Barcode-Leser beinhalten kompliziertes Innenleben:

Holographie in der Supermarktkasse

27.08.1982

Balkencode- beziehungsweise Barcode-Leser für die Kassen von Supermärkten bestehen in ihrer einfachsten Form aus einem kleinen Lesestift, der noch ziemlich aufwendig über das Barcode-Etikett geführt werden muß. Komfortablere Scanner (Abtaster) verlangen nur, daß die Ware mit dem Etikett nach unten über ein Lesefenster geschoben wird. Wie aber funktionieren die modernen Scanner-Kassentische, bei denen es genügt, das Balkenetikett nur noch ganz grob auf das Lesefenster hin zu orientieren.

Diese Scanner-Tische lesen Etiketten am Boden, an der Front und sogar an den Seiten der Ware, obgleich Balkenaufdrucke durchaus nicht immer von maximaler Druckqualität sind. Das Prinzip sei im folgenden am Beispiel des IBM-Scanners 3687 dargestellt, über den ausführlich im IBM-Journal of Research and Development (Vol. 26, Nr. 2) berichtet wird.

Beim Abtasten eines frontal auf der Ware klebenden Balkenetiketts muß eine Strahlentiefenschärfe erreicht werden, die 150 Millimeter und mehr über das Lesefenster in die Höhe reicht (während beim Lesen von Etiketten auf dem Boden der Ware kaum Tiefenschärfeprobleme auftreten). Tiefenschärfe heißt dabei konkret, daß der Laserlichtfleck, der die Balken und Zwischenräume erhellt, im Durchmesser 0,25 Millimeter nicht überschreiten darf.

Minimiertes Licht

Zu scharfen Abtastlinien kommt man, wenn die Ware in kürzester Zeit von vielen Laserstrahlen hintereinander überstrichen wird, die durch optische Tricks so abgelenkt werden, daß sie die Etiketten (die ja auch auf der Seite liegend vorbeikommen können) in vertikaler, horizontaler und schräger Richtung überstreichen.

Außerdem sorgt die Optik dafür, daß diese Abtaststrahlen unterschiedlich fokussiert werden, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit eines "Treffers" natürlich beträchtlich erhöht. Ein Nebeneffekt bei diesen rund 20 Abtastlinien ist, daß die schräg der ankommenden Ware "entgegensehenden" Strahlen das Etikett meist schon sehr früh erkennen. Außerdem minimiert schnelles Etikettenerkennen die Zeit, in der überhaupt Laserlicht ausgesandt werden muß.

Hologramm statt Spiegeln

Die skizzierten optischen Anforderungen könnte eine rotierende Scheibe mit unterschiedlich angeordneten Spiegeln erfüllen, betonen die IBM-Autoren Dickson, Sincerbox und Wolfheimer, aber so ein "Spiegel-Karusell" wäre in der Fertigung indiskutabel teuer. Doch es geht ja auch anders: nämlich mit einer rotierenden Scheibe mit unterschiedlich großen Sektoren, die alle als Hologramme unterschiedlicher Ablenkungscharakteristik ausgeführt sind.

Diese Scheibe läßt sich preiswert herstellen und auch bei der Entwicklung des Kassen-Scanners bot sie bereits Vorteile: sollten bestimmte optische Parameter geändert werden, mußte bloß ein entsprechend modifiziertes Hologramm erstellt werden.

An dieser Stelle sei kurz erinnert, daß Hologramme durch die Belichtung von Photoplatten mit zwei Laserstrahlen (einem Bild- und einem "Referenz"-Strahl) entstehen und daß diese Hologramme dann, belichtet man sie erneut mit dem ursprünglichen Referenzstrahl, wieder den korrekten Bild-Strahl "aussenden". So kommt es, daß sie als Strahlenablenkungsmedium fungieren können.

Beim Entwurf des Scanners benutzten die IBM-Ingenieure ein Simulationsprogramm, in das zahlreiche Abtaststrahl-Kombinationen und Strahl-Austrittswinkel-Kombinationen sowie die "typische", erwartete Verteilung der Etiketten-Größen, -Orientierungen, -Positionen, -Kontraste, -Geschwindigkeiten, -Passagewinkel und -Winkelabweichungen eingingen, außerdem zahlreiche Parameter des Scanners. Heraus kam schließlich ein optimiertes Scan-Muster.

Spiegel in APL simuliert

Das von den Balken und Zwischenräumen zurückgeworfene (zeitlich sich ändernde) Hell-Dunkel-Muster nimmt in Gegenrichtung exakt den gleichen Weg wie der Abtaststrahl, woraus das Problem erwuchs, die diversen Ablenkspiegel einerseits hinreichend groß für maximalen Lichtdurchsatz zu machen, andererseits aber klein genug, um die Nachbarspiegel nicht zu verdecken. Diese Aufgabe der Lage- und Gestaltoptimierung von insgesamt elf Spiegeln löste ein APL-Programm, das sich ebenfalls durch eine stattliche Reihe von Parametern durchzukämpfen hatte.

Da das vom Etikett zurückgeworfene, diffuse Licht auf dem Weg zum Lichtdetektor erneut die Hologrammscheibe durchstrahlt und die dort ankommende Lichtintensität je nach der Distanz zwischen Etikett und Scheibe sowie je nach Einfallswinkel variiert, sind die 20 einzelnen Ablenksektoren der Scheibe unterschiedlich groß.

Spezifischer Abtaststrahl

Damit können die unerwünschten Intensitätsabweichungen nämlich gut ausgeglichen werden. Die Sektoren sind also zwischen 14 und gut 25 Grad weit, außerdem gibt es für Selbsttestzwecke einen weiteren Sektor von 10 Grad Weite.

Jeder der Sektoren ist ein separates Hologramm, eingeschlossen zwischen zwei Glasplatten, das aus dem in 22 Grad Einfallsrichtung auftreffenden polarisierten Primarlaserstrahl einen ganz spezifischen, Abtaststrahl erzeugt. Die Scheibe hat knapp 10 Zentimeter Radius; der einfallende Laserstrahl wird von einem 1,5 mW-Helium-Neon-Laser erzeugt und hat eine Wellenlänge von 633 Nanometer.

Übrigens: daß dieser Strahl nicht senkrecht, sondern um 22 Grad vom Lot abweichend auf die rotierende Hologrammscheibe trifft, hat gleich eine ganze Reihe wichtiger optischer Gründe, die hier zu diskutieren allerdings viel zu weit führen würde.