Was Unternehmen tun können

Hilfe - meine Eltern brauchen Hilfe!

18.03.2013
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Freiwilligkeit im Vordergrund

Wer einen Fulltime-Job hat, kann die unterschiedlichen Betreuungs- oder Pflegeaufgaben oft nicht parallel bewältigen. Deshalb bieten Unternehmen solchen Mitarbeitern verschiedene Teilzeitmodelle an. "Bei uns gibt es kurz- und langfristige Lösungen. Über Gleitzeit ist es möglich, auch kurzfristig einen ganzen Tag frei zu nehmen", berichtet Krause. Wünscht sich der Mitarbeiter eine längerfristige Lösung, greifen mehrere Betriebsvereinbarungen. "Möchte eine Mutter ihr Kind ins Krankenhaus begleiten, kann sie sich unbezahlt von der Arbeit freistellen lassen", erläutert der Nürnberger Personaler. Verschiedene Teilzeitmodelle mit reduzierter Wochenarbeitszeit sind möglich.

Datev bietet seinen Angestellten auch Sabbaticals an. Ob jemand auf Weltreise gehen, sich weiterbilden oder einen Verwandten pflegen möchte - all diese Varianten sieht die Vereinbarung vor. "Wenn sich ein Kollege für die Pflege von Angehörigen freistellen lassen will, ist das auch kurzfristig möglich", sagt Krause. Wer beispielsweise ein Jahr frei nehmen wolle, könne weiterhin 75 Prozent seines Gehalts beziehen. Nach diesem Jahr steige die Person wieder als Vollzeitkraft ein und erhalte für drei weitere Jahre nur 75 Prozent ihres Gehalts, bis die Differenz beglichen ist.

Bis zu zwei Jahren Pause

Auch eine Beurlaubung von bis zu zwei Jahren sei möglich. Dann erhöhe sich die Gesamtlaufzeit der Vereinbarung auf sechs Jahre. Das Gehalt reduziere sich in dieser Zeit auf 66 Prozent. "Wir übernehmen als Arbeitgeber auch einen Teil des Risikos. Außerdem bieten wir unseren Mitarbeitern eine Wiedereinstellungsgarantie", so der Datev-Personaler. Diese Garantie gelte für eine befristete Unterbrechung von bis zu 42 Monaten. Das Familienpflegezeitgesetz (siehe Kasten Seite 40) nimmt Datev nicht in Anspruch.

Auch Gunther Olesch von Phoenix Contact hält die gesetzliche Regelung für zu kompliziert: "Wir haben unterschiedliche Arbeitszeitmodelle eingerichtet. Jeder Mitarbeiter kann bis zu 210 Stunden auf seinem Gleitzeitkonto ansammeln oder auch als eine Art Kredit in Anspruch nehmen." Eine bereits vor zwölf Jahren ausgehandelte Betriebsvereinbarung sieht vor, dass Beschäftigte regelmäßig tageweise von zu Hause aus arbeiten können. Um allerdings in den Genuss dieses Privilegs zu kommen, bedarf es einer Begründung. "Es muss nachvollziehbar und gerecht gegenüber den Kollegen sein, weshalb jemand diese Variante wählt", schränkt der IT- und Personal-Manager Olesch ein.

Allerdings sehen die befragten Unternehmen auch klare Grenzen des Engagements. Wer seine Probleme weiterhin für sich selbst lösen möchte, wird nicht zu einem Beratungstermin gezwungen. Weder Gesundheits-Checks noch Sportprogramme oder Hilfsangebote sind verpflichtend. "Mit den Angeboten möchten wir unseren Mitarbeitern Optionen bieten. Niemand muss daran teilnehmen", versichert Olesch.

Auch Andreas Krause von Datev weiß, dass es unangenehme Themen und Grenzen gibt. "Wir haben eine Betriebsvereinbarung zum Thema Sucht und bieten Hilfe statt Kündigung an. Das hilft vielen, sich zu öffnen und Hilfe in Anspruch zu nehmen", erläutert der Datev-Mann. Wird das Gehalt eines Mitarbeiters gepfändet, weiß die Gehaltsabrechnung davon: "Wir gehen in extremen Fällen aktiv auf die Kollegen zu und raten zu einer Schuldnerberatung." (hk)

Familienpflegezeitgesetz

Seit Januar 2012 ist das Familienpflegezeitgesetz in Kraft. Arbeitnehmer können ihre Arbeitszeit reduzieren, um Angehörige zu pflegen. Für einen Zeitraum von maximal 24 Monaten können Beschäftigte ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Wochenstunden minimieren. Wenn beispielsweise eine Vollzeitkraft ihre wöchentliche Stundenzahl von 40 auf 20 verringert, beträgt das Gehalt 75 Prozent des letzten Bruttoentgelts. Nach maximal zwei Jahren muss der Pflegende wieder Vollzeit arbeiten, erhält aber so lange nur 75 Prozent des Gehalts, bis die Differenz wieder ausgeglichen und das vom Arbeitgeber gewährte Darlehen zurückgezahlt ist. Der Arbeitgeber kann diese Kosten über ein zinsloses Bundesdarlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Ausgaben (BAFzA) finanzieren. Allerdings müssen Arbeitnehmer ein mögliches Ausfallrisiko mit einer Versicherung abfedern.

Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit. So kompliziert der Titel klingt, ist auch die Handhabe. Zwar gebe es Interesse an dem Gesetz, doch nach Angaben des Familienministeriums wird das Familienpflegezeitgesetz lediglich in rund 200 Fällen genutzt. Doch manche Firma greift die Idee auf, ohne das Darlehen in Anspruch zu nehmen, und entwickelt eigene Konzepte und Betriebsvereinbarungen.

Weitere Infos unter http://www.familien-pflege-zeit.de