Karrierefalle für Frauen

Heidi oder Howard: Warum der Vorname über die Karriere entscheidet

09.08.2016
Von 
Renate Lohmann ist seit Januar 2015 Geschäftsführerin der Femtec GmbH, einer internationalen Karriereplattform für Frauen in IT, Ingenieur- und Naturwissenschaften.
Warum schaffen es so wenige Frauen ins Top-Management? Schuld daran sind auch Klischees, wie eine Studie der Harvard Business School zeigt: Ein und derselbe Lebenslauf wird negativer wahrgenommen, wenn er einer Frau zugeordnet wird.

Aktuelle Zahlen zeigen: Im Bundesdurchschnitt liegt der Anteil der Frauen im Top- und Mittelmanagement in diesem Jahr bei 24,8 Prozent. Betrachtet man nur das Topmanagement, sind es gerade noch 11,7 Prozent. Im technischen Bereich, also etwa Maschinenbau, Elektrotechnik oder IKT, wird dieser Wert sogar noch unterboten, da sind es zwischen sechs und acht Prozent. Schuld daran, heißt es oft von Unternehmensseite, sei die niedrige Zahl von Absolventinnen im MINT-Bereich. Doch daran allein kann es nicht liegen, schließlich sitzen im Topmanagement auch Absolventen der Rechts- oder Naturwissenschaften, aus MBA-Studiengängen oder beruflichen Laufbahnen ohne Fachstudium.

In den obersten Führungszirkeln der ITK-Unternehmen sind Männer oft noch unter sich. Hier beträgt der Frauenanteil nur zwischen sechs und acht Prozent.
In den obersten Führungszirkeln der ITK-Unternehmen sind Männer oft noch unter sich. Hier beträgt der Frauenanteil nur zwischen sechs und acht Prozent.
Foto: bikeriderlondon - shutterstock.com

Hindernis Präsenzkultur

Es ist das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, aus dem sich die viel zitierte gläserne Decke zusammenfügt. Dazu zählt die vorherrschende Unternehmenskultur, die auf Präsenz und Verfügbarkeit bis in die Abendstunden basiert, und damit dazu beiträgt, dass die Vereinbarkeit von Karriere und Familie für viele Frauen immer noch ein Drahtseilakt ist. Unbestritten ist auch, dass junge Frauen stärker für ein Studium der MINT-Fächer begeistert werden müssen. Zudem hemmt noch einen anderer Faktor den Aufstieg von weiblichen Nachwuchsführungskräften hemmt: Dabei geht es um die Vorstellungen und Stereotype in den Köpfen von Männern und Frauen.

Ein Lebenslauf, zwei Interpretationen

Was damit gemeint ist, zeigt eine Studie der Harvard Business School, die auch Sheryl Sandberg, COO von Facebook, in ihrem zu großer Bekanntheit gelangtem TED-Talk mit dem Titel „Why we have too few women leaders“ zitiert: Es geht um Heidi und Howard. Männer und Frauen mit denselben Qualifikationen und Lebensläufen werden unterschiedlich wahrgenommen.

Bei der Beurteilung der fachlichen Kompetenzen liegen sie zwar gleich auf, ihnen werden aber völlig gegensätzliche Charakterzüge unterstellt. In der besagten Studie bekommen zwei Gruppen von Studenten jeweils einen Lebenslauf in die Hand, den sie beurteilen sollen. In beiden Fällen ist es der (echte) Lebenslauf von Heidi Roizin, einer erfolgreichen Risikokapitalgeberin aus dem Silicon Valley, die auch durch geschicktes Netzwerken eine beachtliche Karriere hingelegt hat. Eine Gruppe Studenten erhält den CV unter dem Namen Heidi Roizin, bei der Version für die andere Gruppe wird der Vorname in Howard geändert.

Beide Lebensläufe, der von Heidi und der von Howard, werden von den Testpersonen unter fachlichen Gesichtspunkten gleich eingeschätzt – was als durchaus positives Ergebnis zu werten ist. Aber: Alle Studenten schätzten Howard als einen guten Typen ein, einen netten Kollegen, mit dem sie auch mal ein Bier trinken gehen würden. Heidi jedoch: eher unsympathisch. Die Studenten empfanden Heidi als sehr karriereorientiert und egoistisch. Wohlgemerkt, es handelte sich um exakt denselben Lebenslauf.

Eine ähnliche Studie hat zuletzt die WHU – Otto Beisheim School of Management mit der London Business School und dem University College London durchgeführt. Statt Heidi und Howard wurden die zu beurteilenden Führungspersonen hier Michelle und Michael genannt. Beide verfügten über dieselben Qualifikationen und Eigenschaften, und die Studienteilnehmer sollten das Charisma der beiden einschätzen. Dazu gab es zusätzlich zwei unterschiedliche Umgebungen: Ein hierarchisch organisiertes Unternehmen und eines, dessen Organisation stark auf Zusammenhalt ausgerichtet ist. Das Ergebnis: Im sozialen, engeren Netzwerk wurde Michelle als charismatischer eingestuft, im zentralisierten Kontext war es Michael.

Abschied von stereotypen Rollenklischees

Beide Studien sagen viel über die Stereotype aus, die noch immer in den Köpfen vorherrschen. Wenn die Zahl der Frauen in Führungspositionen steigen soll, dürfen sie dort nicht länger als unpassend empfunden werden. Und das gilt keinesfalls nur für Männer. Auch Frauen haben feste Bilder im Kopf und stilisieren häufig vollzeitarbeitende Frauen mit Kindern zu Karrieremüttern, die weniger Wert auf das Kindeswohl legen.

Karrierenetzwerke wie die Femtec versuchen, zu einen die Frauen zum Umdenken zu bewegen. Statt skeptisch bis neidvoll aufeinander zu blicken, lernen die Frauen in solchen Netzwerken, sich gegenseitig zu unterstützen, auszutauschen und einander zu helfen. Wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen und sich die Kultur des Gegeneinanders in eine des Miteinanders wandelt, können die Frauen auch besser selbst dafür sorgen, verstärkt in Führungspositionen zu reüssieren.

Zum anderen stellen sich auch die Unternehmen und Universitäten im Netzwerk der Femtec der Herausforderung, sich auf einen tatsächlichen Kulturwandel, weg von hierarchischen Strukturen und Präsenzpflicht, einzustellen und aktiv notwenige und zeitgemäße Veränderungen umzusetzen. Und die Gesellschaft ist gefragt, stereotype Rollenklischees anhand von echten und diversen Lebensläufen zu ersetzen. So können Strukturen geschaffen werden, die Männer und Frauen als Führungskräfte gleichermaßen ermöglichen.

COMPUTERWOCHE Insider: Alles über Frauen in der IT

Frauen in IT-Jobs oder gar in IT-Führungspositionen sind immer noch die Ausnahme. Immer mehr Unternehmen werben um den weiblichen Nachwuchs. Unser Dossier zeigt Einstiegs- und Aufstiegsmöglichkeiten in die IT auf.