Herstellerunabhängigkeit: Ist Unix für Sie ein gangbarer Weg?

11.09.1987

Die Anwender sollten ihre DV-Zukunft selbst in die Hand nehmen, ihre engen Herstellerbindungen abbauen und auf Hardware-Unabhängigkeit setzen. Das ist die Ansicht namhafter DV-Experten. Im Klartext: eine Entscheidung für Unix - und zwar nicht als Optimum aller denkbaren Möglichkeiten, sondern als einzige derzeit auf dem Markt verfügbare Alternative zu herstellerspezifischen Portabilitätskonzepten. COMPUTERWOCHE fragte Anwender nach ihrer Meinung.

Dr. Detlef Schmid

Leiter der wissenschaftlichen DV und Organisation, VAW Aluminium AG, Bonn

Selbstverständlich pro Unix eingestellt, ist in unserem Betrieb die Abteilung Hardwarebeschaffung; denn ein herstellerunabhängiges Betriebssystem bedeutet einen Freiraum für Kosten/Nutzen-orientierte Entscheidungen. Aber bei uns, in der wissenschaftlichen Datenverarbeitung, sehe ich keinerlei Anlaß für einen Systemwechsel: Wir sind auf absehbare Zeit mit unseren Vaxen unter VMS sehr gut bedient. Wir betreiben vor allem Anwendungsentwicklung, arbeiten also sehr nahe am Systemkern. Deshalb kämen außer den Hardware- und Software-Investitionen auch erhebliche Schulungskosten für die Mitarbeiter auf uns zu. Ohne Not sollten wir meiner Meinung nach eine so aufwendige Aktion nicht in Angriff nehmen.

DV-Leiter, Buch- und Pressegroßvertrieb, Hamburg

Aufgrund unserer Anwendungssoftware sind wir mehr oder weniger fest an VSE gebunden: Eine Umstellung des Betriebssystems würde bedeuten, daß wir die meisten der Investitionen, die in unserem Rechenzentrum stecken, in den Wind schreiben könnten. Außerdem hat es damit keine Not. Natürlich sind wir herstellerabhängig; aber diese Abhängigkeit hat doch nicht nur negative Aspekte. Von Vorteil ist beispielsweise, daß die Entwicklung von Hardware-Verbesserungen und von entsprechender Software ohne große zeitliche Verzögerung passiert. Außerdem bietet die IBM innerhalb ein und derselben Betriebssystemumgebung eine sehr breite Hardware-Spanne

an. Diese Aufwärtskompatibilität sehe ich mit anderen Betriebssystemen, zum Beispiel Unix, nicht gewährleistet.

Helmut Richter

DV-Leiter, AWFI GmbH, Berlin:

Ich selber bin ein ausgesprochener Unix-Fan; denn das Betriebssystem ist die einzige vernünftige Lösung, wenn es darum geht, eine Vielzahl von Arbeitsplätzen preiswert und unkompliziert zu verbinden. Allerdings hat das System auch Nachteile: Anforderungen, die über Standard-Applikationen hinausgehen, und insbesondere Echtzeitanwendungen oder grafikorientierte Benutzeroberflächen sind unter Unix im Mehrplatzbetrieb derzeit kaum realisierbar. Insofern gibt es sicherlich eine ganze Reihe von Anwendern, die mit Unix zur Zeit noch schlecht beraten wären. Allerdings sind die maschinenunabhängige Standardisierung des Betriebssystems und die leichte Übertragbarkeit von Software von unschätzbarem strategischen Wert für Benutzer und Systembetreuer.