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Holzer geht - Rembold will Unternehmen auf Vordermann bringen

25.07.2000
Fusion von Rembold + Holzer und BIW keine Erfolgsstory

Von CW-Redakteur Heinrich Vaske

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die angeschlagene Brain International AG, ERP-Anbieter aus Breisach am Rhein, will mit radikalen Sanierungsmaßnahmen auf den Erfolgspfad zurückkehren. Wichtigster Schritt ist eine Zweiteilung des Unternehmens, die im wesentlichen die Strukturen vor der Fusion wieder herstellt.

"Vieles ist nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben", blickt Kurt Rembold auf die beiden vergangenen Jahre zurück. Am 20. August 1998 hatte er gemeinsam mit seinem Kompagnon Thomas Holzer die Fusion von Rembold + Holzer mit der Weinstätter BIW AG abgeschlossen - und dabei offenbar Dimension und Folgen falsch eingeschätzt.

Seit Oktober vergangenen Jahres befindet sich Brain nun schon in einem Restrukturierungsprozess, der von einer Management-Beratung begleitet wird. In dieser Zeit ist eine Menge vorgefallen: BIW-Gründer Helmut Polzer verließ das Unternehmen - von "gegenseitigem Einvernehmen" spricht niemand. Entwicklungschef Peter Faßbinder scheidet ebenfalls aus, allerdings in freundschaftlicher Verbundenheit. Ein Nachfolger ist bereits gefunden. Bis er am 1. Oktober 2000 sein Amt antritt will Kurt Rembold, inzwischen zum alleinigen Vorstandssprecher aufgestiegen, sein Amt kommissarisch mit übernehmen.

Zum 31. Juli 2000 geht auch Mitgründer Thomas Holzer, der für Finanzen und Controlling sowie Investor Relations verantwortlich zeichnete. Rembold steht dann allein an der Spitze eines auf vier Personen geschrumpften Vorstandes, dem außerdem Peter Gagg (Marketing), Eckhard Rein (Finanzen) sowie der noch nicht namentlich genannte Leiter der Software-Entwicklung angehören. Zwar betont Rembold, er sei Holzer noch immer in Freundschaft verbunden, andererseits macht er aber deutlich, dass dem Bereich Öffentlichkeitsarbeit nach dem Gang an den Neuen Markt zu wenig Bedeutung beigemessen worden sei. Jetzt will Rembold die Unternehmenskommunikation selbst in die Hand nehmen.

Die Schwarzwälder haben jedoch mehr als nur ein PR-Problem. Die angestrebte Zusammenführung der PPS-Produktlinien von Rembold + Holzer und BIW erwies sich nicht nur als zu aufwendig und teuer, sondern auch deswegen als wenig sinnvoll, weil Kunden darin keine Vorteile erkennen konnten. "Bei einer Fusion würden wir beide Kundengruppen bestrafen", meint Rembold heute mit Bezug auf eine Anwenderbefragung.

Folge dieser Erkenntnis ist eine Zweiteilung des Unternehmens, die sich an den angestammten Produktlinien von Rembold + Holzer und BIW entlang zieht - also die Fusion quasi wieder rückgängig macht. Die so entstehende Brain Automotive Solutions GmbH mit Sitz in Breisach basiert auf dem ehemaligen "XPPS"-Geschäft und zielt auf die Automobilindustrie. Als klassisches PPS-Paket für verschiedene Branchen soll "Brain/AS" von der neu gegründeten Brain Industries Solution GmbH mit Sitz am alten BIW-Standort Weinstadt vermarktet werden. Für Brain bedeutet dies eine einschneidende Veränderung: Die bisher weitgehend autonomen Niederlassungen an fünf deutschen Standorten werden einer einzigen Führung untergeordnet.

Gleichzeitig will das Unternehmen die "Fertigungstiefe" stark reduzieren, also in weniger strategischen Geschäftsbereichen die Produkte ausgewählter Partner weiterverkaufen und so die eigenen Entwicklungsausgaben senken. So vermarktet Brain künftig die Finanzsoftware der Portolan Commerce Solutions GmbH, Ilsfeld. Brain versichert jedoch - wie in solchen Fällen üblich - Kunden der bisher vermarkteten Finanzapplikationen hätten um die Zukunft ihrer Produkte nicht zu fürchten.

Als OEM-Partner besser positionierter Unternehmen will Brain auch in anderen Märkten, darunter CAD, Customer-Relationship-Management, Produktdaten-Management und Executive Information Systems, auftreten. "In der jetzigen Struktur können wir kein Geld verdienen", begründet Rembold die Hinwendung zu Partnern. Der Posten für Software-Entwicklung sei mit rund 20 Prozent der gesamten Kostenstruktur viel zu hoch.

Ein Joint Venture strebt Brain daher auch im zukunftsträchtigen E-Business an: Bis Ende September soll der Vertrag mit einem namhaften Unternehmen unter Dach und Fach sein, in dem es um Shopping-, E-Procurement-, Marktplatz- und Portallösungen geht. Brain selbst wird sich auf die Optimierung der "Anschlussstellen" in seinen Produkten beschränken und die Entwicklung dem Partner überlassen.

Auch die Entwicklungs-Tools sollen künftig nicht mehr im Alleingang, sondern gemeinsam mit der PKS GmbH, Weingarten, erstellt werden. PKS wird auch die Werkzeuge von Brain vermarkten. "In vier bis sechs Wochen sind alle Joint Ventures und Beteiligungen unter Dach und Fach", zeigt sich Rembold zuversichtlich.

Die Schwarzwälder selbst wollen sich dann ganz auf die "globalen und branchensegmentierten Wertschöpfungsketten" konzentrieren – also zum einen auf die Supply-Chain-Management- und ERP-Produkte für die Automobilindustrie einschließlich diverser Produkte für die E-Business-Integration. Aus dem BIW-Erbe bleibt andererseits die PPS-Lösung "Brain/AS", die zusammen mit einigen anderen Produkten vorrangig den Maschinenbau, die Elektronikindustrie, Hersteller von Bauelementen und den Textilsektor ansprechen soll.

Die Hausaufgaben sind gemacht, dennoch ist Rembold noch nicht so sicher, ob sich die Bemühungen auch auszahlen werden. Auf die Aussagen von Analysten, die in der zweiten Jahreshälfte eine starke Wiederbelebung des ERP-Geschäfts erwarten, mag sich der neue Vorstandssprecher nicht so recht verlassen: "Ich sehe keine explosionsartige Entwicklung. Wachstumsraten von 30, 40 oder gar 50 Prozent werden so schnell nicht mehr erreicht." Daher gelte es, das Unternehmen so aufzustellen, dass auch die mageren Jahre solide überstanden werden könnten.

Das war zuletzt nicht mehr geglückt: Brain setzte im ersten Halbjahr 2000 mit 113,3 Millionen Mark kaum mehr um als in der vergleichbaren Vorjahresperiode (111,3 Millionen) und blieb weit hinter den erhofften 146 Millionen Mark zurück. Als Ergebnis vor Steuern weist Brain ein Minus von 29,9 Millionen Mark auf.

In der Folge mussten die Planzahlen für 2000 revidiert werden: Statt 350 Millionen Mark Umsatz werden nun 280 Millionen erwartet, statt eines Gewinns von sechs Millionen Mark ein Defizit von 24 Millionen. Vor allem im Dienstleistungsgeschäft, das um 28,8 Prozent hinter den Planzahlen her hinkt, ist mit harten Einschnitten, eventuell auch mit Personalabbau zu rechnen. O-Ton Rembold: "Wir werden die Ressourcen an die Markterfordernisse anpassen."