Überwindung von RaumZeit-Disparitäten:

Hilfsmittel Btx macht die Logistik effizienter

13.01.1984

Das Medium "Bildschirmtext" kann zur Verteilung von Daten und zur wechselseitigen Kommunikation zwischen einer unbegrenzten Anzahl Benutzer mittlerweile fast überall eingesetzt werden. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den in der Praxis bereits erprobten Einsätzen von Bildschirmtext im Bereich der Logistik sowohl im Zusammenhang zwischen Verlader und Spediteur/Frachtführer als auch Im Datenverbund verschiedener Speditionsfirmen untereinander.

Logistik beschäftigt sich generell mit der Überwindung von Raum/ Zeit-Disparitäten. Diese etwas akademisch anmutende Definition findet ihre Umsetzung in der Preis wie folgt: "Logistik ist das Gesamtsystem zur Steuerung, Regelung und Durchführung des Materialflusses von der Rohstoffgewinnung über die Produktion und Weiterverarbeitung bis hin zum Endverbraucher."

Logistik umfaßt somit wie eine Klammer vom Beschaffungsmarkt zum Absatzmarkt das gesamte Unternehmen und wird deswegen auch als Steuerungsfunktion aller kommunikativen und materiellen Bewegungsvorgänge eines Betriebes gesehen.

Die Zielsetzung der betrieblichen Logistik sind demnach,

- die richtige Menge

- die richtigen Produkte

- am richtigen Ort

- zur richtigen Zeit

- und zu vertretbaren Kosten zur Verfügung zu stellen.

Logistik-Systeme, die sämtliche Warenbewegungsfunktionen eines Betriebes in sich vereinigen, sind bisher in Industrie und Handel relativ selten anzutreffen, obwohl die Umkehr von Verkäufer zu Käufermärkten, Produktions- und Sortimentsausweitungen sowohl die tendenziell zunehmende nationale und internationale Arbeitsteilung das Management ständig mit der Notwendigkeit effizienter und marktorientierter Produktverteilung konfrontiert.

Am verbreitetsten ist noch die "Marketing-Logistik", die sich im wesentlichen mit der Problematik der rechtzeitigen, kostengünstigen und marktkonformen Belieferung des Absatzmarktes beschäftigt. Ebenso wie die Marketing-Instrumente Produktpolitik, Preispolitik, Werbung, Verkauf etc. besteht die Marketing-Logistik aus verschiedenen Komponenten, die sich alle auf Elementarprozesse die physischen Warenflusses beziehen. Es lassen sich vier Prozesse unterscheiden:

- Warenhaltung

- Warenbewegung

- Warenaufbereitung

- Informationsabwicklung.

Aufgrund betrieblicher Erfahrung und aus Gesprächen mit anderen Logistik-Spezialisten läßt sich feststellen, daß:

- die Logistik heute in der Industrie immer noch nicht als eigenständige Funktion anerkannt, der Begriff jedoch mittlerweile vom Management akzeptiert wird;

- die operative Bedeutung und der Einfluß der Logistik in den letzten vier Jahren überproportional gestiegen sind;

- das Logistik-Konzept sich mittlerweile aufgrund von Kostendruck, Neuentwicklungen in der Einzelhandelsstruktur, Wettbewerb sowie der Relevanz neuer Medien weitaus schneller im Einzelhandel beziehungsweise Großhandel als in der verarbeitenden Industrie durchsetzt.

Das Logistik-Konzept in der Praxis stellt eine Matrix dar, bei der drei betriebliche Funktionen mit fünf technisch-ökonomischen Aktivitäten verbunden werden (siehe Abbildung).

Die sinnvollsten Konzeptionen sind meistens die, bei denen in irgendeiner Form vertikale Kooperationen im Vertriebskanal beziehungsweise im Beschaffungskanal gebildet werden. An derartigen Kooperationen sind in der Regel folgende Gruppen beteiligt:.

- der Verlader

- der Absatzmittler beziehungsweise Beschaffungsmittler

- der logistische Dienstleister (Spediteur).

Zweiseitige Abhängigkeit

Die Effizienz derartiger Kooperationen leitet sich im wesentlichen daraus her, daß jedes Mitglied einer solchen Kooperation sich auf seine ureigensten Aufgaben besinnt und beschränkt. Das heißt mit anderen Worten, der Verlader produziert Güter oder handelt mit diesen, was meistens auch seinem Unternehmenszweck entspricht, und der logistische Dienstleister kümmert sich um die Logistik. Hierdurch lassen sich in aller Regel Kostenvorteile und Serviceverbesserungen durch Degressionseffekte erzielen. Bezogen auf die Logistik bedeutet dies, daß der Verlader Teile seines logistischen Systems an den logistischen Dienstleister abgibt. Dieser wiederum investiert in derartige Systeme in vielen Fällen sehr hohe Beträge, wobei diese Investitionen dann nur beschränkt außerhalb der Kooperation anwendbar sind. Die Partner begeben sich also in eine zweiseitige Abhängigkeit.

Für den Verlader bedeutet die Aufgabe von Teilfunktionen seiner Logistik eine Verringerung der logistischen Kontrollspanne und einen Verlust der Marktnähe. Durch effiziente und kostengünstige Informationssysteme, die sehr weitreichend sein sollten, kann beides wieder vergrößtert beziehungsweise wiederhergestellt werden.

Mangelnde Kompatibilität als Hemmschwelle

Derartige Informationssysteme lassen sich am besten durch die Verbindung verschiedener Datenverarbeitungsanlagen und damit die Koppelung innerbetrieblicher Informationssysteme herstellen. Sowohl für den Verlader als auch für den logistischen Dienstleister ergeben sich hier Probleme der Kompatibilität von eingesetzten DV-Anlagen bei den einzelnen Mitgliedern der Kooperation beziehungsweise Transportkette, der Begrenzung der Freiheit in der Wahl des Partners durch Großinvestitionen sowie der fehlenden Reichweite des Informationssystems.

Die genannten Probleme bilden in vielen Fällen eine Hemmschwelle für derartige kooperative Konstellationen und verhindern sie sogar recht häufig. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine Untersuchung der Bundesvereinigung Logistik (BLV) aus dem Jahre 1979/80: Darin wurde festgestellt, daß ein Haupthindernis für eine weitere Produktivitätssteigerung in der Logistik das fehlende Einflußvermögen auf Geschehnisse außerhalb des eigenen Unternehmens (Verladebetrieb) ist. Dieser Grund wurde von 65 Prozent aller Befragten in Westeuropa angegeben. In den USA und Kanada sieht es ähnlich aus. Kooperationen im Beschaffungs- beziehungsweise Absatzkanal und damit verbundene Verknüpfung von Datenverarbeitungsanlagen sowie die Öffnung privatwirtschaftlich betriebener Rechner für einen breiteren Interessentenkreis sind ein gutes Mittel, dieses Argument aus dem Feld zu räumen.

Logistik ist auch gekennzeichnet durch die sogenannte Schnittstellenproblematik. Diese Problematik tritt immer darin auf, wenn Informationen und Warenflüsse von einem Unternehmen zum anderen transferiert werden müssen. Hier sind zum Beispiel die Berührungspunkte zwischen Verlader, und Spediteur oder zwischen Spediteur und Frachtführer beziehungsweise den Frachtführern untereinander angesprochen. Aber auch die informellen Kontakte zwischen Spediteur und Bankunternehmen oder Reederei und Hafenbetrieb fallen hierunter.

Am besten läßt sich diese Problematik durch ein Beispiel umreißen: Man stelle sich vor, daß ein Kunde in Amerika an einen Betrieb in Deutschland (Hersteller) einen Auftrag auf eine Partie Waschmaschinen vergibt. Was muß dann alles geschehen, bevor der Kunde seine Ware und der Lieferant sein Geld haben?

Drei Gruppen von Institutionen müssen in Aktion treten, damit dieser Auftrag erledigt werden kann:

- Kunde und Lieferant

- Hilfsorganisationen der Transaktion (Transportunternehmen einschließlich Hafenbetrieb und Banken, etc.)

- Obrigkeiten (Zoll- und Finanzämter).

Im Laufe eines solchen Verfahrens entstehen etwa 25 Prüfpunkte, an denen die Informationen kontrolliert und weitergeleitet werden müssen, damit die Partie Waschmaschinen wieder einen Schritt vorwärts transportiert werden kann. Auf diese Weise entsteht das "scheinbar geordnete" Verfahren einer internationalen Transportkette.

Je nach Art des Produktes und der Art und Weise des Transportes und des geographischen Gebietes, innerhalb dessen sich die Transaktion abspielt, ist die Komplexität kleiner oder größer. Jede dieser genannten Gruppen und jeder Betrieb innerhalb dieser Gruppen hat im Extremfall seine eigene Datenverarbeitungsanlage. Sehr schnell kommen hier 20 oder gar 30 DV-Systeme zusammen, die mit Sicherheit nicht alle untereinander kompatibel sind und deswegen auch nur sehr schwer, insbesondere wenn hoheitliche Grenzen zu überwinden sind, über Datex-P oder ähnliche Netze kommunizieren können.

Mit der Entwicklung des Mediums Bildschirmtext, das als Datenübertragungsnetz das offizielle und mittlerweile in der ganzen Welt eingeführte normale Fernsprechnetz benutzt, ist zum ersten Mal ein Medium geschaffen, mit dein eine sehr große Zahl von Anbietern, Anwendern und Nutzern miteinander kommunizieren können. Über die Möglichkeit, in hauseigenen DV-Anlagen generierte Daten in bildschirmtextlesbare Zeichen umzusetzen und über dieses Medium (Telefonnetz) zu versenden, ergeben sich ungeahnte Perspektiven für die Logistik. Dies wird noch dadurch unterstrichen daß die Btx-Geräte und Software im Vergleich zur herkömmlichen DV relativ kostengünstig sind.

Bedingt durch die geringen Investitionskosten für die Teilnahme am Bildschirintextsystem dürften sich die einzelnen Partner nicht mehr durch das Tätigen von Großinvestitionen eingeengt fühlen. Ein weiteres Hindernis zur Bildung von Kooperationen im Vertriebskanal ist damit beseitigt.

Die bisherigen Systeme von Datenverbänden in Kooperationen und Partnerschaften hören immer dort auf, wo das letzte Terminal installiert ist. Da Bildschirmtext mittels eines ganz normalen Telefons, eines Heimfernsehers und zweier Spezialeinrichtungen (Decoder, Modem) betrieben werden kann, sind die Reichweiten der in Datenverarbeitungsanlagen generierten Informationen beziehungsweise der Informationen, die die einzelnen Logistik-Systeme erstellen, fast unbegrenzt für den, der berechtigt ist, die Informationen abzurufen und zu empfangen.

Durch die Möglichkeit sogenannter geschlossener Benutzergruppen lassen sich Hierarchien von Informationsberechtigten innerhalb einer Kooperation aufbauen.

Durch die Möglichkeit der interaktiven Benutzung des Btx-Systems im Rahmen der Logistik-Kooperation sind insbesondere in Fällen von zwei und mehrstufigen Warenverteilsystemen

- eine ständige Aktualisierung des Lagerbestandes und damit kontinuierliche Senkung der Bestandskosten sowie

- stets Aussagen über Verfügbarkeit und Erfüllungsgrad von Aufträgen realisierbar.

Hohe Kostensenkung

In der bereits erwähnten Untersuchung der Bundesvereinigung Logistik (BLV) ist auch festgestellt worden, daß diejenigen Betriebe, die sich bereits intensiv mit Logistik-Problemen beschäftigten und da auch Kostensenkungen erreichten, in Zukunft mit hohen Kostensenkungen beziehungsweise Produktivitätssteigerungen rechnen. Wer bereits über 20 Prozent erreicht hat, erwartet auch in Zukunft über 13 Prozent weitere Einsparungsmöglichkeit. Wer bisher nur 1 Prozent bis 5 Prozent erreicht hat, erwartet für die Zukunft auch nur knapp über 6 Prozent. 1979, als diese Untersuchung lief, wußte kaum einer, insbesondere von den Logistikern, etwas von Bildschirmtext. Würde man diese Untersuchung heute wiederholen und Bildschirmtext mit einbeziehen, fielen die Zahlen wohl noch gravierender aus.

*Dipl.-Kfm. Udo Volkmar Hüber ist Geschäftsführer der Log.-Sped. Gesellschaft für marktkonformen Lieferservice GmbH, Bensheim.