chefin vor, auf die Großaktionäre Deutsche Asset Management, eine Tochter der Deutschen Bank, und die Northern Trust Corp. Druck ausgeübt zu haben, um deren Stimmen für den Merger zu gewinnen.

In einer Voice-Mail Fiorinas vom 17. März dieses Jahres an ihren obersten Finanzverantwortlichen Robert Wayman, die der kalifornischen Zeitung "San Jose Mercury News" zugespielt wurde, forderte sie wörtlich: "Wir müssen möglicherweise etwas Ungewöhnliches tun, um die beiden auf unsere Seite zu bekommen." Zwei Tage später stimmte die Deutsche Asset Management mit 17 ihrer 25 Millionen Stimmen für die Fusion, nachdem die Banker zuvor laut Hewlett noch gegen den Merger votieren wollten. Die HP-Verantwortlichen hätten die Deutsche Bank mit Zusagen über Kreditaufnahmen in Milliardenhöhe geködert, so der Vorwurf des Aufsichtsratsmitglieds.

Vertreter von HP und der Deutschen Bank wiesen die Vorwürfe zurück. Es habe keinen Stimmenkauf gegeben. Man habe lediglich über die Fusion und deren Auswirkungen gesprochen. Weder Fiorina noch er selbst würden sich jemals unvorschriftsmäßig in einer Geschäftsangelegenheit verhalten, beteuert Wayman. Allerdings räumte die HP-Seite offiziell ein, dass Fiorinas Voice-Mail authentisch sei. Die Interpretation, die HP-Verantwortlichen hätten das Geldinstitut unter Druck gesetzt, sei aber falsch. Außerdem seien die Befürworter auch ohne die 17 Millionen Stimmen der Bank in der Mehrheit.

Des Weiteren wirft Hewlett der HP-Spitze vor, Analysten und die Öffentlichkeit über die Folgen der Fusion bewusst getäuscht zu haben. So sei der Zeitplan für die Integration beider Firmen illusorisch. Auch die Zahlen für die Kosteneinsparungen sowie die Umsatzrückgänge würden nicht so ausfallen, wie dies die Investoren erwarteten. Als Folge dieser Fehlplanungen werde das Management statt der anvisierten 15000 mindestens 24000 Mitarbeiter entlassen müssen, so die Prognose Hewletts. Auf Seiten HPs weist man auch diese Vorwürfe zurück.

Das Bezirksgericht in Delaware hat die Anhörung in diesem Fall vom 23. bis 25. April angesetzt. Bis Redaktionsschluss lagen noch keine Ergebnisse vor. Insider schließen jedoch nicht aus, dass der Richter eine neue Abstimmung anordnet, sollten sich die Vorwürfe des Klägers bewahrheiten.

Neben der US-amerikanischen Justiz beschäftigt sich auch die Börsenaufsicht, die Security Exchange Commission (SEC), mit den Vorwürfen. Die Behörden forderten die HP- und Compaq-Verantwortlichen auf, Unterlagen über ihre Lobbyarbeit bereitszustellen.

Unmittelbare Folgen hat das Verfahren bereits für einen HP-Angestellten, der interne Memos an die Presse weitergegeben hatte. Er muss sich einen neuen Job suchen. Fiorina begründete die Entlassung in einer E-Mail an alle HP-Mitarbeiter damit, dass der Betreffende durch den Vertrauensbruch dem Unternehmen erheblichen Schaden zugefügt habe. Währenddessen geht auch die Untersuchung weiter, auf welchem Weg Fiorinas Voice-Mail an die Öffentlichkeit gelangte. "Ich werde alle finden, die dafür verantwortlich sind", drohte die HP-Chefin.

Fiorina selbst will sich für eine geglückte Fusion fürstlich belohnen. Nach einem Bericht des "Wall Street Journal", das sich auf ein Dokument an die Börsenaufsicht beruft, sollen Fiorina und Compaq-Chef Michael Capellas, der künftige President des gemeinsamen Unternehmens, in den nächsten beiden Jahren 115 Millionen Dollar an Sonderleistungen erhalten. (ba)