Heiler Software schwört auf Katalog-Management

16.04.2002
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Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.        

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Heiler Software AG gilt als eines der Leichtgewichte am Neuen Markt - aber eines mit finanzieller Substanz. In Zeiten wie diesen bedeutet eine solche Performance fast schon ein Alleinstellungsmerkmal. Doch das Stuttgarter Softwarehaus muss nun nach einem Wechsel in der Produktstrategie auch den Beweis der Wachstumsfähigkeit antreten.

Vorstandschef Rolf Heiler gilt in der deutschen Softwareszene als ein Freund unverblümter Worte. Und so fällt es dem Self-made-Unternehmer, der Heiler Software bereits 1987 gegründet hat, nicht schwer, den erneuten, zumindest partiellen Richtungswechsel seiner Company zu begründen: „Wir haben uns, während andere den großen Wurf versucht haben und größtenteils daran gescheitert sind, eine klare Nische gesucht.“ Dass die Schwaben den großen Wurf zumindest angedacht haben, spielt dabei offenbar keine entscheidende Rolle mehr.

Content geht über alles

Einst als Systemhaus gestartet, dessen Kernkompetenz in der Erstellung von Individualsoftware für Banken, Versicherungen und große Industrieunternehmen lag, war das Geschäftskonzept von Heiler Software noch zum Börsengang im November 2000 auf B-to-B-Marktplätze und Portale fokussiert. Heute redet Firmenchef Heiler ausschließlich dem E-Procurement das Wort, allerdings in einer ganz speziellen Facette: „Der Content ist die Seele des E-Procurement. Wer den nicht zweckmäßig und kostengünstig ins Unternehmen bringen kann, bei dem wird der Bleistift auch nach der Einführung wie auch immer gearteter E-Business-Tools 60 Euro kosten.“

Mit dieser pointiert zugespitzten Aussage hebt Heiler auf die seiner Ansicht nach vorhandene Crux vieler installierter E-Procurement-Lösungen ab, die „nicht über den Projektstatus hinausgekommen sind“ - dem Anwender somit Geld kosten, statt einen messbaren Return on Investment (RoI) zu bringen. Denn nicht die Verlagerung der Beschaffung von A-, B- und C-Teilen vom Einkauf zum jeweiligen Bedarfsträger, sondern die Einbindung der Lieferanten sei das entscheidende Thema. „Connecting Buyer und Supplier“ sei deshalb zur Mission seines Unternehmens geworden. Bei besagter Lieferantenanbindung ergäben sich, so Heiler, jedoch zwei Probleme. Erstens ein quasi systemimmantes innerhalb der SAP-Welt: Die E-Procurement-Lösungen der Walldorfer würden zwar SAP-Anwender untereinander gut vernetzen, aber eine Druckerei, die Daimler-Chrysler in den USA für jährlich 60000 Dollar Visitenkarten liefert, habe „kein R/3 im Einsatz“. Zweitens sei jedes beschaffende Unternehmen gezwungen, den Content aller in Frage kommender Lieferanten nach spezifischen Kriterien zu ordnen. Eine bestimmte Sorte Schmieröl könne beispielsweise konzernweit vielfach Verwendung finden; müsse aber, bevor sie in den Workflow komme, vom Werkschutz auf Feuergefährlichkeit geprüft werden und eine Inventarisierungsnummer erhalten, zitiert Heiler aus der täglichen Praxis seiner Kunden

Heiler Software hat sich daher jetzt völlig dem Thema Katalog- und Content-Management samt dazugehörender Dienstleistungen verschrieben. Im Mittelpunkt stehen dabei die neu entwickelte Katalogsoftware „Premium Business Catalog“ (PBC) sowie der „Premium Content Manager“ (PCM). Als komplementäres Software-Produkt zu den Procurement-Lösungen der SAP verfügt PBC über die jeweils aktuelle Schnittstellen-Zertifizierung. Auch das Katalogsystem ist SAP-zertifiziert und bedient die Schnittstelle Open Catalog Interface (OCI) der Walldorfer. Firmenchef Heiler macht in diesem Zusammenhang aus seiner Strategie, als Nischenanbieter quasi im Windschatten der Walldorfer zu segeln, die nach wie vor sieben Prozent der Anteile an Heiler Software halten, keinen Hehl: „Wir sagen jedem SAP-Kunden, der sich für ein E-Procurement-System der SAP entschieden hat: Glückwunsch, gute Entscheidung! Hören Sie uns jetzt aber bitte eine Stunde zu, um sicherzustellen, dass Sie das Problem zu Ende gedacht haben!“ In vielen Fällen habe man es nachher mit einem „sehr aufgeschlossenen Einkaufschef“ zu tun.

Namhafte Referenzkunden


Wie weit diese Aufgeschlossenheit trägt, muss sich nun aber in den kommenden Monaten noch unter Beweis stellen. Zwar konnten die Schwaben inzwischen unter anderem mit RWE Systems, der DEA Mineraloel AG und dem Daimler-Chrysler-Konzern einige namhafte Referenzkunden für ihre Lösungen gewinnen, doch die Achtungserfolge müssen sich jetzt auch in einer nach wie vor schwierigen IT-Konjunktur in Wachstum und Gewinnen wiederspiegeln. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2001/02 (Ende: 31. Januar) erzielte Heiler Software in einem „schwierigen Marktumfeld“, rund 1,2 Millionen Euro Umsatz. Die Quartalseinnahmen fielen dabei wie erwartet geringer (minus 38 Prozent) aus als im selben Zeitraum des Vorjahres, liegen aber mit einem Zuwachs von 68 Prozent (500000 Euro) deutlich über dem Vorquartal. Das operative Ergebnis vor Steuern (Ebit) verbesserte sich gegenüber dem Vorquartal um zwei Millionen Euro auf minus 900000 Euro. Damit konnte zumindest der rückläufige Trend bei Umsatz und Gewinn gestoppt werden, unterstreicht Firmenchef Heiler, der die - letztlich vor allem auch Produktentwicklungs-bedingte - Auszeit seiner Company so umschreibt: „Statt Firmen zu kaufen, haben wir Lösungen für unsere Kunden gebaut.“

Finanzielle Substanz gesichert

Einen Vergleich mit vielen New-Economy-Firmen sowie einigen inzwischen am Neuen Markt skandalös gescheiterten Pleitiers lässt Heiler nicht gelten. Dort sei von Scharlatanen und Hasardeuren viel Unheil angerichtet worden, unter dem jetzt die gesamte deutsche Softwarebranche zu leiden habe. Man könne „kaum mehr zwischen einem Unternehmen unterscheiden, das aus wachstumsbedingten Gründen Verluste schreibt, und einem Cashburner, der Vabanque spielt.“ Mit einem fast noch vollständig aus dem Börsengang vorhandenen Eigenkapital in Höhe von 26,5 Millionen Euro und einer Bilanzsumme von 28,5 Millionen Euro stehe man „substanziell gesund“ da.