IT-Arbeitsmarkt

Heißes Werben um Fachkräfte

19.02.2011
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Firmen beklagen den Mangel an IT-Fachkräften und bemühen sich im Jahr eins nach der Krise wieder um Einsteiger. Ältere, Frauen und Migranten sollen auch ihre Chance bekommen. In der Praxis gibt es Hindernisse.

Die drei Männer richten ihren Blick in die Ferne, ihre Ellenbogen ruhen gelassen auf dem Mauervorsprung, die Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, die Schultern straff. Frank-Jürgen Weise, Heinrich Alt und Raimund Becker bilden den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit und wollen in ihrer aktuellen Studie "Perspektive 2025: Fachkräfte für Deutschland" Zuversicht ausstrahlen.

Foto: M. Schuckart/Fotolia.de

Sie zeigen Strategien auf, wie sich das Fachkräfteangebot in einer alternden Gesellschaft steigern lässt. Unter anderem gelte es, mehr Menschen über 55 Jahren und Frauen im Arbeitsmarkt zu halten oder über Zuwanderung ausländische Fachkräfte zu gewinnen. Soweit die Theorie. Doch wie sieht die Praxis aus, etwa in der IT-Branche, in der es laut Branchenverband Bitkom derzeit 28.000 offene Stellen gibt, und immer mehr Unternehmen über Fachkräftemangel klagen?

IT-Dienstleister stellen im großen Stil ein

Fachkräftemangel ist ein Wort, das Oliver Tuszik elektrisiert. Fragt man den Vorstandschef von Computacenter, ob man im Jahr eins nach der Krise schon von einem Mangel sprechen könne, bleibt angesichts der vielen Zahlen und Argumente kaum zum Luftholen. Der IT-Dienstleister sucht unter anderem Experten für Windows-7, Security, Netzwerke und Virtualisierung, über 300 offene Postionen, einige davon sind schon über ein Jahr unbesetzt. Zum Vergleich: Im Krisenjahr 2009 suchte Computacenter 50 neue Mitarbeiter, "den Mangel gab es auch während der Krise", sagt Tuszik. Fehlen die geeigneten Mitarbeiter, bestehe die Gefahr, dass zu wenig Zeit für interne Projekte bleibt und das Portfolios des Unternehmens nicht so wie geplant ausgebaut werden kann.

Gibt es den Fachkräftemangel schon heute?

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Darum muss Tuszik an vielen Schrauben drehen: Zu Traineeprogrammen für den Nachwuchs kommen interne Ausbildungsprogramme, etwa für die 3000 Servicetechniker. Mit Programmen wie einer Work-Life-Balance-Beratung, Gesundheitstrainings oder einem Familienservice versucht Computacenter als attraktiver Arbeitgeber zu punkten, doch am erfolgreichsten ist die Recruiting-Methode, die zugleich die persönlichste ist. "Wir fordern unsere Mitarbeiter auf, Freunde und Bekannte für die Firma zu gewinnen ", sagt Tuszik. "Das wirkt am besten. Jeder Kollege, der einen neuen Mitarbeiter wirbt, erhält auch eine Prämie." Bei allem Werben um die Gunst der Fachkräfte ist er aber nicht bereit, Abstriche in der Qualifikation zu machen: "Als Dienstleister haben wir kein Produkt, sondern nur die Qualität unserer Mitarbeiter. Wenn wir da Kompromisse machen würden, würden wir uns selbst in die Tasche lügen, mit unseren Kunden Probleme bekommen sowie unserem Image schaden."

Keine Chancen für Quereinsteiger

Keine Kompromisse in der fachlichen Qualifkation - keine Chancen für Quereinsteiger? In der Tat scheint der Mangel bei vielen Unternehmen noch nicht so akut, als dass sie sich Umsteigern aus IT-fernen Branchen wie Ende der 90er öffnen und sie qualifizieren würden. Dagmar Schimansky-Geier, Geschäftsführerin der Bonner Personalberatung 1a Zukunft, sucht für ihre Kunden vor allem nach SAP-Beratern, die zu den umworbensten Zielgruppen auf dem IT-Arbeitsmarkt gehören: "Im SAP-Umfeld haben zwar Hochschulabsolventen wieder bessere Chancen, aber Quereinsteiger ohne Projekterfahrung sind nicht gefragt." Auf der Wunschliste der Unternehmen stünden vielmehr Berater zu den Themen Business Intelligence und Netviewer, Softwarearchitekten sowie Application Manager. Letztere halten die Applikationen, die die Berater beim Kunden eingeführt haben, aktuell, unterstützen die Anwender und organisieren den Support. "Obwohl ein Application Manager deutlich weniger reisen muss als ein Berater, ist er schwer zu finden. Auch er braucht fundiertes SAP-Wissen", schildert Schimansky-Geier.

Stellen sind schwerer zu besetzen, wenn sie mit häufigen Reisen verbunden sind. Diese Erfahrung musste Martin Wunderli machen. Der Chief Technology Officer (CTO) des IT-Dienstleisters Trivadis war selbst überrascht, wie schnell sich das IT-Geschäft nach der Krise erholte und wie rasch sich die Lage auf dem Jobmarkt veränderte: "Der Arbeitsmarkt ist sehr trocken, er ist wieder mehr zum Arbeitnehmermarkt geworden." Technische Berater, die auch Konflikte beim Kunden lösen können und zur Firmenkultur passten, seien rar. Wunderli wünscht sich neugierige Mitarbeiter, die eigene Ideen ausprobieren, Machertypen, die anstatt sich durch Powerpointfolien zu klicken selbst Hand anlegen und im Team die Probleme lösen.