Mobbing von oben

"Hilfe, mein Chef ist unfähig"

04.04.2007
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.

Wie man sich wehren kann

Jeder Mitarbeiter kann heute in eine Situation kommen, in der er sich schon aus gesundheitlichen Gründen wehren muss. Studien belegen diesen Bedarf. Das Institut Arbeit und Technik (IAT) aus Gelsenkirchen stellte 2006 fest: Mitarbeiter in IT-Projekten leiden überproportional an Müdigkeit, Nervosität, Schlafstörungen und anderen psychosomatischen Beschwerden. Die britische Regierung kam ihrerseits in einer Studie zu folgendem Ergebnis: Angehörige niedriger Hierarchiestufen haben im jeweils gleichen Alter ein dreimal höheres Sterberisiko als Führungskräfte.

"Am besten wehrt man sich früh"

Die Diplompsychologin Madeleine Leitner arbeitet als Karriereberaterin in München. Im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) ist sie Vorsitzende der Sektion Wirtschaftspsychologie.

CW: Woran leiden Mitarbeiter am häufigsten?

LEITNER: Für die Menschen, die zu mir kommen, ist oft der Chef eines der Hauptprobleme. Viele sagen: Oben landen die, die die dicksten Ellenbogen haben, und nicht die Kompetenten. In der Psychologie gibt es Studien zu so genannten dissozialen Persönlichkeiten. Das sind Psychopathen, die selber skrupellos sind, während um sie herum alle krank werden. Das wird bei Führungspersönlichkeiten weit überdurchschnittlich beobachtet.

CW: Wie hat sich das Klima in Unternehmen in den letzten Jahren verändert?

LEITNER: Die Probleme haben auf jeden Fall zugenommen. Die Chefs sind, weil sie von oben gedrückt werden, immer rücksichtsloser geworden. Viele Führungskräfte haben ein Coaching gemacht, in dem sie als Erstes lernen, unrealistische Vorgaben zu setzen. Wenn die Leute diese Ziele nicht erreichen, dann mahnen sie sie ab. Es gibt leider Menschen, die Führungskräften so etwas professionell beibringen.

CW: Wer läuft am ehesten Gefahr, schlecht behandelt zu werden?

LEITNER: Menschen, die ausstrahlen, dass sie kein Selbstwertgefühl haben. Gefährdet ist, wer unberechtigte Kritik übernimmt, wer sich sein Selbstbild durch die schlechte Behandlung bestätigen lässt, statt zu sagen: Bist du heute aber schlecht gelaunt.

CW: Wie können Mitarbeiter sich wehren?

LEITNER: Am besten wehrt man sich früh. Die größten Chancen hat man, wenn man das Problem gleich thematisiert: Ich mach das jetzt, aber ich verstehe es nicht.

CW: Was zeichnet einen guten Chef aus?

LEITNER: Er sollte berechenbar und klar sein und gut delegieren können. Ein Softie, der den Mitarbeitern nach dem Mund redet, muss er nicht sein manche schätzen einen, der auch fordert. Wichtig sind Transparenz und Authentizität.

CW: Kann jeder ein guter Chef sein? Wem hilft Coaching?

LEITNER: Chef sein ist eine extrem anspruchsvolle, schwierige Aufgabe, die nicht jeder kann und nicht jeder mag. Es gibt Menschen, die das von Natur aus gerne machen und gut können. Vielen, die keine solchen Naturtalente sind, ist geholfen, wenn sie ein paar Kommunikationstechniken lernen. Wenn jemand zwei Mitarbeiter hat, die beide nett sind, muss er ja kein Superchef sein. Falls jemand menschenscheu ist oder nur Techniker, ist es hoffnungslos. Ein Chef sollte Menschen mögen.