Honorare der Dienstleister fallen

22.11.2001
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die IT-Beratungsbranche hat sich verkalkuliert. Bis vor wenigen Monaten wurden Consultants und Projektmitarbeiter en gros eingestellt, nun gibt es für viele nichts zu tun. Infolge der schleppenden Nachfrage geben die Preise für Beraterhonorare nach.

Die Stundensätze im IT-Beratungs- und Projektgeschäft fallen. Offiziell gelten zwar immer noch die alten Listenpreise, doch beim „Streetpricing“, also den tatsächlich zu berechnenden Stunden- beziehungsweise Tagessätzen, besteht derzeit für Anwender Verhandlungsspielraum.

Die Meta Group veröffentlichte im August anhand der Angaben verschiedener IT-Beratungshäuser und Systemhersteller die damals aktuellen Preise für Berater im Plan-Build-Bereich (siehe Tabelle). „Das sind und waren nur die offiziellen Angaben, in der Praxis haben die Anbieter schon immer Nachlässe von zehn bis 15 Prozent eingeräumt. Mittlerweile gehen die IT-Häuser sogar bis zu 30 Prozent runter“, berichtet Andreas Burau, Director Consultant, IT-Service & Market Research.

Die Kleinen trifft es härter

Seine Beobachtung von fallenden Stundensätzen beruht auf Gesprächen mit Anwendern und wird, abgesehen von der Dimension des Preisdumpings, von Dienstleistern wie Cap Gemini Ernst & Young und Accenture bestätigt: „Besonders im Consulting-Umfeld werden vermehrt Angebote zu Stundensätzen abgegeben, die man noch vor einem Jahr nicht für möglich gehalten hätte“, beobachtet auch Dieter Pfaff, Vorsitzender der Geschäftsführung der RAG Informatik GmbH, Gelsenkirchen. Das habe sich zwar noch nicht auf die eigenen Umsatzzahlen niedergeschlagen, doch in Wettbewerbssituationen musste die RAG bereits entsprechende Erfahrungen machen.

Unterschiedliche Auffassungen gibt es allerdings in der Frage, wer an der Preisschraube dreht. „Die kleinen Anbieter mit 20 bis 50 Mitarbeitern sind im Zugzwang, Projekte zu gewinnen“, erläutert etwa Jean-Christian Jung, Analyst bei Pierre Audoin Conseil (PAC), München. Seiner Einschätzung nach sind insbesondere Bodyshopping-Firmen betroffen, die als Subunternehmen an Projekten beteiligt werden. Sie vermitteln in der Regel zeit- und aufwandsabhängig entlohnte Arbeitskräfte. „Hier gehen die Firmen mit den Preisen nach unten, um Aufträge zu bekommen“, so Jung.

Die Großen der Branche bauen derweil auf ihre Reputation und feste Kundenbindungen, in der Hoffnung, weiterhin die üblichen Stundensätze in Rechnung stellen zu können. „Es ist Preisdruck da“, bestätigt auch Ulf Henning, Marketing-Leiter von Accenture, „wenn man dem jedoch nachgibt, macht man einen enormen Fehler.“ Das Verhältnis zwischen Anbieter und Kunden, so seine Auffassung, ist eine partnerschaftliche Beziehung. In einer derart gefestigten Verbindung sei man nach wie vor bereit, für Qualität einen entsprechenden Preis zu zahlen.
Ähnlich argumentiert auch RAG-Informatik-Chef Pfaff: „Wenn man eine gute Kundenbindung hat, honoriert der Kunde die Qualität und akzeptiert auch die üblichen Stundensätze.“



Partnerschaft hin oder her: Wenn die IT-Ausgaben bei den Anwendern gekürzt werden, steigt das Interesse an preiswerten Leistungen externer Dienstleister. Ein überlegenswerter und praktizierter Weg, um die Kosten zu senken, sieht etwa vor, außerhäusige IT-Fachkräfte nur noch als Trainer und Wissensvermittler für die eigenen Mitarbeiter zu beschäftigen, und mit den so erworbenen Kenntnissen die Projekte in Eigenregie zu betreiben.
In einem konkreten Fall musste ein IT-Beratungshaus etwa 90 Prozent Umsatzeinbußen im Rahmen eines Projektes hinnehmen, das ein Gesamtvolumen von drei Millionen Mark aufwies, weil der Kunde nur noch Trainer anforderte, statt das Vorhaben nach außen zu vergeben.

Straßenpreise nicht ausschließen

Vor solche Alternativen gestellt, so vermutet Burau, sind auch gestandene Beratungsanbieter zu Nachlässen bereit: „Sicher gibt es diese enge Beziehung zwischen den Anwendern und ihren Dienstleistern, doch zu einer Partnerschaft gehört, dass man in schwierigen Zeiten zusammensteht und über die Probleme redet. Das bedeutet aber auch, über Straßenpreise zu diskutieren“, erläutert der Meta-Group-Manager. Allerdings ist es kaum verwunderlich, dass niemand offiziell zu den Sonderkonditionen steht, denn wer einmal Preisnachlässe einräumt und publik macht, wird sich schwer tun, wieder zu höheren Honorarsätzen zurückzukehren.

Die Situation ist zum Teil hausgemacht, denn noch vor weniger als einem Jahr haben Beratungsfirmen im großen Stil eingestellt. „Nun kommen die mageren Jahre“, befürchtet ein IT-Consultant eines großes Hauses, der nicht genannt werden möchte. Jahrelang, so sein Vorwurf, habe die Branche, berauscht von hohen Wachstumsquoten, zu viele neue Mitarbeiter engagiert.
Accenture-Manager Henning relativiert: „Wir haben die Leute damals gebraucht, und zwar dringend. Niemand, weder wir noch unsere Kunden, konnte vorhersehen, was sich im Sommer und im September ereignet hat. Die Einstellungen waren kein Fehler, es gab nur eine unglückliche Entwicklung.“

Möglichst keine Mitarbeiter entlassen

Die in der Branche angekündigten Entlassungen beschränken sich international bisher überwiegend auf den unteren einstelligen Prozentbereich. Viele Beratungshäuser wollen die einst teuer angeworbenen Mitarbeiter (die Einstellungskosten liegen angeblich pro Person zwischen 80.000 und 100.000 Mark) nicht hinauswerfen, weil sie Kapazitätsengpässe fürchten, wenn die Nachfrage wieder anzieht.

Dem Markt eine Krise nachzusagen wäre bis dato auch falsch, die Anbieter werden nur nicht ihre sehr optimistischen Ziele erreichen. Sie hatten auf eine ähnlich stürmische Entwicklung im IT-Beratungs- und Projektgeschäft gehofft wie in den vergangenen Jahren, als die Zuwachsraten zwischen 15 und 25 Prozent lagen. Nun wird sich der IT-Dienstleistungsmarkt allerdings mit knapp zehn Prozent bescheiden müssen.