Riesenhuber forderte vor GI-Kongreß neue Unternehmensstruktur:

Hierarchien sind überholt

30.10.1987

MÜNCHEN (ujf) - Hierarchisch strukturierten Unternehmen läutete Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber bei der Eröffnung des Kongresses der Gesellschaft für Informatik (GI) die Totenglocke. Alte Herrschaftsmodelle, die durchaus sinnvoll gewesen seien, erklärte der Minister für obsolet. Und: Mehr Frauen müßten für sich die Chancen der Informatik nutzen.

Was in vielen Unternehmen im Lauf der Zeit an hierarchischen Strukturen entwickelt worden sei und durchaus seinen Verdienst gehabt habe, so Riesenhuber, müsse nun von einer "Ebene des gleichen Verständnisses" abgelöst werden. Man habe mittlerweile gelernt, daß Systeme ohne Herrschaft funktionieren können. Auch aus Beziehungen von Ursache und Wirkung könnten rationale Strukturen aufgebaut werden: "Die Art der partnerschaftlichen Zusammenarbeit, die Auflösung von Befehlsstrukturen in nichthierarchische Ordnungsstrukturen, die in der Sache begründet sind, muß sich in den Arbeitsorganisationen widerspiegeln und auch in den Aus- und Fortbildungsprozessen". Andernfalls könne die Industrie nicht mehr lange wettbewerbsfähig bleiben.

Der Forschungsminister mahnte in vorwurfsvollem Ton, die Frauen müßten nun im Berufsleben den Part übernehmen, der ihnen zukomme: "Ich halte es für eine haarsträubende Sache, daß der Anteil von Frauen in den Informationswissenschaften nicht gerade überwältigend groß ist". Die Hälfte der zugänglichen personellen und geistigen Ressourcen werde vergeudet, wenn die Frauen sich nicht in Wirtschaft und Wissenschaft mehr engagierten. Beide Bereiche könnten, so Riesenhuber, wesentlich mehr gute Kräfte brauchen, als zur Verfügung stünden. Deshalb müßten sich auch die Studiengänge "selbst auf ihre eigene Ratio überprüfen". Der Politiker warnte die GI-Mitglieder vor elitärem Denken. "Lachen Sie nicht über die Bindestrich-Informatiker, die Sie so als Nebenfächler haben, gell?" Auch die Hersteller nahm er in die Pflicht, das Thema Software-Ergonomie nicht zu vernachlässigen.