Der drahtlosen Technik fehlen noch die Business-Modelle

Hotspots eröffnen mobilen Internet-Zugang

09.08.2002
Europaweit sprießen sie wie Pilze aus dem Boden: Wireless LANs (WLANs), die als Hotspots den mobilen Zugang ins Internet eröffnen. Während die drahtlose Technik ausgereift ist, fehlen noch Geschäftsmodelle, um von den Pilotprojekten aus zu größeren Aktivitäten mit Gewinnchancen zu kommen.

"Anarchie ist machbar, Herr Nachbar": Dieser schon etwas angestaubte Spontispruch erlebt dank moderner Technik seinen zweiten Frühling, allerdings nicht auf dem politischen Parkett. Landauf, landab versuchen sich Bürger und Unternehmen mit Hilfe der Wireless LANs aus dem Würgegriff der großen Carrier und Mobilfunkanbieter zu befreien: die einen, indem sie in Form von Hotspots den Internet-Zugang für sich und ihre Nachbarn kostengünstig organisieren, die anderen, indem sie durch Funknetze zum Beispiel auf Messen und in Hotels den Mobilfunk-Carriern die potenziellen Datenfunkkunden streitig machen.

Hotspots als DSL-Ersatz

In den Speckgürteln der großen Metropolen wie etwa um München scheint den Bürgern langsam der Geduldsfaden zu reißen. Weil den großen TK-Unternehmen die Versorgung dieser kleineren Gemeinden mit breitbandigen Internet-Zugängen auf DSL-Basis zu teuer ist (erst kürzlich kündigte die Telekom den DSL-Ausbaustopp in der Fläche an), greifen die so Verschmähten zur Eigeninitiative. Sie errichten in ihren Gemeinden Hotspots, um sich einen Internet-Zugang zu teilen. Die Kosten hierfür halten sich, was die WLAN-Seite betrifft, in Grenzen. Zwischen 500 und 600 Euro kostet das erforderliche Equipment, wie einer der privaten Hotspot-Betreiber vorrechnet. Benötigt werden ein Access Point, eine leistungsfähige Antenne sowie Blitzschutz-Maßnahmen. Unter günstigen geografischen Bedingungen deckt so ein Hotspot einen Radius von etwa einem Kilometer ab, wobei allerdings die Empfänger in den Randzonen nicht mehr in den Genuss der vollen Geschwindigkeit von 10 Mbit/s kommen. Sie müssen mit bescheideneren 1 bis 2 Mbit/s Vorlieb nehmen.

Einen Haken hat die Idee des gemeinsam organisierten Internet-Zugangs via Funknetz jedoch. Die Betreiber benötigen noch eine Verbindung zu den Backbones des Internets. Eine hierzu erforderliche Standleitung mit beispielsweise 2 Mbit/s kostet monatlich zwischen knapp 1000 und 1500 Euro zuzüglich dem übertragenen Datenvolumen. Finden sich jedoch genügend Bürger zusammen, so rechnet sich die Sache schnell, denn das von der Telekom als DSL-Alternative angebotene Sky-DSL via Satellit ist kein Pauschalangebot.

Die Hotspots mit den ausgereiften, aus dem LAN-Geschäft stammenden Komponenten üben aber nicht nur auf die privaten Betreiber ihren Reiz aus. Gerade die im Vergleich zu UMTS deutlich geringeren Investitionskosten locken auch kommerzielle Betreiber, zumal Marktforscher das Umsatzpotenzial mit europäischen Hotspots bereits kurzfristig auf zwei bis zehn Milliarden Euro schätzen. So betreibt etwa eine Tochter des schwedischen TK-Unternehmens Telia bereits 400 Hotspots. British Telecom setzt in Großbritannien ebenfalls auf diese Form der drahtlosen Vernetzung und konzipiert ihr im Juni gestartetes Netz bis 2005 mit 4000 Hotspots. In Österreich will das Unternehmen Metronet bis Jahresende 200 Hotspots in Ballungsgebieten wie Wien, Graz, Linz oder Salzburg errichten.

Verglichen mit diesen Zahlen, befindet sich die deutsche Hotspot-Szene, Branchenkenner gehen von etwa 100 professionellen Funkinseln aus, gerade in der Startup-Phase und ist über Pilotprojekte noch nicht weit hinausgekommen. Eines der bekannteren Versuchsnetze ist das "Airlan" in den Abflugsbereichen des Münchner Flughafens, das von der IT-Abteilung der Flughafen München GmbH (FMG) betrieben wird. Das Projekt, das sich in der Pilotphase durch die Partner FMG, Cisco und den Internet-Service-Provider Spacenet finanziert, erfreut sich laut Johann Götz von der FMG steigender Beliebtheit: "Im ersten Monat zählten wir 20 unterschiedliche User, mittlerweile nutzen etwa 750 verschiedene Gäste das Netz."

Experimentierfreudig

Allerdings könnten die Flughäfen, neben München experimentiert fast jeder größere Airport mit Hotspots, bald Konkurrenz durch die Airlines bekommen. So überprüft die Lufthansa, ob sie in ihren Lounges für die Kunden ebenfalls Hotspots einrichtet. Allerdings, so schränkt Katrin Hassenstein, Pressesprecherin Produkt und Service bei der Lufthansa, ein, "ist noch keine Entscheidung gefallen. Die Technik ist für uns aber sehr interessant." Während die Lufthansa sich noch in der Entscheidungsphase befindet, betreibt die schweizerische Swiss bereits erste Hotspots.

Der Hauptvorteil der Hotspots, mit relativ wenig Aufwand an stark frequentierten Orten einen mobilen Internet-Zugang offerieren zu können, ist auch für Messegesellschaften interessant. Eine Pilotinstallation plant etwa die Messe München auf dem Messegelände in Riem. Dort will die Messegesellschaft, so Sprecherin Ellen Richter-Maierhofer, im vierten Quartal dieses Jahres das an die Messehallen angeschlossene International Congress Center München (ICM) mit WLAN-Zugängen ausrüsten. Weiter als die Bayern ist die Deutsche Messe AG in Hannover. Nach dem erfolgreichen Versuch mit Mobilcom Systems auf der CeBIT 2002 möchte die Messegesellschaft zur nächsten CeBIT auf dem gesamten Ausstellungsgelände entsprechende Hotspots in den Regelbetrieb überführen.

Wem tagsüber im Messetrubel die nötige Ruhe fehlt, der kann künftig dank Wireless LAN auch in seinem Hotelzimmer problemlos weiterarbeiten. Hotelketten wie etwa die Steigenberger Hotel AG oder die zur Accor-Gruppe gehörenden Novotels betreiben erste Tests und liebäugeln mit einer flächendeckenden Einführung in ihren Herbergen. Dabei profitieren die Hotels wie etwa das Novotel in Offenbach in zweifacher Weise von der Funklösung: Neben dem zusätzlichen Dienst für den Gast, der nicht mehr mit Schweizer Taschenmesser und Lüsterklemmen bewaffnet nach der Telefondose für das Modem suchen muss, vereinfacht das Funknetz die interne Logistik der Hotels. Mit mobilen Rechnern, etwa PDAs, ausgestattet, können die Hotelangestellten beispielsweise den Verzehr aus der Minibar direkt erfassen und an das Abrechnungssystem übertragen.

Selbst beim Griff zur kühlen Maß Bier in einem Biergarten braucht der Geschäftsreisende in München kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, dass ihm womöglich wichtige elektronische Post entgeht. Bis Oktober können die Besucher des Englischen Gartens im "Seehaus" oder am "Chinesischen Turm" via Wireless LAN online gehen. Der zeitlich begrenzte Versuch läuft unter dem Namen "E-Garten.net" und ist eine Initiative des Förderkreises Informations- und Medien-Wirtschaft München e.V. (FIWM).

Neben obigen Beispielen, so berichten Branchenkenner, sind zudem auch Kliniken von der Hotspot-Idee angetan. Während in den meisten Krankenhäusern unter Hinweis auf die elektromagnetische Abstrahlung absolutes Handy-Verbot herrscht, scheinen die Mediziner den Wireless LANs mit ihrer geringen Sendeleistung im Milliwatt-Bereich offen gegenüberzustehen. Zumal die Einrichtungen mit den Hotspots zwei Projekte auf einen Streich verwirklichen könnten: die mobile Krankenakte für das medizinische Personal und einen neuen Dienst für die Patienten. So werden Pläne diskutiert, den Kranken Tablet-PCs zur Verfügung zu stellen. Über diese könnten die Patienten dann im Internet surfen oder sich einen Film per Video on Demand anschauen. Der übliche Streit um das Fernsehprogramm im Mehrbettzimmer wäre damit Vergangenheit, und die Kliniken hätten eine zusätzliche Einnahmequelle gewonnen.

Suche nach Abrechnungsmodellen

Aber gerade die Frage nach den Mehreinnahmen verunsichert die ansonsten eher euphorisch gestimmten Betreiber. Während man etwa bei der Steigenberger AG im Frankfurter Hotel die Ansicht vertritt, dass sich die Gäste die Gebühren für den Hotspot-Zugang "über den Zimmerpreis erschlafen", verfolgt Novotel einen anderen Ansatz. Laut Pressesprecherin Susanne Wacker zahlen die Gäste beim Offenbacher Pilotprojekt eine Tagespauschale von zwölf Euro für den mobilen Netzzugang im Hotel. Die Abrechnung erfolgt direkt über das hausinterne Abrechnungssystem.

Einen zweigleisigen Ansatz fährt man dagegen beim E-Garten.net in München. Während der Zugriff auf die Portalseite mit Informationen zum Projekt und Stadtgeschehen kostenlos ist, heißt es vor dem Surfen im globalen Netz erst einmal Rubbeln. Für zwei Euro die Stunde kann der Gast eine "E-Karte" erwerben, auf der er den Zugangscode freireibt. Erscheinen zwei Euro für eine Stunde drahtlosen Internet-Zugang auf den ersten Blick teuer, relativiert sich dieser Betrag bei genauerer Rechnung. So zahlt nämlich der mobile Nutzer im GPRS-Profi-Tarif von T-Mobile, nachdem er die monatliche Freimenge von einem Megabyte verbraucht hat, bereits 60 Cent für den Abruf der durchschnittlich 170 KB großen Startseite von COMPUTERWOCHE online. Michael Zimmermann, Projektleiter E-Garten für den Förderkreis FIWM, versteht das gewählte Abrechnungsmodell jedoch "nicht als Geschäftsmodell, denn wir wollen primär die Akzeptanz testen".

Das Tarifmodell mit Vouchern könnte auch für die Deutsche Messe AG in Hannover eine Option sein. Eine endgültige Entscheidung über das künftige Abrechungskonzept für die 2003 in den Regelbetrieb gehenden Hotspots ist nach den Worten von Inga Buß, Pressestelle Deutsche Messe, aber noch nicht gefallen. Wie das Business-Modell aussehe, hänge auch von dem künftigen Kooperationspartner ab. Der Münchner Flughafen will die Hotspot-User künftig wohl ebenfalls zur Kasse bitten. Laut FMG-Mann Götz führt die Betreibergesellschaft derzeit Verhandlungen mit diversen Providern und diskutiert dabei verschiedene Business-Modelle.

Glaubt man Jürgen Bleser, CEO der auf Abrechnungssysteme spezialisierten Bluesign Software GmbH in Eschborn, ist der Ansatz mit im Voraus zu bezahlenden Vouchern nur ein erster Schritt. "Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Geschäftsreisende mit einem Stapel Vouchern im Gepäck reist, um sich in die unterschiedlichen Hotspots einzuloggen", erklärt Bleser. Während eine Abrechnung in den Hotels, in denen man die Kundendaten des Reisenden ja kennt, ähnlich wie beim Pay-TV über die Zimmerrechnung erfolgen kann, ist es an Flughäfen oder auf Messen schwieriger.

Ein weiteres Business-Modell wäre die Authentifizierung über die Kundenkarten verschiedener Bonusprogramme wie Payback oder Miles & More. Darüber hinaus kann sich Bleser auch eine Partnerschaft zwischen den jeweiligen Hotspot-Betreibern und den Mobilfunkanbietern vorstellen, die sich die Gebühren teilen würden. Über seine persönliche Mobilfunkkennung könnte sich der Benutzer dann an jedem Hotspot identifizieren. Die angefallenen Gebühren würden ihm auf seiner Mobilfunkrechnung belastet. Das Verfahren hätte für Bleser zudem einen weiteren Vorteil: Die Controlling-Abteilungen der Unternehmen hätten die Kommunikationskosten der mobilen Mitarbeiter auf einer Rechnung und somit weniger Verwaltungsaufwand.

Ein Ansatz, den Roman Polz, Marketing Director Emea (Europa, Mittlerer Osten und Asien) bei Agere Systems, ebenfalls favorisiert. Das Unternehmen, das zu den drei großen Herstellern von WLAN-Karten zählt, entwickelt bereits eine Kombikarte für GPRS und WLAN. Die Authentifizierung des Benutzers erfolgt dabei über eine "Softsim". Diese emuliert im Notebook oder PDA die Funktionen der im Handy üblichen SIM-Karte.

IT-Branche sieht Carrier gefordert

Auch IBM, die sich gerade als Lösungsanbieter für das "Mobile E-Business" zu positionieren versucht, sieht die Carrier gefordert. So ist Martin Mahler, bei IBM für Wireless E-Business Services zuständig, überzeugt, dass Corporate-Kunden ein Komplettangebot aus Mobilfunk und Hotspots aus einer Hand wollen.

Die Branche scheint jedoch ihre Prognosen ohne die betroffenen Mobilfunkbetreiber getroffen zu haben. Diese mauern in Sachen Hotspots nämlich hierzulande erstmal. Während T-Mobile indirekt über die Tochter Voicestream in den USA bereits 650 Hotspots betreibt, hat der Carrier hierzulande noch keine konkreten Projekte im Auge. Und wenn sich T-Mobile in Sachen Hotspots engagiere, so heißt es in der Bonner Zentrale des Mobilfunkers, würden zuerst eigene Projekte realisiert.

Mobilfunkkonkurrent O2 in München, vormals Viag Interkom, wartet ebenfalls ab. "Wir sind Mobilfunker", bekräftigt Pressesprecher Roland Kuntze, "unsere primäre Aufgabe ist der UMTS-Aufbau." Mit zeitlichem Abstand könnten als Zusatzangebot dann WLAN-basierende Hotspots folgen. Als Konkurrenz sieht Kuntze die WLANs nicht, "denn mit ihnen ist der Anwender nicht komplett mobil, sondern nur in eng begrenzten Bereichen, vom Störungspotenzial in einem nicht regulierten Frequenzbereich einmal ganz zu schweigen". Zudem, so der O2-Mitarbeiter weiter, würden die Mobilfunker mit Multimedia Messaging Service (MMS) oder Location-based Services Dienstleistungen offerieren, die so mit Hotspots nicht zu erbringen seien.

Hotspots als UMTS-Konkurrenz?

Eine Haltung, die sich für die Mobilfunker bitter rächen könnte. Wenn nämlich diese nicht das Roaming zwischen den einzelnen Hotspots organisieren und die Abrechnung übernehmen, kann sich laut Billing-Spezialist Bleser womöglich eine neue Form der Netzbetreiber etablieren: die Virtual Wireless Internet Service Provider (V-WISP). Da es nicht zu den Kernkompetenzen von Hotspot-Betreibern wie Flughäfen, Messen und anderen gehört, Hunderte von Roaming-Verträgen mit anderen Betreibern zu verhandeln, seien die V-WISP als eine Art Makler erforderlich, um dem Anwender ein möglichst einheitliches Einlog- und Abrechnungsverfahren zu offerieren. Ohne dieses, darin sind sich die meisten Experten einig, werden die Hotspots nur ein Nischendasein führen.

Ist diese Bedingung erfüllt, so halten es viele Branchenkenner für mehr als fragwürdig, ob die Mobilfunker mit ihrer Einschätzung, dass Hotspots nur eine ergänzende Technik zu UMTS seien, Recht behalten. Zwar betonen selbst einige Hotspot-Betreiber, die WLANs hätten nur eine komplementäre Funktion und seien keine Konkurrenz für UMTS, doch dies sind meist politische Lippenbekenntnisse, um die Telekom nicht zu verärgern. Die ist nämlich als Breitbandlieferant im Backbone bei vielen Pilotprojekten mit im Boot.

Hinter vorgehaltener Hand wagt denn auch mancher Manager das bis vor kurzem Undenkbare auszusprechen: UMTS könnte sich als Milliardenflop entpuppen, wenn stark frequentierte Orte wie Messen, Bahnhöfe, Flughäfen, Innenstädte oder Autobahnraststätten mit Hotspots versorgt sind.

Jürgen Hill