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Hauptversammlung: Brokat unter Beschuss

21.06.2001
Chaotisch ging es heute auf der Hauptversammlung der Stuttgarter Brokat AG zu. Aktionärsvertreter sprachen von einer "grandiosen Fehlentwicklung" und einem "drohenden Supergau". Noch ist unklar, ob die aktuelle Schieflage des Unternehmens auch personelle Konsequenzen nach sich zieht.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Herbe Kritik hagelte es heute auf der Hauptversammlung der Stuttgarter Brokat AG, auf der es zeitweilig zu tumultartigen Szenen kam. Rudolf Neumann von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) ging den Vorstand heftig an: "Bei der Kostenkontrolle hat das Management total versagt. Die Ausgaben stehen in keinem Verhältnis zum schwachen Umsatz." Dies sei eine "grandiose Fehlentwicklung", so Neumann weiter. Aus dem bisherigen Kostenproblem sei nun ein Liquiditätsproblem geworden, weil das Management das Problem vor sich her geschoben habe. Das angekündigte Kostensenkungsprogramm sei nur eine Reaktion, aber keine Aktion. "Warum um Himmels willen erst jetzt?", erregte sich der Aktionärsschützer. Das angepeilte Einsparungsziel kanzelte er als utopisch ab. Es stelle eine "Selbstüberschätzung des Vorstands" sowie eine "ungeheure Kapitalvernichtung" dar.

Winfried Holtermann von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) blies ins gleiche Horn: Brokats Cashburn-Rate liege zurzeit bei 15 Millionen Euro monatlich. Damit reiche das verbleibende Kapital nicht einmal mehr für das dritte Quartal. "Wenn es so weitergeht wie bisher, dann tritt der Supergau ein", so Holtermann. Das Mindeste für den Vorstand sei es, in der jetzigen Situation auf sein Gehalt zu verzichten.

Brokat-Chef Stefan Röver erklärte dazu, dies werde man in der Tat so handhaben: Der Vorstand verzichte auf sein Salär, bis sich die Lage zum Besseren gewendet habe. Ohnehin stellt sich die Frage, ob die desolate Finanzsituation des Anbieter von Infrastruktur-Software für den E-Commerce nicht auch personelle Konsequenzen nach sich zieht. Die "Welt" beispielsweise hatte bereits im Vorfeld des heutigen Aktionärstreffens gemutmaßt, dass zumindest Finanzchef Michael Janßen und sein für die Softwareentwicklung zuständiger Vorstandskollege ihren Hut nehmen müssten. [Mit Informationen von CW-Redakteur Wolfgang Herrmann]