Intranet-Zwischenbilanz/Den ganz banalen Problemen der Anwender weit voraus

Hersteller setzen langfristig auf Intranet-Strukturen

04.07.1997

"Der eigentliche Intranet-Boom geht erst in den kommenden Jahren richtig los", glaubt Ingo Winkler, Produkt-Manager für neue Medien bei der Olivetti GmbH in Frankfurt. "Die Kunden haben mittlerweile den Nutzen von Intranets erkannt und können das System im Hinblick auf ihre eigene Infrastruktur gedanklich richtig umsetzen."

Auf dem Wort "gedanklich" liegt die Betonung. Ein zu erwartender Intranet-Boom wird sich nach Ansicht von Winkler nicht nur auf die Hard- und Software-Umsätze der Anbieter auswirken, sondern auch die Nachfrage nach qualifizierten Beratern erhöhen, die Kunden beim Aufbau eines Intranet zur Seite stehen. "Intranets basieren zwar auf Standardkomponenten, sind aber dennoch keine Lösungen von der Stange", so der Olivetti-Mann. "Ein professionelles Consulting ist daher die Voraussetzung für ein erfolgreiches Intranet."

Bei Olivetti ist die auf IT-Services und Lösungen spezialisierte Tochtergesellschaft Olsy für das Intranet-Consulting zuständig. Am Daimler-Benz-Standort Untertürckheim baute das Unternehmen beispielsweise ein Intranet auf, das die Versorgung der rund 17500 Mitarbeiter mit firmeninterner Information verbessern soll.

Dazu hat Olsy 42 Kiosksysteme an verschiedenen Punkten des Produktionsbetriebes plaziert und in das Firmennetz eingebunden. Über den Touchscreen des Kiosksystems können die Mitarbeiter jederzeit die angebotenen Rubriken abfragen und die für sie relevanten Themen öffnen. Inhalte des Mitarbeiter-Informationssystems sind beispielsweise tagesaktuelle Interna aus dem Konzern, ein umfangreicher Stellenmarkt oder der Speiseplan der Kantinen.

"Diese Art von Kiosksystem eignet sich auch für den Einsatz im Support oder für die Informationsverteilung an Kunden", erklärt Winkler. So könne ein Autohaus beispielsweise ein solches System zur Kundeninformation im Eingangsbereich aufstellen. Über einen Intranet-Anschluß des jeweiligen Autoherstellers ließen sich Online-Informationen des Konzerns abrufen.

Außerhalb der Schalterstunden könnte der elektronische Kiosk auch die verabredete Wageninspektion vorbereiten. Am Touchscreen oder über ein Mikrofon mit Spracherkennungssystem ließe sich ein elektronischer Auftrag erteilten oder ein notwendiger Fragebogen ausfüllen.

Der Kunde könnte so seinen PKW genau dann abliefern, wenn es in seinen Zeitplan paßt, ohne sich an die Arbeitszeiten in der Werkstatt halten zu müssen. Das fördert nicht zuletzt die Kundenbindung.

Erst am Beginn einer weitgreifenden Entwicklung sieht auch Michael Döge, Marketing-Manager Network Computing Solu- tions bei IBM in Frankfurt, das Intranet. Seiner Meinung nach bilde es vor allem die Grundlage für Teamarbeit, analog zu Groupware-Paketen wie Lotus Notes oder Domino.

Auch Döge rechnet damit, daß die Zunahme der Telearbeit und die Bildung von projektgebundenen Arbeitsgruppen immer mehr Unternehmen dazu zwinge, ernsthaft über die Einrichtung von Intranets nachzudenken. Nur so ließen sich vorhandene Potentiale ausschöpfen und Produktivitätssteigerungen erzielen.

Obwohl sich erst eine kleine Zahl effizienter Intranets im Einsatz befindet, spricht Döge bereits von der nächsten Entwicklungsstufe, dem Extranet. Hier werden die jetzt meistens noch geschlossenen Intranet-Strukturen von Unternehmen und Geschäftskun- den verknüpft.

Auf diese Weise lassen sich firmenübergreifend verschiedene Applikationen nutzen, um Abläufe zu beschleunigen oder zu rationalisieren. So kann beispielsweise für ein Abrechnungssystem zwischen Dienstleistern und Kunden eine gemeinsame technologische Plattform für ein Abrechnungssytem entstehen.

Für das Intranet gibt es nach Darstellung von IBM keinen festen Rahmen, sondern zahlreiche Optionen und Schnittstellen zu anderen Anwendungen, wobei das größte Potential in den Geschäftsanwendungen stecke. Darum sei, so Döge, das Intranet unter dem Begriff des professionellen Network-Computings zu fassen, wobei es keine Rolle spiele, wo die Anwendungen letztendlich residieren.

"Wir stehen heute vor einem Paradigmenwechsel. Denn wer sich bislang darum kümmern mußte, an Informationen zu gelangen, erhält diese heute via Intranet", so der Marketing-Spezialist. Das biete aber Unternehmen auch die Chance, ihren Mitarbeitern heute Informationen gezielt zukommen zu lassen und bereits im Vorfeld nach bestimmten Kriterien zu filtern.

Außer der Entstehung von Web-Agenturen, die im Auftrag eines Kunden das Internet nach Informationen absuchen, prophezeit Döge Informations-Manager, die im Intranet den Informations-fluß steuern und bestimmten Mitarbeitern die für sie relevanten Daten und Dokumente automatisch zustellen. Auf diese Weise lasse sich verhindern, daß durch die aufwendige Suche nach ge- zielter Information im Intranet produktive Arbeitszeit verlorengeht.

Angeklickt

Momentaner Hit unter den Anwendungen im Intranet ist der Speiseplan. Das zeigt, daß Anwender zwar von der neuen Technik unternehmenseigener Netze wissen, aber auffallende Zurückhaltung bei einer breiten Umsetzung üben. Schließlich gibt es bereits jetzt für fast alles halbwegs funktionierende Applikationen. Warum und zu welchem Zweck also schon wieder alles ummodeln? Nichtsdestotrotz brauchen Anwender aber mehr Beratung und praxisrelevante Vorschläge, denn oft klafft eine Lücke zu den manchmal überbordenden Phantasien der Anbieter auf.

*Petra Adamik ist freie Journalistin in München.