Terminologie-Wirrwarr macht Bürotechnik undurchsichtig:

Hersteller schwatzen Kunden "ihre" Lösung auf

26.05.1989

Das Feld der Bürokommunikation ist hart umkämpft. Auf der einen Seite liefern sich die "DV-Strategen" innerbetriebliche Scharmützel wie die optimale BK-Lösung auszusehen hat. Auf der anderen Seite tobt bei den Hersteller der Kampf um die Marktnische Bürokommunikation. Grund: Rückläufige Gewinne zwingen dazu, mehr Ware an den Mann zu bringen. Die Zeche zahlt der Kunden. Seine Wünsche bleiben oft auf der Strecke.

Nach wie vor herrscht ein Begriffswirrwarr bei "Bürokommunikation",

"Bürosystemen", "Integration" und so weiter. Es gibt bisher keinen Konsens zwischen Anwendern, Herstellern Beratern und einschlägig arbeitenden Wissenschaftlern über diese Begriffe. Gleichwohl unterstellen manche Promoter der "neuen Bürotechnik" vorab eine ganze Reihe von möglichen positiven Auswirkungen, als verfüge diese Technik über eine eingebaute Humanisierungsautomatik: sie führe zum Abbau von Hierarchie, zu größerer Ganzheitlichkeit bei der Aufgabenabwicklung, zu mehr Beteiligung von Arbeitnehmern und Betriebsräten bei der Systemgestaltung sowie zu verbesserten Qualifizierungschancen für die Endbenutzer. Aussagen über Gestaltungsspielräume und Auswirkungen der "neuen Bürotechnik" bleiben aber so lange auf der spekulativen Ebene, wie nicht in der betrieblichen Praxis konkrete Nutzungskonzepte sichtbar werden, die trennscharf voneinander abgegrenzt und systematisch untersucht werden können.

So stehen sich gegenwärtig über die vermuteten Auswirkungen der Bürokommunikation zwei widersprüchliche Thesen gegenüber:

- Einerseits die These, daß die neuen Bürotechniken außerordentlich flexibel und bedarfsgerecht einsetzbar seien und große Gestaltungsfreiheiten am Arbeitsplatz eröffneten. Von daher seien gegenwärtig in den Büros Experimentiermöglichkeiten im Sinne sozialverträglicher Technikgestaltung gegeben.

- Andererseits die These, daß der Aufbau von betrieblichen und überbetrieblichen Netzarchitekturen "Systemzwänge" schafft, die vorhandene Handlungsfreiräume bei der Nutzung der Bürotechniken einengen werden.

Hier offenbart sich die Janusköpfigkeit der Bürokommunikation: In der ersten These steht die Definition des Bürosystems als Werkzeugkasten, also die Multifunktionalität der angebotenen technischen Konzepte im Vordergrund, die zweite These hebt auf den Vernetzungsaspekt ab. Der Begriff "Integration" kann sich auf beide Qualitäten dieser Technik beziehen: Im multifunktionalen Bürosystem sind verschiedene Funktionen in einer Software integriert, das heißt, sie können an einem Bildschirm bearbeitet werden. Daneben lassen sich derartige multifunktionale BK-Softwarepakete über Softwareschnittstellen auch mit anderen dezentralen und zentralen Anwendungssystemen integrieren, also vernetzen.

Bei den technischen Konzepten der Hersteller sind in jedem Fall beide Aspekte zu betrachten: Sie eignen sich - in unterschiedlicher Weise - zur flexiblen Technikgestaltung mit Hilfe des Werkzeugkastens (Arbeitsplatz-/Abteilungsrechner), daneben sind sie aber auch als Vernetzungstechnologien geeignet (abteilungsübergreifende, gesamtbetriebliche, überbetriebliche Ebene), und diese Qualität steht gegenwärtig bei der Entwicklung betrieblicher Strategien zur Bürokommunikation im Vordergrund. Daß diese beiden Eigenschaften der angebotenen Technologien in einem konfliktträchtigen Verhältnis zueinander stehen, darf nicht übersehen werden. Aus dieser konfliktträchtigen Janusköpfigkeit erklärt sich ein großer Teil der Schwierigkeiten in den Anwenderbetrieben, diese Technik zu organisieren, da sich sehr unterschiedliche betriebliche Interessen in unterschiedlichen Konzepten zur Nutzung dieser Technik niederschlagen (zum Beispiel Anwendungsorientierung versus lnfrastruktursystem).

Für die Hersteller ist die anstehende Vernetzung ein neuer Markt, der dringend eröffnet werden muß, da sie angesichts des Preisverfalls und steigender Leistungsfähigkeit bei der Hardware immer größere Mengenumsätze brauchen, um ihre Gewinne zu halten.

Auf die außergewöhnlich hochgesteckten Umsatzerwartungen der Computerbranche sind die internen Strukturen der Hersteller hin organisiert: Der früher gesamthafte Verkaufsakt (Vertrieb, Hardware-/Software-Support, Beratung, Schulung) wurde entbündelt, in einzelne Produkte zerlegt und einzeln vermarktet, das heißt, der Anwender hat sie extra zu bezahlen. Das entsprechende Herstellerpersonal ist in eigenen "Profitcenters" zusammengefaßt und hat auch nach eigenen Vorgaben seinen Umsatz zu steigern. Dies erhöht die Abhängigkeit aller Instanzen vom Vertrieb, denn die Umsatzvorgaben (zum Beispiel für Schulung) sind kaum zu erfüllen, wenn der Vertrieb seine Umsätze nicht erhöht und Schulung mit anbietet. Die zentrale Stellung des Vertriebs und die Vertriebsorientierung der Hersteller nehmen eher zu als ab.

Daneben sehen die Herstellen angesichts sinkender Hardware-Erträge die Ausweitung ihres Marktes vor allem bei den Dienstleistungen (Beratung, Software, Schulung). Der Vertrieb selbst soll beratungsintensiver werden, es werden ihm ausgeklügelte Argumentationsstrategien, Verfahren zur Entscheidungsvorbereitung und -begründung (Bedarfs-, Kommunikations-, Kosten/Nutzen-Analysen) an die Hand gegeben. Sollte es ihm aber nicht gelingen, diese immateriellen Produkte mitzuverkaufen, zum Beispiel weil er einen Mitbewerber unterbieten muß, dann können die übrigen Profitcenters beim Hersteller auch diese Aufträge noch hereinholen, wenn der Kunde erst einmal festgestellt hat, daß er ohne bestimmte notwendige Dienstleistungen nicht arbeiten kann.

Aber selbst wenn es dem Vertrieb gelungen ist, Dienstleistungen mit zu verkaufen, ergeben sich hier manchmal Probleme, die die Anwender auszubaden haben: Der Aufblähung der Vertriebsmannschaften steht oft eine Personalknappheit in anderen Profitcenters gegenüber. Die Consultants und Softwaremannschaften sind überlastet und werden hauptsächlich zu strategischen Kunden an die Front geschickt, oder sie werden zur Abwicklung von gut honorierten Dienstleistungsverträgen eingesetzt. "Weniger wichtige" Kundenanforderungen müssen dann warten.

Trotz des starken Vertriebsdrucks auf die Großanwender entwickelt sich der Markt für Bürokommunikation und Vernetzung seit Jahren nicht nach den Erwartungen der Hersteller. Marktforschungsuntersuchungen zeigen, daß auch Großbetriebe von der Entwicklung ganzheitlicher Konzepte zur Bürokommunikation zumeist noch weit entfernt sind und der Technikeinsatz dementsprechend stagniert. Es wird nach Gründen für diesen "Anwendungsstau" gesucht, nach Hemmnissen, die ebenfalls zumeist auf technischer Ebene vermutet werden.

Das wichtigste Hemmnis für den stärkeren betrieblichen Einsatz von integrierter Bürotechnik besteht in der zu starken Markt- und Produktorientierung der Hersteller selbst. Schon sprachlich zeigt sich, daß Hersteller ihre Anwender ausschließlich unter einem verkürzten Blickwinkel wahrnehmen: Der Anbieter muß dem Markt, dem Kunden seine Produkte mittels Werbestrategien (Kosten bagatellisieren, Nutzen übertreiben) plausibel machen und verkaufen. Dieses schlichte, marktvermittelte Modell des Hersteller-Anwender-Verhältnisses erklärt, daß die Hersteller über den Anwender in der Regel überraschend wenig wissen: Außer Penetrationsraten, Marktanteilen und Wachstumsraten ihrer Büroprodukte scheint sie sonst wenig zu interessieren.

Mit dieser verkürzten Orientierung auf Markt und Produkte sind Hersteller kaum in der Lage, im Bezugssystem der Anwender zu denken: Produkte zur Bürokommunikation, Dienstleistungen wie Organisationsberatung, Projektmanagement und so weiter kann man nicht verkaufen wie zum Beispiel Kühlschränke, weil sie bei den Anwendern völlig neuartige Probleme aufwerfen. Bürokommunikation als Vernetzungstechnologie hat für den Anwenderbetrieb erhebliche betriebspolitische Bedeutung, die unterschiedliche Interessen tangiert.

Der Kunde ist nur höchst selten ein einzelner Kaufentscheider. Es gibt deren viele im komplexen sozialen Geflecht eines Betriebes. Die von den Herstellern besonders umworbenen Großbetriebe (großes Marktvolumen) weisen höchst unübersichtliche, historisch gewachsene soziale Strukturen auf. Verschiedene Hierarchie-Ebenen mit unterschiedlichen formellen und informellen Entscheidungskompetenzen müssen sich über ihre unterschiedlichen Interessen am Einsatz einer umfassenden technischen Infrastruktur und verbindliche Regelungen dafür einigen. Die Entwicklung eines Gesamtkonzepts zur Bürokommunikation ist mit einer Managemententscheidung noch nicht geleistet. Erst danach beginnt ein langwieriger betrieblicher Aushandlungsprozeß, dem Hersteller zumeist wenig Aufmerksamkeit schenken.

Großbetriebe treffen gegenwärtig auf Managementebene zentrale Entscheidungen zu den betrieblichen Vernetzungsstrategien und schaffen die organisatorische Infrastruktur zur deren Durchsetzung. Diese Infrastruktur-Entwicklung wird durch einen komplexen Prozeß geprägt, in dem eine Vielzahl von Faktoren, (wechselnde) Beteiligte und ständig neue Konzepte unvorhersehbare Rollen spielen, zum Beispiel

- Fusionen, Umstrukturierungen,

- Rationalisierungsmaßnahmen und neue Geschäftspolitiken,

- Impulse von außen (Unternehmensberater, Hersteller),

- innerbetriebliche Machtkämpfe,

- neue Produkte verschiedener Hersteller,

- strategische Anwenderentscheidungen zu Hard- und Software.

Dementsprechend lange dauert die Konzeptentwicklung zur Bürokommunikation. Einige Unternehmen beschäftigen sich seit mehr als vier Jahren mit diesem Thema. Schriftlich festgelegte, mit allen Beteiligten abgestimmte Vorhabenspläne sind gleichwohl erst bei wenigen Großbetrieben vorhanden.

Die großen Schwierigkeiten eines Aushandlungsprozesses um die Entwicklung einer umfassenden technisch-organisatorischen Infrastruktur werden offensichtlich, wenn man sich kurz vor Augen führt, welche Fraktionen in einem Großbetrieb von derartig umfassenden Projekten betroffen sind und in den betrieblichen Aushandlungsprozeß in irgendeiner Weise einbezogen werden müssen (Abbildung 1).

Dieses stilisierte "Org-Chart" ist natürlich eine vereinfachte Darstellung der Verhältnisse: Es gibt eine Vielzahl zentraler und dezentraler DV/Org.-Bereiche sowie eine Vielzahl (unterschiedlich mächtiger) Fachabteilungen, ein Geflecht von Unternehmenstöchtern, Standorten und Werken, die unterschiedliche Hardware-Landschaften und Anwendungen haben, woraus sich sehr unterschiedliche Notwendigkeiten und Interessen an einer gesamtbetrieblichen Vernetzung oder an der Bürokommunikation ergeben. Und oft sind noch in einer einzelnen Fachabteilung - entsprechend der dort vorhandenen gemischten Hardware-Landschaft - mehrere Hersteller aktiv.

Ganz offensichtlich sind die Hersteller nur eine Fraktion in diesem Aushandlungsprozeß. Ihr Einfluß ist sehr unterschiedlich, je nachdem, wie intensiv der Anwender (das Management?, die zentrale DV/Org.?, die Fachabteilung?) ihn in diesem vielstimmigen Konzert mitspielen läßt. Es entstehen Bündnisse zwischen Zentralisten bei Anwender und Hersteller einerseits und deren Gegnern andererseits, die weiterhin um Unabhängigkeit von zentralen technischen Infrastrukturen und um eigene organisatorische Kompetenzen kämpfen. Mit Hilfe solcher taktischen Bündnisse mit Zentralisten oder Fachabteilungen versuchen die Hersteller, die betrieblichen Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Angesichts dieser Vielfalt von betroffenen und beteiligten Fraktionen stellt sich die Frage: Wie kommen die Betriebe zu einem ganzheitlichen Informationsmanagement? Die auf Kongressen und in der Fachpresse immer wieder erörterten Vorschläge laufen oft auf die allzu schlichte Vorstellung hinaus, das Management möge dem Unternehmen "par ordre deu mufti" ein möglichst von einem renommierten Unternehmensberatungsinstitut optimiertes Gesamtkonzept verordnen, das ein hochaufgehängter, mit Weisungskompetenz versehener "lnformations Manager" Schritt für Schritt im Unternehmen durchsetzt. In Einzelfällen wurde von derartigen Versuchen des Managements berichtet - mit dem Ergebnis des "grandiosen Scheiterns". ("Das war die Stunde der Dschungelkämpfer. ")

Ein im Hinblick auf Akzeptanz mehr Erfolg versprechender Weg ist die Organisation eines Aushandlungsprozesses zwischen allen betroffenen Fraktionen, und dieser Weg wird in der Tat in den meisten der von uns untersuchten Unternehmen inzwischen beschritten. Es werden Lenkungsstäbe, Koordinierungsgremien, Projektgruppen und Pilotprojekte eingerichtet, die in langwierigen Entscheidungsverfahren zu abgestimmten Gesamtkonzepten kommen sollen, in die die Interessen aller bisher zuständigen Kompetenzträger einfließen können.

Zielsetzung und Organisationsstrukturen solcher innerbetrieblicher Vermittlungsinstanzen im Aushandlungsprozeß können in einzelnen Betrieben sehr unterschiedlich aussehen. Abbildung 2 zeigt die besonders komplexe Projektorganisation eines Konzerns.

Nicht in allen Betrieben sind derartig viele Gremien am Aushandlungsprozeß um das Gesamtkonzept beteiligt. Dies ist nicht zuletzt eine Frage der Beteiligungsnotwendigkeiten, wobei die historisch gewachsenen Machtstrukturen zwischen den Zentralabteilungen und den Fachabteilungen und die Firmenkultur wichtige Rollen spielen. Ziel des Aushandlungsprozesses um ein Gesamtkonzept zur Vernetzung ist ja keineswegs nur die gemeinsame Erarbeitung eines Konzepts zur Bürokommunikation. Daneben geht es immer auch um eine Umgestaltung von Hierarchien, zumindest um die Veränderung der Kompetenzverteilung zwischen Zentralbereichen und Fachabteilungen.

So wird denn im Laufe dieses Aushandlungsprozesses um eine unternehmensweite Infrastruktur zumeist die Aufgabenverteilung zwischen den historisch gewachsenen Planungsinstanzen (Zentrale DV-Planung, allgemeine Organisation und Textverarbeitungsorganisation, Fachabteilungsleiter) neu geregelt. Diese Neuregelung betrifft nun wiederum die im Unternehmen aktiven Hersteller Hatten die klassischen Planungsinstanzen früher jeweils eigenständige Kontakte zu (unterschiedlichen) Herstellern, so werden nun mit der Umverteilung von Zuständigkeiten auch die Herstellerkontakte neu geordnet. Die verstreuten Planungskompetenzen werden in neuen Organisationseinheiten (zum Beispiel Abteilung Büroautomation) zusammengefaßt, die zumeist beim zentralen DV-Bereich aufgehängt sind. Die Kontakte zu den Herstellern werden mehr oder weniger restriktiv kontrolliert.

Auf der Ebene der Fachbereiche besteht natürlich der Wildwuchs unterschiedlicher, teilweise inkompatibler Systeme weiterhin fort. Es ist noch nicht ausgemacht, ob die langfristige Strategie der zentralen Planer, über die Kontrolle neu zu beschaffender Systeme die Kompatibilität der gesamten Rechnerstruktur sicherzustellen, Erfolg haben wird, denn die Fachbereiche entwickeln (gemeinsam mit bestimmten Herstellern) Widerstandsstrategien, mit denen Zentralentscheidungen unterlaufen werden können. Es ist also damit zu rechnen, daß die Rezentralisierung von Planungskompetenzen nur sehr langfristig zum gewünschten Ergebnis der vollen Kompatibilität zur Rechnervernetzung führen wird.

Die Entwicklung dieser gesamtbetrieblichen Infrastruktursysteme zur Bürokommunikation bewegte sich in den letzten Jahren auf einer "strategischen Schlangenlinie" und ist in den meisten Anwenderbetrieben immer noch im Fluß: Die Lenkungsstäbe verhandeln noch, die Projektgruppen experimentieren mit Pilotprojekten, verändern die "Gesamt-Vorhabenspläne" und manches Pilotprojekt versteinert, weil der daraus entwickelte Rahmenplan noch der Absegnung durch eine strategische Entscheidung von oben harrt. Zuweilen gibt es auch abrupte Veränderungen in der bereits eingeschlagenen Firmenstrategie, wenn zum Beispiel eines unserer Fallstudienunternehmen durch Fusion mit einem anderen Unternehmen sich an einer völlig anderen Firmenkultur orientieren muß und die Spezialisten im konzernübergreifenden Arbeitskreis Bürokommunikation ausgewechselt werden.

Die betriebliche Entwicklung der Bürokommunikation geht von sehr verschiedenen Bezugssystemen und Problemlagen bei Anwendern und Herstellern aus:

Die Anwenderbetriebe befinden sich in einer Umbruchsituation. Die Entwicklung von Infrastruktursystemen und der Umbau von Organisationsstrukturen verursacht großen personellen und finanziellen Aufwand, verbunden mit innerbetrieblichen Konflikten um die Umverteilung von Kompetenzen. Bei den Nutzungskonzepten für Bürokommunikation besteht oft noch Unklarheit wie und wozu diese Technik verwendet werden soll.

Die Hersteller stehen unter starkem Konkurrenzdruck und suchen neue Märkte. Sie sehen die Anwenderbetriebe unter dem Blickwinkel ihrer Absatzinteressen. Die strukturellen Gegebenheiten in den Betrieben sind für die Hersteller nur insofern von Interesse, als sie als faktische Rahmenbedingungen in die Absatzstrategien mit eingehen und aktiv beeinflußt werden. Die Entwicklung von sinnvollen Organisationskonzepten und menschengerechten Nutzungskonzepten zum Einsatz von integrierter Bürotechnik liegt eher im betrieblichen Interesse als in dem der Hersteller.

Den unterschiedlichen Formen der Anwender-Hersteller-Kooperation kommt in dieser Phase der Bürorationalisierung einige Bedeutung zu. Vom Ergebnis dieser vielfältigen Kontakte zwischen Anwendern und Herstellern wird wesentlich abhängen, welche Gefahren und Chancen diese Technik hinsichtlich der Humanisierung der Büroarbeit bietet.

Bisherige Einblicke in bestimmte Felder der Anwender-Hersteller-Kontakte bei Planung, Implementierung und Qualifizierung haben einige Gefahren aufgezeigt:

Bei der Planung:

- Der Vertriebsdruck bei den Herstellern beschleunigt tendenziell die in den Betrieben anstehenden Entscheidungen. Mit Hilfe taktischer Expertenbündnisse werden bestimmte Weichen für die Gestaltungskonzepte zur Bürokommunikation gestellt, die dem innerbetrieblichen Aushandlungsprozeß damit entzogen werden. Unter Berufung auf den "Sachzwang Kompatibilität" werden bestehende Hardware-Abhängigkeiten hingenommen und Alternativen oft ungeprüft ausgeschieden.

- Die getrennte Entwicklung von Infrastruktursystemen und Anwendungssystemen erzeugt Medienbrüche in großem Stil. Die bedarfsgerechte Infrastruktur kann so nicht entstehen.

- Die Rezentralisierung von DV-Kompetenzen kann zur Einschränkung der Entscheidungsautonomie der Fachabteilungen bei der Entwicklung ihrer Anwendungen führen.

- Viele der immateriellen Produkte der Hersteller sind gestaltungsrelevant. Angebote wie komplette Projektabwicklung, Einrichtung eines Benutzerservices oder Schulungsbedarfsanalyse haben organisatorische Auswirkungen, die schwer kontrollierbar zwischen Herstellern und betrieblichen DV-Planern vorentschieden und geprägt werden. Die Unterausstattung vieler DV-Abteilungen mit organisatorischer und sozialer Kompetenz trifft auf Hersteller, die sich auch hier als "Problemlöser" versuchen.

- "Expertenkartelle" haben zur Folge, daß die geplanten technisch-organisatorischen Lösungen und deren Folgen für die Betriebsräte undurchschaubar werden. Ihre Beteiligung am innerbetrieblichen Aushandlungsprozeß ist eher die Ausnahme als die Regel.

Bei der Implementierung:

- Bedarfsgerechte Anwendungsentwicklung kann erst nach dem Hardwarekauf stattfinden. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die beschafften Softwareprodukte einer optimalen Anpassung an abteilungsspezifischen Bedarf oder auch individuelle Bedürfnisse überhaupt noch zugänglich sind. Mit dem Kauf eines Standardprodukts gibt der Betrieb den Einfluß auf wichtige betriebliche Entwicklungen aus der Hand.

- Vorwegnahme der Systemgestaltung durch DV-Expertenkartelle mit nur marginaler Beteiligung der Benutzer als Informationslieferanten und bei der Fehlersuche. Es besteht die Gefahr, daß Prozesse mit einschneidenden Folgen für die Beschäftigten der innerbetrieblichen Interessenauseinandersetzung und der Beteiligung der Betroffenen entzogen werden.

- Schwierigkeiten der Durchsetzung von Benutzerforderungen bei großen Herstellern.

Bei der Qualifizierung:

- Standardkonzepte zur Bürokommunikation können zu kurzfristigen Bedienereinweisungen führen.

- Analyse, Aushandlung und Festlegung des Schulungsbedarfs finden oft ohne Beteiligung der Betroffenen statt. Eine optimale Anpassung an die Erfordernisse des Arbeitsplatzes wird so verhindert.

- Die Vertragsförmigkeit kommerzieller Schulung führt zu einem determinierten Ablauf, der wenig Raum für die Berücksichtigung spezifischer Wünsche läßt.

Das breite nutzenunspezifische Potential integrierter Bürotechnik kann nur bedarfsgerecht und benutzerorientiert entfaltet werden, wenn eine langsame, beteiligungsorientierte Anwendungsentwicklung ermöglicht wird. Dies ist in erster Linie ein sozialer Prozeß zwischen vielen Beteiligten und kann nicht durch Kontakte zwischen Planern bei Anwendern und Herstellern ersetzt werden.

Vorerst weisen unsere Ergebnisse darauf hin, daß es eine "eingebaute Humanisierungsautomatik" bei der Einführung von integrierter Bürotechnik nicht gibt. Vielmehr muß ein Innovationsverständnis, das sich stärker auf soziale Prozesse bezieht, immer neu gegen eine zu enge Technikorientierung durchgesetzt werden.

Methoden und Zielgruppen:

Expertengespräche und Fallstudien in 30 großen und mittleren Industriebetrieben der Branchen: Automobilindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, Chemie- und Energieunternehmen. Pro Betrieb wurden im Durchschnitt drei, manchmal bis zu 15 verschiedene Personen befragt Zentraler Org./DV-Bereich, Fachabteilungen, Bildungswesen, Betriebsrat und örtliche Gewerkschafter, Schreibdienstleiterinnen und Schreibkräfte). Zusätzlich zu jedem Betrieb ein bis zwei Herstellervertreter (Vertrieb, Software/Support, Organisationsberatung).

Das Projekt:

"Kooperationsbeziehungen zwischen Anwendern und Herstellern bei Planung, Implementierung und Qualifizierung für integrierte Bürotechnik" (Förderkennzeichen 01 HK 066/8) wird gefördert vom Bundesministerium für Forschung und Technologie im Rahmen des Programms "Humanisierung des Arbeitslebens". Es wird durchgeführt von Ursula Jacobi, Alte Schule, 8911 Finning, und Gert Fieguth, Hauptstr. 23, 8911 Finning. Das Projekt läuft seit August 1986 und wird im August 1989 abgeschlossen.

Ziele des Projekts:

- Untersuchung der vielfältigen Kontakte zwischen Anwendern und Herstellern bei Planung, Einführung und Qualifizierung für integrierte Bürotechnik.

- Auswirkungen dieser Kontakte auf die Veränderung betrieblicher Entscheidungsstrukturen, auf die Entwicklung von Einsatzkonzepten und Einführungsstrategien, auf die Beteiligungschancen für Arbeitnehmer und ihre Interessenvertreter und schließlich auf die Gestaltungschancen für Technikeinsatz und Techniknutzung am Arbeitsplatz.