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Henning Kagermann versucht den Spagat zwischen R/3 und ESA

13.05.2004
SAP hat auf der Sapphire in New Orleans erstmals eine Roadmap für seine Enterprise Service Architecture genannt: 2007 soll die gesamte mySAP Business Suite angepasst sein.

"Nur die Kosten zu senken, ist keine Strategie", lautete die Eröffnungsthese von SAP-Chef Henning Kagermann zu Beginn seiner Keynote anlässlich der Kundenveranstaltung Sapphire 2004. Fast Dreiviertel aller Unternehmen, die Anfang der 90er Jahre die Kostenbremse als oberste Priorität angesehen hätten, sei es nicht gelungen, in den darauf folgenden Jahren wieder den Wachstumsmotor anzuwerfen. Gleiches könnte wieder passieren, warnte der Vorstandssprecher die rund 8000 Zuhörer im Morial Convention Center in New Orleans.

Auch SAP hat die Kostendebatte zu spüren bekommen. "Die vergangenen Jahre waren nicht einfach", räumte Kagermann ein. Das Gleiche gelte jedoch auch für die CIOs in den Unternehmen. Diese steckten nach wie vor in dem Dilemma, auf der einen Seite mit einem meist begrenzten Budget haushalten, aber andererseits Wachstumschancen für ihre Firmen eröffnen zu müssen.

Einen Weg aus dieser Zwickmühle will Kagermann mit Hilfe der SAP-Lösungen aufzeigen. Im Zentrum steht dabei die auf der Integrationsplattform Netweaver basierende Enterprise Service Architecture (ESA). Die Walldorfer planen im Rahmen dieser Initiative, ihre Software künftig stärker zu modularisieren. Die einzelnen Bausteine sowie Applikationen von Drittanbietern sollen sich via Netweaver verknüpfen lassen. Den Anwendern verspricht Kagermann damit einen verbesserten Zugriff auf Unternehmensdaten sowie eine größere Flexibilität, Änderungen von firmeninternen Prozessen zügig auf der IT-Seite abbilden zu können.

Erstmals hat SAP eine Roadmap für seine im vergangenen Jahr gestartete ESA-Kampagne bekannt gegeben. Demnach soll bis Ende 2005 ein Enterprise Service Repository entwickelt werden. Im darauffolgenden Jahr will SAP diese Sammlung von Funktionsbeschreibungen für Geschäftsprozesse praxistauglich machen sowie Leitszenarien für industrieübergreifende Services definieren. 2007 soll dann die gesamte mySAP Business Suite ESA-tauglich sein.

Es sei an der Zeit gewesen, dass SAP eine Roadmap für ESA vorlegt, kommentiert Nils Niehörster, Chef des Beratungshauses Raad Consult. Andere IT-Anbieter wie zum Beispiel Microsoft hätten ihre Fahrpläne in Sachen Web Services und Integrationsplattformen bereits präsentiert. Die SAP-Kunden würden damit Planungs- und Investitionssicherheit gewinnen. Allerdings habe er damit gerechnet, dass SAP in Sachen ESA bereits weiter sei. "Im Grunde genommen sind das die ersten Schritte im Markt."

Niehörster geht nicht davon aus, dass SAP-Kunden schnell auf die neue Architektur wechseln. Die meisten würden vielmehr erst einmal abwarten, wie sich ESA die nächsten Jahre entwickeln werde. Auch Kagermann rechnet in diesem Zusammenhang offenbar in längeren Zeiträumen. Ein Wechsel auf die neue Architektur sei als evolutionärer Prozess zu verstehen. Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass viele Anwender nach wie vor R/3 im Einsatz hätten und damit zufrieden seien. Diese Kunden dürfe SAP nicht zum Umstieg zwingen. Vielmehr müsse man diese Anwender schrittweise an ESA heranführen. Laut Kagermann bedeute der Umstieg nicht zwangsläufig ein aufwändiges Migrationsprojekt. Vielmehr lasse sich die neue Architektur schrittweise von Prozess zu Prozess implementieren.

Inwieweit sich SAPs Entwicklungen für die Kunden auszahlen, bleibt abzuwarten. Kagermann musste seine Zahlen zum Sparpotenzial, die er zur Sapphire 2003 angekündigt hatte, revidieren. Statt 40 Prozent, die er vor Jahresfrist in Orlando, Florida, in Aussicht gestellt hatte, ließen sich bei konsequentem Einsatz der von SAP gebotenen Möglichkeiten rund 20 Prozent des IT-Budgets einsparen und in neue innovative Projekte investieren.

Zum Sparen beitragen soll auch die zur Sapphire angekündigte Kooperation mit Microsoft. So will SAP künftig enger mit Microsoft zusammenarbeiten, um das Zusammenspiel zwischen Netweaver und der .NET-Welt sicherzustellen. Die rund 40 000 Kunden, die SAP-Lösungen auf Basis von Microsoft-Systemen betrieben, hätten eine verbesserte Integration beider Welten gefordert, erläuterte Kagermann. Microsofts Chief Software Architect, Bill Gates, der im Rahmen einer Video-Einspielung auf der Sapphire zu sehen war, betonte die wachsende Bedeutung dieser Kombination. So sei die Basis von rund zwei Dritteln aller Neuinstallationen von SAP-Software Windows-Betriebssysteme.

Diesen Trend kann Niehörster für Deutschland nicht bestätigen. Hierzulande stagniere der Anteil der User, die ihre SAP-Lösungen auf Microsoft-Systemen betrieben, seit rund zwei Jahren bei knapp unter 50 Prozent. Die Kooperation hältt Niehörster denoch für sinnvoll. Für die Anwender bedeute dies eine bessere Integration von weit verbreiteten Microsoft-Produkten wie Office und Outlook. Außerdem bekäme damit die vielköpfige .NET-Entwicklergemeinde einen leichteren Zugang zur SAP-Welt. Das allerdings könnte sich für SAP als zweischneidiges Schwert erweisen, da Microsoft die Tür zu SAP-Märkten geöffnet werde.

Umgekehrt könnte es aber auch SAP gelingen, vor dem Hintergrund der wachsenden Popularität von Open-Source-Software mit einer J2EE-basierenden Netweaver-Variante auf Linux seinen Anteil im Desktop-Bereich auszubauen, befindet Eric Austvold, Analyst von AMR Research. "Microsoft könnte damit unwissentlich den Fuchs in den Hühnerstall gelassen haben." (ba)