AMD will endlich an die großen Fleischtöpfe

Hector gegen Goliath

10.09.2004

"50x15" heißt der große Plan von AMD-Chef Hector de Ruiz, und das kryptische Kürzel zeigt, in welchen Dimensionen der "ewige Zweite" der Prozessorwelt inzwischen denkt. Immerhin 50 Prozent der Erdbevölkerung soll bis zum Jahr 2015 Zugang zum Internet erhalten, forderte Ruiz auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Indien und China locken mit riesigen Stückzahlen für einfache und billige Zugangsgeräte. Dass sich AMD von dem Kuchen eine gehörige Portion sichern will, liegt auf der Hand. Vor fünf Jahren wäre der Manager für dieses Vorhaben noch ausgelacht worden, heutzutage erscheint der Plan jedoch machbar - AMD existiert noch, und das Unternehmen steht besser da als jemals zuvor.

Intel kämpft mit sich selbst

Allerdings hat es Intel dem Rivalen zuletzt auch nicht schwer gemacht: Wegen Lieferproblemen wurde der "Pentium 4" mit einem Takt von 4 Gigahertz auf das kommende Jahr verschoben, die Variante mit 3,6 Gigahertz kommt nicht auf die angepeilten Stückzahlen. Zudem lief die Einführung des 90-Nanometer-Fertigungsprozesses schlechter als geplant, und der "Grantsdale"-Chipsatz wurde wegen kleinerer Pannen zurückgerufen. Der "Centrino"-Nachfolger "Sonoma" verzögert sich ebenfalls. Intels CEO Craig Barrett sah sich im Sommer genötigt, der Belegschaft in einer E-Mail die Leviten zu lesen: "So kennen wir Intel nicht, und so wollen wir es nicht."

Auch AMD kannten wir so bislang nicht. Der Intel-Nachbauer hat sich von einem bevorzugten Ausrüster der Computerspielszene zu einer ernsthaften Alternative im Rechenzentrum gemausert (ohne dabei seine Wurzeln zu verlieren). Die Marketing-Abteilung hat es über Jahre verstanden, sowohl die Preis- als auch die Leistungskomponente der Prozessoren positiv bei den Anwendern zu verankern. Der ewige Wettlauf um die Taktfrequenz wurde eingestellt; zudem kam AMD plötzlich mit eigenen Produkten auf den Markt. Ging es einst darum, mit Intel mitzuhalten, muss sich AMD derweil sorgen, den technischen Vorsprung zu verteidigen - der kleine Jäger hat sich zum kleinen Gejagten entwickelt.

Die Entdeckung der Profitabilität

Bislang präsentiert sich AMD in seiner neuen Rolle durchaus vorteilhaft. Die jüngsten drei Quartale wurden mit Nettogewinnen abgeschlossen, die Einnahmen wuchsen stabil. In den neun Berichtszeiträumen davor hatte es stets Verluste gehagelt. Der Börsenkurs des Unternehmens fiel nach einem Anstieg zuletzt ab, im Gegensatz zu Intel hielt sich das Papier aber deutlich besser. Als Erfolgsrezept verweist das AMD-Management auf den Produktmix aus Prozessoren und Flash-Speichern (siehe Kasten "Ein zweites Standbein").

Vor allem die Flash-Sparte sowie die Einführung des selbst entwickelten Opteron-Prozessors im Frühjahr 2003 und der Angriff auf den zuvor halbherzig belieferten Servermarkt brachte die Wende. AMD konnte zeigen, dass ein Zwerg in der Lage ist, dem Riesen technisch davonzulaufen. Glück für den Außenseiter: Microsoft sprang auf den rollenden Opteron-Zug auf - inwieweit die Aussage von AMDs damaligem CEO Jerry Sanders vor dem Kartellgericht zugunsten des Softwarekonzerns eine Rolle gespielt hat, sei dahingestellt. Fast alle großen Serverhersteller erkannten indes in der CPU die Chance, ihre Abhängigkeit von lediglich einem Lieferanten zu reduzieren. Im Herbst des vergangenen Jahres kamen "Athlon-64"-Chips für Desktops und Notebooks auf den Markt, ebenfalls keine Ladenhüter.

Nach unten abgerundet wird das AMD-Portfolio in Kürze durch die "Sempron"-CPU-Familie, die Intels Lowend-Prozessorserie "Celeron" angreifen soll. Diese konnte, obwohl schon seit immerhin sechs Jahren verfügbar, zuletzt ihren Marktanteil wieder steigern. Die Nachfrage nach billigeren Systemen hat die PC-Hersteller dazu veranlasst, den Rotstift an den Komponenten anzusetzen. Daher hat ein Chip wie der Sempron das Potenzial, auf einen großen Markt zu treffen - viel mehr Zeit hätte sich AMD mit der Entwicklung aber auch nicht lassen dürfen. Desktops für 500 Euro, Notebooks für weniger als 1000 Euro sind das Zielsegment.

An der Spitze der Leistungsskala liegt AMDs neuer Opteron-Chip, der mit zwei Kernen (Dual Core) ausgestattet ist (siehe Artikel Seite 18: "Zwei Herzen schlagen im zukünftigen Opteron"). Er soll Mitte 2005 für Server, Ende des kommenden Jahres auch im PC-Bereich zur Verfügung stehen. Dass Intel dann ähnliche Prozessoren ("Montecito") auf den Markt bringt, gilt indes als ausgemachte Sache. Immerhin hat es AMD geschafft, den Fokus vom PC in die prestige- und margenträchtige Serverwelt zu verlagern. Und der Druck auf Intel, keinen Fehler zu machen, bleibt bestehen.

Die mittelfristigen Ziele, die sich AMD gesetzt hat, sind dennoch ambitioniert: Firmenchef Ruiz strebt einen Marktanteil im Prozessorbereich von 25 Prozent an. Lange Zeit dümpelte das Unternehmen bei fünf Prozent, derzeit stammt etwa jede zehnte CPU von AMD, Intels Marktanteil wird auf 80 Prozent taxiert. "Innerhalb von drei bis fünf Jahren können wir eine solide Position in einem echten Duopol erreichen", glaubt Ruiz. Die Zeiten des Monopols sind, nicht zuletzt wegen der Beharrlichkeit des AMD-Managements, vorerst vorbei. Anders als etwa Apple ist es dem Unternehmen gelungen, seine originäre Nische zu vergrößern.

Bei allen Erfolgen der jüngsten Zeit darf ein Punkt aber nicht verdrängt werden: Eine Nische ist eine Nische. Die Marktkapitalisierung von AMD beläuft sich auf knapp vier Milliarden Dollar, Intel ist mehr als 125 Milliarden Dollar wert. (ajf)

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- wieso AMD zuletzt erfolgreich werden konnte;

- auf welchen Standbeinen AMD steht;

- welche Ziele sich das Unternehmen gesetzt hat;

- weshalb der Abstand zu Intel immer noch riesig ist.

Ein zweites Standbein

Neben dem CPU-Bereich kann AMD eine erfolgreiche Flash-Speicher-Sparte vorweisen. Die langjährige Partnerschaft mit Fujitsu hat 2003 zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens geführt, das auf den Namen Spansion hört. Im zweiten Quartal setzte die Company rund 670 Millionen Dollar um. Im Bereich so genannter NOR-Flash-Speicher, die sich beispielsweise in Mobiltelefonen finden, ist Spansion laut Isupply Marktführer - vor Intel. Allerdings konnte der große Konkurrent im zweiten Quartal etwas Boden gutmachen. Im Gesamtmarkt für Flash-Speicher liegt Spansion auf Platz drei, Intel belegt den vierten Rang. Vorne stehen Samsung und Toshiba, deren Geschäfte mit NAND-Speichern zuletzt Einbußen hinnehmen mussten.

Inzwischen erwirtschaftet AMD mehr als die Hälfte des Umsatzes mit Speichern, im Vorjahr war es noch rund ein Drittel. Einerseits wird das Unternehmen durch die Diversifizierung stabiler. Im Falle eines Abschwungs der Speichernachfrage hat AMD andererseits ein gravierendes Problem. Einige Analysten gehen davon aus, dass der Speichersektor im kommenden Jahr den Rückwärtsgang einlegen wird. Zudem sind die Preise seit dem Frühjahr um ein Drittel gefallen. AMD argumentiert dagegen, dies treibe die Nachfrage an. Ohne die Rückendeckung aus einer florierenden Speicherdivision wird es jedoch schwer, den Druck auf Intel im Prozessor-Bereich aufrechtzuerhalten.

Abb: Opterons und Speicher brachten die Wende

Im vergangenen Jahr hat AMD mit den Opteron-Prozessoren und der Speichertochter Spansion die Weichen auf profitables Wachstum gestellt. Quelle: CW