Im vergangenen Jahr wurden zehn Anbietergruppen gegründet:

Herstellerstandards sind US-Usern suspekt

16.12.1988

MENLO PARK (IDG) - Mit wachsender Skepsis reagieren mittlerweile auch amerikanische Anwender auf die Standardisierungs-"Bemühungen" von Herstellervereinigungen. Eine Umfrage der CW-Schwesterzeitschrift Infoworld ergab: US-User bewerten solche Vereinigungen als ein "Vehikel für die Interessen der Hersteller".

Open Software Foundation (OSF), Archer Group (firmiert seit kurzem offiziell unter Unix International), EISA-Gruppe (Extended Industry Standard Architecture), Dbase Standard Committee, Open Token Foundation: Rund zehn Standardisierungsgruppen wurden in den vergangenen zwölf Monaten aus dem Boden gestampft - alle mit dem Ziel, Standards zu schaffen und damit Inkompatibilität sowie Marktkonfusion zu beseitigen. Doch wie in der Bundesrepublik Deutschland (siehe auch Thema der Woche: "DV-Chefs sind verärgert: OSF bremst Durchbruch von Unix", Seite 7), so werden auch in den USA Unmutsbekundungen von Usern immer lauter, werden die tatsächlichen Absichten solcher Interessengemeinschaften zunehmend in Frage gestellt. Vor allem, seit sich deutlich abzeichnet, daß die Mitarbeit der Kunden in der Regel nicht erwünscht ist.

"Ich habe nur wenig Vertrauen in solche Herstellergruppierungen, die scheinbar zum Wohle des Anwenders entstehen", erklärt Alex Kask, Mikrocomputermanager bei Ernst & Whinney in New York. Paul Fortier, vom Büro für Informations-Dienstleistungen im Bundesstaat Maine, fügt hinzu: "Solche Vereinigungen sollten sich aus Anwendern zusammensetzen und nicht aus Herstellern, die ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen." Die Standards nämlich würden durch den Markt gesetzt und nicht durch Anbietergruppierungen.

Bestes Beispiel für sinnloses Hersteller-Hickhack sei der derzeitige Kampf zwischen OSF und Unix International um den zukünftigen Unix-Standard. Der neue Auftrag des Verteidigungsministeriums ging an AT&T, und diese Entscheidung, so Fortier, werde mehr in Sachen Unix-Standardisierung bewirken, als irgendeine Gruppierung dies könne.

Unterschiedlich sind die Reaktionen der Anwender zur Formierung der EISA-Gruppe, die verhindern will, daß IBMs Mikrokanal (MCA) der PC-Bus der Zukunft wird. So sehen manche in der EISA-Gruppierung eine unnötige Verkomplizierung eines Marktes, der sich gerade geeinigt hatte. Nollie Mattox, Information Manager bei Media General in Richmond: "Der PC-Markt braucht nicht noch mehr Konfusion. Die negativen Bemerkungen zu IBMs MCA kamen bislang überwiegend von Big Blue-Kontrahenten - nicht jedoch von den Usern. Solange die Software kompatibel ist und Peripheriegeräte zur Verfügung stehen, machen wir uns keine Gedanken."

Anderen erscheint hingegen die EISA als Retter in der Not: Sie bewahre den Anwender vor einer Zukunft a la IBM, vor hauseigenen Lösungen, die enge technische Grenzen setzen. So hält Paul Fortier EISA für eine gute Idee, denn diese Vereinigung sei die Antwort auf das Zögern des Marktes, IBMs Mikrokanal anzunehmen. "Der Markt hat gesagt, wir können unsere installierten Systeme nicht ignorieren, wir brauchen eine Alternative."