Hoffnungen und Grenzen der InformationsverarbeitungFolge 10

04.07.1980

Die Gewerkschaften sind in diesem Land positiv zur technischen Entwicklung eingestellt, ganz besonders zur Computertechnik über die man sich sorgfältig auf dem Laufenden hält. Es geht nicht um Kampf, sondern um konstruktive Beiträge.

Bereits zweimal haben sich unter den Auspizien der IFIP und mit großer Hilfe durch Regierung und Gewerkschaften, 1974 in Wien und 1979 in Baden, Arbeitnehmervertreter, Arbeitgebervertreter, Sozialwissenschaftler und Informatiker zu einer Tagung getroffen, die unter dem Nahmen "Human Choice and Computers" die wichtigsten Fragen ans Licht zu bringen versucht und vor allem eine gemeinsame Sprache dieser so verschiedenen Gruppen und das gegenseitige Verständnis entwickeln möchte. Diese beiden Tagungen waren für die internationale Entwicklung von bemerkenswertem Einfluß und wurden auch im Ausland entsprechend gewürdigt.

Keine Gesellschaft auf der Welt und in der Geschichte ist perfekt, denn jede Gesellschaft setzt sich aus imperfekten Menschen zusammen. Der Computer als Verstärker des Immateriellen reflektiert und verstärkt in manchen Zügen auch die Imperfektion der Arbeitswelt, aber richtig verstanden und richtig angewendet, bringt er Gefahren im Voraus zur Anzeige, lädt zur Diskussion ein und ist Hilfsmittel zu ihrer Überwindung.

Nocheinmal muß daran erinnert werden, daß trotz aller Automation auch in einer stark computerisierten Welt Sinn- und Inhalt stets vom Menschen ausgehen und bei ihm enden. Der Computer ist Werkzeug und nicht Ersatz des Menschen. Wie man ein Werkzeug einsetzt, hängt von der Geschicklichkeit und der Mentalität des Benützers ab. Die Geschicklichkeit steigt mit der Dauer der Benützung, aber mit der Dauer der Benützung kommt auch eine Rückwirkung des Werkzeugs aui die Mentahtät des Benützers zustande. Das ist die letzte Frage, der ich mich in diesem Vortrag zuwenden möchte.

Rückwirkungen auf die menschliche Mentalität

Der Philosoph Leibnitz, einer der großen Vorläufer des Computerbaus, hat mit seiner Vierspeziesmaschine und mit seinen logischen Untersuchungen große Hoffnungen verknüpft, Hoffnungen auf ein Informationsverarbeitungsgerät, das den unnotigen Streit zu verringern erlaubt. "Daher werden," so formuliert Leibnitz, "zwei Philosophen, wenn sie in eine Auseinandersetzung geraten, nicht mehr Disput haben als zwei Computeristen. Es wird ihnen genügen, nach ihrem Schreibzeug zu greifen und zu ihrem Abakus und zu einander zu sagen - in einem freundlichen Ton wenn´s beliebt: Laßt es uns ausrechnen!"

Die positive Rückwirkung des Computers auf die menschliche Mentalität müßte tatsächlich in diese Richtung gehen. Über alle Dinge, die sich in die geordnete Form von Programmen und Datenbasen bringen lassen, sollte sich der Disput erübrigen. "Laßt uns zum Bildschirm gehen und den Sachverhalt herausfinden!" wäre die moderne Form des Leibnizschen Ausspruchs. Der meiste Streit entsteht ja wirklich durch Unterinformation und wenn die Computernetze einmal gestatten werden, daß man Fragen aller Art in großer Einzelheit am Bildschirm beantwortet erhält, könnte man zumindest erwarten daß zahlreiche Auseinandersetzungen einfach durch das Heranholen der fehlenden Information geschlichtet werden können.

Die Ausbildung eines steigenden Prozentsatzes der Bevölkerung in der klaren Denk- und Vorgangsweise der Computerprogrammierung muß ebenfalls ihre positiven Rückwirkungen auf die menschliche Mentalität haben. Wer beruflich zur Sachlichkeit angehalten wird, wird auch im sonstigen Umgang ruhige Formen bewahren. Falls sich zeigt, daß die menschliche Seele ein Kompensationsbedürtnis hat und daß der Mensch wirklich gewisse Aggressionen abreagieren muß, dann wird man eben wieder den Computer als Partner organisieren und diese Erfordernisse im Spiel ab fangen, wie das ja auch in vortechnischer Zeit oft geschehen ist.

Es liegt auf der Hand, daß diesen Hoffnungen auch die entsprechenden Gefahren gegenüberstehen. Wenn man sich bloß die Kombination Machtinstrument und Denkersparnisinstrument vorstellt, die den Computer ja sehr gut charakterisiert, dann kann man die düstersten Bilder ausmalen. Es bringt nicht viel, in dieser Nachseite zu schweigen, außerdem findet man dazu genug Material in zahlreichen Science-Fiction-Büchern. Aber ein Gedanke sei doch vorgestellt, als Beispiel dafür, daß unachtsame Verallgemeinerung gerade um den Computer sehr bedenkliche Folgen haben kann.

Dazu sei noch einmal wiederholt, was über die Grenzen der Logik und des Modells gesagt wurde, nämlich daß unsere Gewöhnung an Naturwissenschaft und Technik, begünstigt dadurch, daß ein immer größerer Prozentsatz der Menschheit in einer Umgebung lebt, in der die Zahl der technischen Objekte größer ist als die Zahl der natürlichen Objekte, dazu geführt hat, daß Logik und Modell, daß Naturwissenschaft und Technik überbeweitet werden - daß man sie mit dem Inhalt der Welt und des Menschen gleich setzt. Der Durchschnittsbürger von heute negiert älles, was nicht in das Koordinatensystem von Naturwissenschaft und Technik paßt. Er ist sich der methodischen Schwäche einer solchen Position nicht bewußt. Er ist eher beunruhigt und unangenehm berührt von dem Gedanken an etwas Nichtnaturwissenschaftliches.

Man muß sich nun eine Menschheit vorstellen, die mit einer ständig steigenden Zahl von Computern zu tun hat, die einen großen Teil ihrer Zeit mit der Kommunikation mit Bildschirmen und anderen Computereinrichtungen zubringt und das Programm und von Programmer gesteuerte Prozesse als den Normalfall anzusehen gelernt hat. Wird der Durchschnittsbürger einer solchen Zeit nicht alles negieren, was nicht in die Welt der Computerein richtungen paßt? Wird er nicht ausschließlich für wahr halten, was in den Datenbasen zu finden ist, und die Existenz aller darüber hinausgehenden Objekte und Erscheinungen leugnen? Wird er nicht beunruhigt und unangenehm berührt seit von dem Gedanken an etwas Nicht computererfaßtes?

Dieser Gedanke gibt Stoff zum Nachdenken über unsere Zeit und über die Zukunft, der wir entgegen gehen. Der Computer ist das großartigste Werkzeug, das die Technik geschaffen hat, und es macht Spaß sich mit ihm zu beschäftigen und von ihm bedient zu werden. Aber in diesem Vergnügen und in dieser Bequemlichkeit darf man nicht untergehen, darf man nicht das Gefühl für die ursprüngliche Welt und für die Natur des Menschen verlieren. Der Computer kann dabei wichtige Hilfe leisten, denn er zwingt zum Vorausdenken und zum Planen, zum Betrachten der Nachtseiten seiner Wirkung und zur Überlegung, wie man den dabei offenbar werdenden Gefahren begegnet.

Fortsetzung folgt