Hautnah dran an den Bossen

04.09.2001
Von Gabriele Müller
Alle zwei Jahre lädt das Organisationsforum Wirtschaft e.V. (OFW) nach Köln ein. Anlässlich des Deutschen Wirtschaftskongresses kommen renommierte Wissenschaftler, Spitzenpolitiker, Top-Manager und Studenten auf dem Uni-Campus zusammen und tauschen Erfahrungen aus.

Studenten mit einem eigenen Büro trifft man eher selten – hier, mitten in Köln, am Salierring, ist es normal. Es herrscht rege Betriebsamkeit: Telefone läuten, Faxe aus aller Welt gehen ein, Mails werden verschickt und empfangen. Allerdings wird hier weder für eine Semesterarbeit noch für das Diplom gerackert, sondern für zwei Tage im Frühjahr 2003.

Oliver Emrich: "Es geht auch darum, an der Kölner Massenuniversität Kontakte zu knüpfen."

Dann findet der neunte Deutsche Wirtschaftskongress in Köln statt.

Dabei ist es kaum ein paar Monate her, dass die letzte Veranstaltung dieser Art über die Bühne gegangen ist. An zwei Tagen im April wurden Meinungen ausgetauscht, Theorien erläutert, Kontakte geknüpft und Bausteine für Karrieren gelegt. Dass Letzteres möglich ist, muss nicht verwundern: Die Teilnehmerliste liest sich wie ein Who is who der deutschen und internationalen Wirtschaftselite. Da treffen sich beispielsweise die Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG und der Metro AG, Rolf Breuer und Hans-Joachim Körber, und auch Heinrich von Pierer, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, ist vor Ort. Außerdem folgten Manfred Schneider, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG, Rainer Hertrich, Co-CEO bei EADS, und Leo M. van Wijk, CEO der KLM Royal Dutch Airlines, dem Ruf nach Köln.

Auch die New Economy war durch Namen wie Datango, Intershop, Ariba und Brokat gut vertreten. Für wissenschaftlichen Glanz sorgten unter anderem Eli M. Noam, Professor an der Columbia University, Institute for Tele-Information, Günther Schuh, Professor an der Universität Sankt Gallen, und Joseph Weizenbaum, emeritierter Professor am Massachusetts Institute of Technology. Schließlich gab es noch die künftigen “High-Potentials” – Studenten aus rund 70 Ländern, von A wie Albanien bis V für Vietnam. Sie mussten sich im Vorfeld über einen international ausgeschriebenen Essay-Wettbewerb qualifizieren. Die besten Bewerber wurden ausgewählt und nach Köln eingeladen.

Wer die Veranstaltung aus der Taufe hob und organisierte, verraten zunächst nur drei Buchstaben auf der Einladung: OFW. Hinter dem Kürzel verbirgt sich das Organisationsforum Wirtschaft e.V., ein Zusammenschluss aus Studierenden der Universität zu Köln. Was sich heute zum weltweit größten von Studenten organisierten Kongress entwickelt hat, entsprang ursprünglich zwei kreativen studentischen Köpfen. Rolli Vogel, Vorstandsmitglied des OFW, erinnert sich: “1987 fand der erste Wirtschaftskongress in Köln statt, der Unternehmer, Wissenschaftler und Studenten zusammenbringen wollte.” Damals hieß das Motto: “Der Weltraum als Markt”.

Diesmal, im April 2001, lautete es: “Net Planet – Strategies for a new economy”. Die Organisatoren haben hohe Ansprüche und sparen nicht mit selbstbewussten Worten: “Als generationenübergreifende Veranstaltung bietet der Deutsche Wirtschaftskongress ein einmaliges Forum zur ganzheitlichen Betrachtung zukünftiger Chancen und Risiken”, heißt es. Die Initiatoren leisten einiges, um den Anspruch Wirklichkeit werden zu lassen, weiß Oliver Emrich, der wie die anderen OFW-Mitglieder in Köln studiert. Er zeichnet für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Vereins verantwortlich. “Themen müssen festgelegt, Referenten angesprochen und Termine ausgemacht werden, lange bevor die Veranstaltung wirklich stattfindet.”

Rolli Vogel: "Wir sind offen für alle, die mitmachen wollen."

Dafür sucht der OFW nach “Machern”, Studenten mit eigenen Ideen und “dem Willen, Projekte eigenverantwortlich zum Erfolg zu führen”. Mathias Klee ist so einer – und noch dazu gerade in den Vorstand gewählt worden. Was ihn daran reizt, sich noch neben dem Studium für den Verein zu engagieren? “Sicher die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu machen. So eine große Veranstaltung mit rund 400 Unternehmern und ebenso vielen Studenten zu organisieren ist spannend, und ich lerne viel dabei.”

Um dieser Mammutaufgabe gerecht zu werden, haben sich die Forumsmacher klare Organisationsstrukturen gegeben. Es gibt Ressorts für Finanzen und Controlling, Internationale Beziehungen, Kongressorganisation, Kongressthematik, Marketing und Design, Personal, Öffentlichkeitsarbeit, Presse und Unternehmensverbindungen. Dazu kommen noch Sicherheit, Service, Technik, Sponsoren-, Referenten- und Studentenbetreuung. Und das sind in Hoch-Zeiten rund 250 Leute.

 Alle studieren in Köln, alle sind ehrenamtlich dabei, die meisten kommen aus den “klassischen Fachrichtungen” Betriebs- oder Volkswirtschaftslehre. “Aber wir haben auch Kunstpädagogen oder Politologen bei uns”, bestätigt Rolli Vogel. “Wir sind für alle offen, die mitmachen wollen”, bekräftigt er, der sich und seinen Verein trotz “Anzug-Image” keinesfalls als angepasst und “stromlinienförmig” sehen will. “Es geht ja auch darum, hier an dieser Massenuniversität Kontakte zu anderen Studenten zu knüpfen, neue Leute und auch Studenten aus anderen Ländern kennen zu lernen”, schildert Oliver Emrich seine Motivation zur Mitarbeit.

Schneller als in so manch trockener Lehrveranstaltung lässt sich dabei entdecken, “was in einem steckt” und wo noch verborgene Talente liegen. Bei dem einen oder anderen tun sich dabei sogar völlig neue Berufsperspektiven auf. Persönlich betrachten es Emrich, Vogel und Klee auch als großes Erfolgserlebnis, ein solches Ereignis erfolgreich zu organisieren. Die Entscheidungen werden allesamt in den jeweiligen Teams gefällt, oft in langwierigen Diskussionen, aber: “Wir haben die Verantwortung für bestimmte Budgets und müssen dafür auch gerade stehen”, erklärt Mathias Klee. Das vor allem vor den Sponsoren, namhaften Wirtschaftsunternehmen, die mit Fördergeldern den OFW unterstützen.

Aber auch vor dem Kuratorium, das sich aus bekannten Managern wie aus Wissenschaftlern zusammensetzt und den Verein bei seiner strategischen Ausrichtung berät. Damit zwischen den großen Kongressen auch ja keine Langeweile aufkommt, managen die OFWler jeweils das sogenannte Symposium – diesmal auf nationaler Ebene – oder die Veranstaltungsreihe “Branche im Fokus”, bei der Studenten ausgewählte Unternehmen besuchen. Nur dem Vergnügen dient schließlich die OFW-Party, ein jährlich stattfindendes Ereignis, das seit Bestehen des Vereins regelmäßig ausverkauft ist. Nicht zuletzt, weil sich hier dann endlich nicht (nur) die Wirtschaftsbosse zeigen, sondern auch lokale Sportgrößen, wie die Fußballer des 1. FC Köln.