Hat Microsoft VoIP-Technik von Agere Systems gestohlen?

04.04.2007
Mitten im Versuch, in den VoIP-Markt einzusteigen, wird der Softwarerriese Microsoft mit schweren Vorwürfen konfrontiert.

Der Halbleiterhersteller Agere Systems beschuldigt Microsoft sich vertrauliche Informationen angeeignet zu haben, um sie anschließend für eigene Produkten zu verwenden. Wie aus der Mitte März beim US-Bezirksgericht in Ageres Heimatstadt Allentown, Pennsylvania, eingereichten Klage hervorgeht, hatte die Gates-Company Interesse bekundet, die von Agere entwickelte Audio-Technik für Internet-basierende Videokonferenzen zu kaufen oder in Lizenz zu nehmen. Später jedoch, nachdem Microsoft in einer Reihe von Treffen zwischen 2002 und 2003 nähere Details zu Ageres Lösung erhalten hatte, habe der Softwarekonzern die Verhandlungen mit der Begründung "abrupt abgebrochen", er habe einen "Durchbruch bei eigenen Entwicklungen" erzielt.

Nach Auffassung der mittlerweile von LSI Logic übernommenen Company (Computerwoche.de berichtete) bestand der wahre Durchbruch darin, dass die Microsoft-Ingenieure Zugang zu Ageres intellektuellem Eigentum erhalten und dieses Wissen zur Entwicklung eigener Produkte genutzt hätten. Die von dem Softwareriesen kopierte VoIP-Technik sei ursprünglich in den Bell Labs entstanden, erklärte Agere. Als Ableger von AT&T und Lucent war das Unternehmen später in den Besitz gelangt. Microsoft fehle schlichtweg das erforderliche Fachwissen, um von Grund auf neu zu entwickeln, was bei Bell Labs mit dem Aufwand von vielen Mannjahren geschaffen worden sei, heißt es in der Klage weiter. Agere fordert nun Schadenersatz in nicht genannter Höhe sowie ein Verkaufsverbot für alle Microsoft-Produkte, die auf der Technik aufsetzen. Konkrete Angaben dazu machte die Company aber nicht.

Möglicherweise Stein des Anstoßes: Das Videokonferenzsystem Office Roundtable
Möglicherweise Stein des Anstoßes: Das Videokonferenzsystem Office Roundtable

Im Visier von Agere liegt möglicherweise das bereits vor einem Jahr von Microsoft angekündigte Videokonferenzsystem "Office Roundtable" (Computerwoche.de berichtete). Die Lösung enthält vier 360-Grad-Kameras, die bei Videokonferenzen eine Panoramaansicht ermöglichen sollen. Darüber hinaus arbeitet die Gates-Company aktuell laut Presseberichten an weiteren Endgeräten für den TK-Markt. Dazu zählt ein schnurloses Headset, das über einen USB-Stick mit dem PC oder Notebook verbunden wird. Zusammen mit "Office Communications Server 2007" (OCS 2007) von Microsoft, der sich derzeit in der öffentlichen Beta-Phase befindet, könnten damit kostenlose Gespräche via Internet geführt werden. In Planung ist außerdem eine Bluetooth-fähige Variante der Sprechgarnitur. Diese soll automatisch eine Verbindung mit dem Mobiltelefon aufbauen, wenn sich der Nutzer von seinem Arbeitsplatz entfernt. Am ehesten an ein herkömmliches Telefon erinnert das dritte Produkt, das sich aktuell in der Pipeline befindet. Das Tischgerät ist laut Bericht mit einem berührungssensitiven 5,25 Zoll-Display ausgestattet, das die direkte Anwahl aus dem Kontaktverzeichnis ermöglicht (Computerwoche.de berichtete).

Vor kurzer Zeit hat Microsoft außerdem eine TK-Anlage für kleine und mittelständische Unternehmen vorgestellt (Computerwoche.de berichtete). (mb)