Léo Apotheker sucht die Cloud

Hewlett-Packard muss sich neu erfinden

29.06.2011
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Was tut sich in Forschung und Entwicklung?

Konkreter, was Veränderungen anbelangt, wurde Apotheker in Bezug auf die eigene Entwicklungsabteilung. "Wir waren in der Vergangenheit nicht immer schnell genug", räumte der HP-Chef ein. Man müsse daran arbeiten, Innovationen zügiger auf den Markt zu bringen. "Hier waren wir in der Vergangenheit manchmal zu schwerfällig." Experten und Konkurrenten hatten den HP-Verantwortlichen in der Vergangenheit wiederholt vorgeworfen, ihre Entwicklungsarbeit zu vernachlässigen. Beispielsweise kritisierte IBM-Chef Palmisano den aus seiner Sicht sträflich vernachlässigten Bereich Research & Development (RD) bei HP in ungewöhnlich scharfer Form. Hurds Sparaktionen hätten HP die Innovationskraft genommen, stichelte der sonst als ruhig und zurückhaltend geltende IBM-CEO.

Hewlett-Packard - das Portfolio

Hewlett-Packard hat sich nicht zuletzt durch Übernahmen in den vergangenen Jahren ein breites Produktportfolio aufgebaut, das jetzt den Weg in die Cloud ebnen soll. So ist HP aufgestellt:

Hardware: Die breit aufgefächerte Hardwarepalette ist das Prunkstück in HPs Portfolio. Hier findet sich vom Drucker über Smartphones, Tablets, Notebooks und PCs bis zu Servern und Storage-Arrays jeder Leistungsklasse praktisch alle Hardware, die Unternehmen benötigen. Die Imaging and Printing Group (IPG, 25,8 Milliarden Dollar), die Personal Systems Group (PSG, 40,7 Milliarden Dollar) und Enterprise Storage and Servers (ESS, 18,7 Milliarden Dollar) stehen für über zwei Drittel des jährlichen Gesamtumsatzes von HP. IDC-Analyst Rüdiger Spies wertet das breite Hardwareportfolio als Vorteil. Das Druckergeschäft ist aus seiner Sicht nach wie vor eine wichtige Cashcow für den Konzern. Der Analyst rechnet nicht damit, dass sich der Konzern vom PC-Geschäft trennt - trotz harten Wettbewerbs und schwindender Margen. Mit einem solchen Schritt würde HP auf einen großen Teil des Umsatzes versichten und eventuell hinter IBM wieder auf Platz zwei des internationalen IT-Markts zurückfallen. Das wäre ein schlechtes Signal. Für Pascal Matzke von Forrester Research ist die Consumer- Orientierung HPs, die IBM aufgegeben hat, ein Pluspunkt. Damit erreiche der Anbieter die neuen Firmenmitarbeiter der Digital-Native-Generation und könne Consumer- Trends für seine Unternehmenskunden aufgreifen. Das helfe, eine Brücke zwischen beiden Welten zu schlagen.

Software: Die Software bildet die Achillesferse im HP-Portfolio. Mit einem Umsatz von knapp 3,6 Milliarden Dollar kommt dieser Bereich auf einen Umsatzanteil von nicht einmal drei Prozent. HPs Softwareportfolio setzt sich bis dato hauptsächlich aus Werkzeugen für das System-Management, Sicherheitslösungen und einzelnen Komponenten aus Anwendungs- und Infrastruktursoftware zusammen. Neu hinzukommen wird das Betriebssystem WebOS. Aus Sicht von IDC-Analyst Spies hat HP im Softwarebereich einige Lücken zu stopfen. Dabei sollte sich der Konzern hauptsächlich auf Infrastrukturkomponenten, zum Beispiel Data-Management-Software, konzentrieren. Viel Zeit habe HP indes nicht und sollte sich deshalb mit Zukäufen verstärken. Problematisch sei allerdings, dass Konkurrenten wie IBM und Oracle in den vergangenen Jahren in diesem Bereich bereits viele interessante Unternehmen vom Markt weggekauft haben. Darüber hinaus müsse das HP-Management daran arbeiten, das Softwaregeschäft tiefer in der Vertriebsorganisation zu verankern, um beispielsweise vorkonfigurierte Pakete anbieten zu können. Denn nur so ließen sich Synergien erzielen. Doch das dauert, sagt Spies.

Services: Mit der Übernahme von EDS hat HP sein Servicegeschäft auf ein neues Niveau gehoben. Mittlerweile erwirtschaftet die Dienstleistungssparte mit Einnahmen von fast 35 Milliarden Dollar über ein Viertel von HPs Jahresumsatz. Stephan Kaiser, Analyst von PAC, sieht HPs Servicesparte als eine wichtige Stütze. Mit der Übernahme von EDS habe der Konzern vor allem Infrastruktur- sowie Anwendungs- Know-how beispielsweise im SAP-Umfeld und Outsourcing-Kompetenz eingekauft. Darüber hinaus punkte HP damit, seine Servicekunden praktisch weltweit bedienen zu können. Das sei vor allem für Konzernkunden ein wichtiger Aspekt. Vor diesem Hintergrund sei HP auch für das kommende Cloud-Zeitalter gerüstet. Kürzlich eingeführte Services wie "HP Enterprise Cloud Services-Compute" zielten genau in diese Richtung. Kaiser sieht HP daher nicht im Hintertreffen, was die Entwicklung von Cloud-Angeboten betrifft. Auch Forrester- Analyst Matzke sieht HP in Sachen Services gut vorbereitet auf die Cloud. Angebote wie "Instant-on" wiesen schon heute den Weg. Außerdem betreibe der Konzern für viele Telecom- Provider die Abrechnungssysteme - eine Komponente, die im Cloud-Zeitalter noch wichtig werden dürfte. Befürchtungen, dass HP mit EDS zu Outsourcing-lastig und damit zu konservativ aufgestellt sei, teilt Matzke nicht. Mittlerweile sehe man auch bei HP das Outsourcing zunehmend kritischer, da damit kaum hohe Margen zu erzielen seien. Eine Servicelücke erkennt Matzke jedoch im Beratungsbereich. Hier seien IBM, Accenture und manche indischen Anbieter besser aufgestellt.

Diesen Vorwurf weist Apotheker zurück. Es habe vielleicht manchmal an der Geschwingigkeit gefehlt, nicht aber an der Fähigkeit, Innovationen hervorzubringen. Auch den Vorwurf, die Forschungsausgaben seien in Relation zum Umsatz zu gering, will der HP-Chef nicht gelten lassen. Angesichts der breit aufgefächerten Geschäftsfelder dürfe man nicht nur die absoluten Zahlen miteinander vergleichen: "Das verfälscht das Bild." So erfordere der Bereich Standard-PCs mit Wintel-Plattformen nur wenig Entwicklungsaufwand. Das Thema Entwicklung müsse differenzierter betrachtet werden. Nichtsdestotrotz kündigte Apotheker höhere Forschungsausgaben an. Dieser Posten werde im laufenden Jahr stärker wachsen als der Umsatz.

Das scheint auch dringend notwendig. "Die Glaubwürdigkeit in Sachen Innovationskraft - Stichwort Garagenmentalität - ist angeschlagen", sagt IDC-Analyst Spies. Verantwortlich dafür sei vor allem das rigide Kosten-Management unter dem Apotheker-Vorgänger Hurd. Der neue CEO trete in dieser Hinsicht ein schweres Erbe an. "Der Spaß ist raus aus der Company", stellt Spies fest. "Doch genau den bräuchte man, um wirkliche Innovationen und neue Produkte voranzubringen."