Hewlett-Packard: Back to Backend

24.10.2005
Mark Hurd hat in sechs Monaten an der Spitze des Unternehmens wenig verändert, aber viel bewegt.

Als Hurd vor rund einem halben Jahr zum Chef von Hewlett-Packard (HP) und Nachfolger von Carleton Fiorina berufen wurde, war der Manager für viele Beobachter ein unbeschriebenes Blatt. Kommentatoren waren sich nicht einig, ob sie dem vormaligen NCR-Chef die Prädikate "Schattenmann", "Nobody" oder schlicht "Zahlenmensch" anheften sollten. In einem Punkt waren sich aber alle sicher: Hurd hatte sich an der NCR-Spitze als Sanierer verdient gemacht, und einen solchen Manager schien HP bitter nötig zu haben. Der Vertrauensvorschuss fiel demzufolge groß aus - der Aktienkurs des IT-Konzerns schoss am Tag seiner Benennung um rund zehn Prozent in die Höhe.

Zukäufe zeigen den Weg

Die Softwaresparte ist das Sorgenkind von Hewlett-Packard (HP). Neun Quartale in Folge wurden Verluste erwirtschaftet. Im laufenden Berichtszeitraum soll die Gruppe jedoch Gewinne abwerfen.

In den vergangenen Monaten hat sich HP diverse kleine und mittelgroße Softwareunternehmen einverleibt, um gegenzusteuern. Begonnen hat der Konzern seine Einkaufstour noch unter Carleton Fiorina. Zuletzt wurde RLX Technologies geschluckt, einst ein Blade-Pionier und inzwischen Anbieter von Management-Tools für Server-Blades auf Basis von Linux. Mitte September übernahm HP den System-Management-Anbieter Peregrine Systems für rund 425 Millionen Dollar in bar. Am gleichen Tag wurde der Kauf von App IQ gemeldet, einem Spezialisten für Speicher-Management-Software. Die Übernahmen verdeutlichen, dass es der Konzern ernst meint mit dem Ausbau des Softwaregeschäfts. Was fehlt, wäre eine große Übernahme etwa im Format von Bea Systems.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

*81115: Entlassungen in Deutschland;

*79997: Das jüngste Quartal;

*78538: Analysten fordern neue Strategie;

*73503: Portrait von Mark Hurd;

*73133: Mark Hurds Ernennung zum CEO.

Hier lesen Sie …

• was Mark Hurd bei Hewlett-Packard in die Wege geleitet hat;

• wo ihm die Hände gebunden sind;

• was Hurd noch gelingen muss;

• wieso es mittelfristig nicht reicht, lediglich zurück zu den Wurzeln zu gehen.

Hurd ging mit einer hinderlichen Vorgabe des Verwaltungsrates ins Rennen: Alle Sparten sollen bestehen bleiben und profitabel wachsen. Das machte seine Arbeit nicht unbedingt leichter, da viele Analysten vehement die Abtrennung der PC- und/oder Druckerdivision forderten. Die Entscheidung des Rivalen IBM, sein PC-Geschäft nach China zu verkaufen, erhöhte noch einmal den Druck auf den CEO. Alles Flehen hat jedoch nichts geholfen, und in nahezu jedem öffentlichen Vortrag von Hurd kommt irgendwann der Punkt, an dem es heißt: "Wir trennen nichts ab, schon gar nicht PCs oder Drucker."

Ausnahmen von der Regel bildeten einige technische Nebenschauplätze sowie die schnelle Bereitschaft rund 14500 Stellen zu streichen. Allerdings machte Hurd auch nicht vor seinesgleichen Halt: Er tauschte die Emea-Spitze aus, warb mit Randy Mott einen neuen CIO von Dell ab und stellte den ehemaligen Palm-Chef Todd Bradley als Oberhaupt der PC-Sparte ein.

Generell bemühte sich Hurd, Profil zu erlangen, indem er Entscheidungen seiner Vorgängerin Fiorina öffentlichkeitswirksam revidierte - beileibe kein innovativer Management-Ansatz. Nach wenigen Monaten im Amt teilte er das Druckergeschäft und die PC-Sparte wieder in eigenständige Divisionen. Die Abteilungen waren erst Anfang 2005 von Fiorina zusammengelegt worden, um, so hieß es, Synergieeffekte zu erzielen. Auch der Ausflug in die Welt der MP3-Player als Partner von Apple fand ein jähes Ende. Dies habe sich nicht gelohnt, so Hurd nach rund einem Jahr der Allianz, weshalb der Verkauf von "iPod"-Geräten unter dem Label HP eingestellt wurde. Zumindest hier zeigt sich, dass der CEO konzernintern noch viele Prozesse straffen muss: Die Musik-Player werden entgegen den offiziellen Aussagen immer noch auf der US-Website von HP angeboten.

Hurd folgt dem Weg "zurück zu den Wurzeln"

Auch der strategische Fokus von Hurd ist nicht eben innovativ, sondern eher klassischen Zuschnitts - "zurück zu den Grundlagen". Diese wurden mitten in der Unternehmens-IT verortet: Auf einer Gartner-Konferenz vergangene Woche nannte Hurd explizit Server, Speicher und Management-Tools als Kerngeschäftsfelder des Konzerns. Zumindest scheint der krampfhafte Ausflug in die Gefilde der Unterhaltungselektronik relativiert worden zu sein, die vor zwei Jahren viele IT-Hersteller als Wachstumssegment gesehen hatten. Noch bietet HP in den USA auch Fernseher an, weil Konkurrent Dell eines Tages damit begonnen hatte.

Dabei sieht es in den "ernsthaften" IT-Feldern gar nicht einmal so schlimm aus, wie es zum Ende von Fiorinas Amtszeit den Anschein hatte. Viele Kennzahlen, etwa Umsätze in den einzelnen Sparten, befanden sich bereits zum Amtsantritt Hurds auf dem richtigen Weg. Der Konzern verbesserte sich, nur eben sehr langsam. Im jüngsten Quartal konnte HP sogar dem Erzrivalen Dell im PC-Bereich die Stirn bieten: Laut IDC steigerten die Texaner die Zahl der verkauften Rechner um 17,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert, HP hingegen verzeichnete einen Anstieg von 17,9 Prozent. Nach Gartners Berechnungsmethode steht HP mit einem Zuwachs von 18,5 Prozent sogar noch besser da als Dell, das sich um 17,6 Prozent verbessern konnte. Dass allein Hurds Taten den Aufwärtstrend eingeleitet haben, darf bezweifelt werden.

Im Druckergeschäft konnte HP zuletzt punkten, wenn auch nur durch eine Schwäche des Gegners. Wettbewerber Lexmark musste Anfang Oktober einräumen, die eigenen Prognosen im dritten Quartal meilenweit zu verfehlen.

Lexmark tut sich schwer im Preiskampf

Der Preiskampf hatte die geplanten Profite mehr als halbiert, die Lexmark-Aktie verlor am Tag der Gewinnwarnung ein Viertel ihres Wertes. Ursprünglich initiiert worden war dieser Wettlauf nicht von HP, doch der Konzern hat ihn letztlich aufgenommen, um den Marktanteil hoch zu halten. Dies schmälerte zwar die eigenen Margen, aber angesichts der kompletten Wertschöpfungskette längst nicht so stark wie bei Lexmark. Zudem hat sich Hurd durch schnelle Massenentlassungen in der Druckersparte zusätzlichen Spielraum bei den Preisen verschaft. Zumindest diesen Erfolg kann er sich auf die Fahnen schreiben.

Im Server-Bereich ist dem CEO zufolge Kontinuität angesagt: Itanium bleibe zweifellos die Highend-Plattform, "wir sind dem Support verpflichtet". Speicher laufen inzwischen passabel, und Software wird zunehmend wichtiger. Seit dem Sommer 2004 hat HP hier mehrere kleine Firmen geschluckt (siehe Kasten "Zukäufe zeigen den Weg"). Natürlich will Hurd auch die Beziehungen HPs zu den Kunden verbessern - alles andere als dieses Mantra wäre auch eine reichlich gewagte Strategie. Die Servicesparte erhielt die Weisung, dass die Umsatzsteigerung vorerst hinter dem Renditewachstum zurückzustehen habe.

Unter dem Strich bleibt nach sechs Monaten der Eindruck, dass sich bei HP zwar viel bewegt, aber wenig verändert hat. Zumindest die Wallstreet-Analysten sind zufrieden mit der Entwicklung. Der Kurs der HP-Aktie ist seit der Ankündigung, dass Hurd der neue CEO wird, um rund 40 Prozent gestiegen. Im Gegensatz dazu hat das IBM-Papier zirka acht Prozent an Wert verloren. Erklärt werden derartige Entwicklungen oft mit der "Phantasie" in einer Aktie. Hurd muss es gelingen, diese Phantasie auch auf die Marke HP und damit die Anwender zu übertragen.

Was zählt, ist Ruhe, Zuversicht und die Rendite

"Wir sind ein Technikunternehmen, und darauf konzentrieren wir uns", bekräftigte der CEO vergangene Woche. Immerhin hat er es geschafft, etwas Ruhe und Zuversicht in den Konzern zurückzubringen. Was Hurd noch fehlt, ist die Schärfung des Unternehmensprofils - aber bitte mit etwas mehr Fortune als seine Vorgängerin Fiorina. Diese hatte sich mit dem Kauf von Compaq in der Branche freischwimmen wollen. Sollte Hurd weiter auf Nummer Sicher gehen, bleibt HP noch die Zukunft eines Kistenschiebers mit schlankeren Prozessen, einem angeschlossenen Software- und Servicegeschäft sowie adäquaten Renditen im Niemandsland zwischen IBM und Dell. Mittelfristig kann dies die von Hurd umworbenen Aktionäre allerdings nicht zufrieden stellen.