Statt eines dedizierten Systems jetzt funktionale Lösungen:

Hixdorf rückt von 88BK-Produktphilosophie ab

11.01.1985

CW-Bericht, Claudia Marwede-Dengg

MÜNCHEN - Einen Rückzieher in Sachen Bürokommunikation hat die Nixdorf Computer AG, Paderborn, jetzt wohl endgültig gemacht: Entgegen der ursprünglichen Absicht, ihr Renommier-Pilotprojekt 88BK vom 1. Januar 1985 an offiziell freizugeben, wird das System Jetzt nur noch auf ausdrückliche Nachfrage der Kunden geliefert.

Dem Vernehmen nach - eine Bestätigung aus Paderborn lag der COMPUTERWOCHE bis Redaktionsschluß nicht vor - haben die zweijährigen BK-Feldversuche bei ausgewählten Anwendern die Nixdörfer wohl bewogen, ihre Bürokommunikationsstrategie grundlegend zu ändern. Statt Bürokommunikation über ein dediziertes System, eben das 88BK, zu vermerkten, so heiße die Devise nunmehr, Büroanwendungen als Funktionen oder Komponenten anzubieten und je nach Wunsch etwa Textverarbeitung, Grafik, Spracheingabe etc. auf den bestehenden Produkten zu implementieren. Auf diese Weise werde 88BK von der ursprünglich konzipierten "Flaggschiffebene", die das System in der Bürokommunikationsstrategie des deutschen DV-Primus einnehmen sollte, auf die Komponentenebene herabgestuft.

Da einige Pilotkunden mit dem System äußerst zufrieden sind - gelobt wird vor allem immer die Benutzerfreundlichkeit von 88BK -, wird bei diesen das Projekt weitergeführt und auch entsprechend softwaremäßig weiterentwickelt. Auch interessierte Neukunden sollen das System bestellen können, wobei sie angeblich eine entsprechende Software-Betreuung und die Garantie bekommen, daß die 88BK-Lösung kompatibel mit den zukünftigen Bürokommunikationsanwendungen sein werde. Als erstes dieser "funktionalen" Produkte, so vermuten Branchenkenner, plane Nixdorf die Einführung einer Textverarbeitungskomponente. Nähere Detailinformationen werden spätestens zur diesjährigen Hannover-Messe erwartet.

Der leise Abschied vom BK-System kommt indes nicht überraschend, nachdem im August vergangenen Jahres aus dem Kreis der Pilotkunden bekanntgeworden war, daß die Nixdörfer den Weiterentwicklungsaufwand an Hard- und Software offensichtlich unterschätzt hatten. (Siehe COMPUTERWOCHE Nr. 35/1984 vom 24. August, Seite 1). Die ursprünglich anvisierte Marktfreigabe zum 1. Juli letzten Jahres konnte nicht eingehalten werden, die Testkunden erhielten das zugesagte Release 1.8 erst im September statt im Juni, wobei lange zugesagte Funktionen wie die 3270-Emulation nicht realisiert waren.

Weiteres Indiz für die Abkehr der Paderborner von ihrer bisher verfolgten BK-Philosophie war dann das letzte Projektleiter-Meeting der Pilotkunden: Den Anwendern wurde mitgeteilt, daß das Pilot-Release 1.8 ab Januar 1985 als Version 1 für den Markt freigegeben werde. Der Controller-Verbund - pro BK-Controller ist der Anschluß von 24 Geräten möglich - sollte frühestens zum September dieses Jahres mit der Auslieferung des Release 2 kommen. Über diesen Zeitpunkt hinausgehende Planungen und Konzeptionen, so wurde aus dem Kreis der Pilotkunden berichtet, wurden von den Nixdorf-Mannen keine konkreten Aussagen gemacht.

Es hieß lediglich, daß die Funktionalität des 88BK "künftig selbstverständlich auch in andere Systeme integriert" werde. Angesichts einer auf drei bis vier Jahre ausgerichteten Einführungsdauer von Bürokommunikationsprojekten in den Unternehmen sei damit, meint einer der BK-Piloten, das Nixdorf-System ohnehin kein Diskussionsthema mehr gewesen.