Hier kocht der Chef seinen Kaffee selbst

07.05.2002
Von in Ingrid
Für einige Jahre in den USA zu arbeiten gehört für viele IT-Experten zu den großen Träumen. Über kulturelle Unterschiede und mögliche Stolpersteine jenseits des Atlantiks berichtet Melissa Lamson, Geschäftsführerin von Lamson Consulting Berlin.

YOUNG PROFESSIONAL: Reichen solide Sprachkenntnisse und Fachwissen aus, um in den Staaten erfolgreich zu sein?

LAMSON: Grundkenntnisse in Englisch reichen anfangs aus, alles Weitere kann man vor Ort im Arbeitsalltag lernen. Allerdings ist es wichtig, ein Feeling für das Land, die Sprache und die Kultur mitzubringen. Nur sieben Prozent der Kommunikation ist verbal, deshalb reicht Sprache allein nicht aus.

Melissa Lamson
Melissa Lamson

Die kulturelle Herausforderung und die Unterschiede im Arbeitsleben unterschätzen viele, die in den USA arbeiten möchten. Gerade die Unterschiede zwischen Deutschen und Amerikanern werden nicht so sehr wahrgenommen, da wir uns gleich kleiden und ähnliche Werte haben. Um möglichen Stolpersteinen aus dem Weg zu gehen und peinliche Situationen im Arbeitsalltag zu vermeiden, helfen interkulturelle Kompetenzen weiter, um als Expatriate erfolgreich zu sein.

YOUNG PROFESSIONAL: Sie coachen und beraten in Seminaren Mitarbeiter von Unternehmen, die eine Auslandsentsendung in die USA planen. Auf welche Aspekte legen Sie bei Ihren Trainings besonderen Wert?

LAMSON: Mir ist eine Sensibilisierung für die Unterschiede wichtig. Das können ganz einfache Dinge sein, etwa der Augenkontakt. Europäer sehen ihrem Gegenüber länger und direkter in die Augen als Amerikaner. In den USA wird das als zu intim eingestuft. Eine andere Situation betrifft die Rolle und Aufgaben der Kollegen. In deutschen Unternehmen nimmt die Sekretärin ihrem Chef viele Aufgaben ab, die in den Vereinigten Staaten keineswegs selbstverständlich sind. Dort lautet die richtige Berufsbezeichnung Assistentin, und deren Job umfasst andere Aufgaben. In den USA kann ein Manager beispielsweise seine Mitarbeiterin nicht bitten, für eine Besprechung den Kaffee zuzubereiten, denn das würde sie unterfordern und nicht ihrer Qualifikation angemessen sein.

YOUNG PROFESSIONAL: Gerade die ersten Tage im neuen Job sind entscheidend. Worauf sollten Mitarbeiter in der Anfangszeit besonders achten?

LAMSON: Auch wenn es banal klingt: Es ist wichtig, eine persönliche Beziehung zu den Kollegen am neuen Arbeitsplatz aufzubauen. Die Initiative sollte von den neuen Mitarbeitern ausgehen, sie sollten sich um ihre neuen Kollegen bemühen und Interesse zeigen. Smalltalk wird hierzulande gerne als überflüssig angesehen, in den USA dagegen als freundliche Geste. Gerade auf einer unverbindlichen Gesprächsebene lassen sich einfach erste Kontakte knüpfen. Die Amerikaner sind richtige "Networking-Fans", denn die losen Kontakte können schließlich irgendwann einmal nützlich sein und sogar den ersten Schritt für eine spätere Geschäftsbeziehung bilden. Beim Smalltalk sollte es sich um ganz unverfängliche Themen drehen. Eine freundschaftliche Gesprächsebene mit den Teamkollegen fördert die Zusammenarbeit ungemein, denn aus Pflichtgefühl heraus arbeitet niemand, sondern in erster Linie aus Spaß an der Arbeit und wenn es eine persönliche Bindung gibt.

YOUNG PROFESSIONAL: Welche Themen eignen sich besonders gut dazu, mit den neuen Kollegen unverfängliche Gespräche am Arbeitsplatz zu führen?

LAMSON: Grundsätzlich kommt Humor immer gut an. Natürlich dürfen die Witze weder sexistisch noch rassistisch sein. Gespräche über den Job, Wochenendausflüge und das Wetter sind unverfänglich. Da viele Amerikaner sportbegeistert sind, kann man mit solchen Themen immer Pluspunkte sammeln. Allerdings sollte sich niemand zu einer politischen Diskussion oder einem kritischen Streitgespräch hinreißen lassen, denn schließlich soll die Unterhaltung nur eine leichte Plauderei sein, die das Eis zwischen den Gesprächspartnern brechen kann. Allzu viel Kritik oder Details stören nur dabei.

YOUNG PROFESSIONAL: Gerade für USA-Neulinge können die Themen "Political Correctness" und "Sexual Harassment" auf den ersten Blick durchaus sehr trickreich und verwirrend sein. Welches Verhalten könnte sich zum Stolperstein entwickeln?

LAMSON: In den USA ist dieses Thema deshalb besonders wichtig, da Chancengleichheit am Arbeitsplatz eine wichtige Maxime ist. Niemand soll aufgrund seiner Hautfarbe, seines Geschlechts oder seiner Herkunft im Berufsleben benachteiligt werden. Deshalb gehört hier viel Fingerspitzengefühl dazu. Bei einer amerikanischen Bewerbung fehlt beispielsweise das Bewerbungsfoto, das Alter des Bewerbers ist nicht genannt, und viele kürzen sogar den Vornamen ab, um die Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern zu wahren. Einige spektakuläre Fälle von Schadensersatzforderungen führen selbst unter Amerikanern zu einer gewissen Verunsicherung.

YOUNG PROFESSIONAL: Wie können Bewerber am einfachsten an die begehrten Jobs in den USA kommen, da dort die wirtschaftliche Situation schwierig ist?

LAMSON: Die besten Chancen bietet eine Auslandsentsendung. Die Mitarbeiter sind weiterhin im Herkunftsland angestellt und arbeiten für drei bis fünf Jahre in den USA. Inzwischen dürfen die Ehepartner ebenfalls in den Vereinigten Staaten arbeiten, was deren Zufriedenheit erheblich verbessert, denn viele Auslandsentsendungen scheitern, wenn sich einer der Partner nicht wohl fühlt.

YOUNG PROFESSIONAL: Haben Sie noch einen Tipp für das USA-Assignment bereit?

LAMSON: "Have fun" - schließlich sollen der neue Job, das Leben in den USA und all die vielen neuen Eindrücke Spaß machen. Eine gewisse Zeit im Ausland zu leben erweitert den persönlichen und beruflichen Horizont. Wenn Leute offen und lernbereit auf die Reise gehen, dann haben sie schon den wichtigsten Schritt für das Gelingen getan.