Die Zukunft der Computersysteme:

Hardware und Software vertauschen ihre Rollen

27.04.1979

Der Verlust an Produktivität, die aufwendige und endlose Ausbildung und zunehmend komplexere Wartungserfordernisse, die die Technik der heutigen Computersysteme mit sich bringt, verbrauchen knappe Ressourcen und kosten viele Unternehmen jährlich Millionen von Dollars. Vernünftiger wäre es, diese Dollars und andere Mittel in neue Anwendungen zu stecken, die das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens verbessern oder die Qualität, der den Kunden des Unternehmens gebotenen Leistungen, erhöhen. Diese Meinung vertrat Charles P. Lecht auf einem Symposium von Kienzle. Hier Auszüge des Lecht-Vortrages:

Daß es viele Beobachter gibt, die den amerikanischen Markt für unbegrenzt halten, spricht mehr für den Bedarf an Automatisierung, denn für Fähigkeit Automatisierungsmittel wirksam einzusetzen. Die Fähigkeit der amerikanischen Wirtschaft, das vorhandene Potential des Computers voll zu nutzen, leidet unter der Knappheit an qualifizierten Computer-Experten. Laut amtlicher Statistik gab es 1978 nur 247 000 Programmierer und 152 000 Systemanalytiker in den Vereinigten Staaten - kaum genug, um vorhandene Einrichtungen zu bemannen. Da der Bestand an General Purpose Computersystemen bis 1980 auf 300 000 anwachsen wird (zuzüglich Mikrocomputer und Special Purpose Minis), wird die US-Wirtschaft keinen vollen Nutzen aus dieser anhaltenden Automatisierung ziehen können, sofern nicht anders als bisher automatisiert wird. Die amerikanischen Computer-Hersteller haben die Notwendigkeit dieses Wandels voll erkannt. Obwohl es durchaus Leute gibt, die der Meinung sind, der Knappheit auf personeller Seite sei am besten durch erhöhte Ausbildungsanstrengungen zu begegnen, setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, daß die Lösung in der Bereitstellung eines intelligenteren, den Bedürfnissen einer größeren Anzahl von Menschen angepaßten Computersystems liegt. Der gegenwärtige Trend spricht eindeutig für das letztere Ziel. Obwohl es außer Zweifel steht, daß weitergehende Verbesserungen den Endbenutzern der Computertechnik nutzen werden, gibt es weltweit agierende Unternehmen, die sich mit der Erforschung, der Entwicklung und der Herstellung dieser Technologie befasse, die die Auswirkungen auf ihre eigene Zukunft untersuchen. Verbesserungen im Preis-/Leistungsverhältnis beschleunigen den Wertverlust bereits ausgelieferter Systeme und machen es erforderlich das bisherige Produktangebot mit Zusatzprodukten zu erweitern sowie die Kosten der Fertigung, der Verkaufsunterstützung und der Kundenbetreuung zu drücken. Im Augenblick entwickelt sich das Thema Kundenbetreuung zur bedeutendsten Möglichkeit der 80er Jahre, das Produktangebot zu erweitern

- wobei die Frage ist, wie Endbenutzer

- Personalkosten durch Hardware oder Software ersetzen können. Abbildung 1 zeigt die Pläne eines Herstellers für die Verbesserung seines Umsatz-Potentials durch die Bereitstellung von entbündelten, frei wählbaren Software-Einheiten (darunter mikrocodierten). Ein immer größerer Teil dessen, was früher als Anwendungscode des Endbenutzers galt, ist im Laufe der vergangenen zehn Jahre in die Domäne des IBM-Control-Programming (SCP) gelangt (beziehungsweise Teilkomponenten von SCP, die jetzt als Software-Produkte mit separat ausgewiesenen Preisen geführt werden). Die Technology Analysis Group von ACT glaubt, daß in den frühen 80er Jahren im Durchschnitt ungefähr 70 bis 80 Prozent des gesamten Komplexes Software/ Firmware in IBM-Systemen unter der Kontrolle (und dem Schutz) von IBM stehen wird und daß von diesem Code nur 20 bis 30 Prozent von den IBM-Kunden selbst geschrieben wird Diese Strategie sollte sie erfolgreich sein, dürfte die für Endbenutzer noch sichtbare Komplexität vermindern und gleichzeitig die zukünftigen Einnahmequellen der IBM sichern. Andere Hersteller werden zweifellos nachziehen.

Das zunehmende Tempo in der Verbesserung von Preis-/Leistungsverhältnissen führt außerdem zu einem rapiden Verlust an Wert bei neuen Systemen, die überholte technische Lösungen darstellen. Abbildung 2 enthält eine Prognose des Rest-Wertes der IBM-303X-Systeme während deren Reifungsperiode in den nächsten paar Jahren. Der prognostizierte Wertverlust im Falle dieser Systeme macht deutlich, daß in einem Markt, der einem schnell technologischen Wandel unterliegt, die Rückwirkungen von Produktneueinführungen auf das eigene Unternehmen sorgfältig bedacht werden müssen. Ungeachtet der bereits erfolgten Bestellungen bei diesen Systemen kann es nicht ausbleiben, daß die Anzahl der verkauften Einheiten letztlich durch die in jüngster Zeit erfolgte Ankündigung der Serie 4300 von IBM beeinträchtigt wird. Bedenkt man daß die 3031 in einem gewissen Grade bereits durch die 4341 obsolet gemacht worden ist, so ist es durchaus verständlich, daß Benutzer in ihren EDV-Investitionen zunehmend vorsichtig disponieren. Das rasche Tempo des technologischen Wandels ist gerade dabei, einige, vor kurzem angekündigte Computersysteme zu einem Zeitpunkt als veraltet erscheinen zu lassen. Zudem nicht einmal die Hälfte der bestellten Einheiten ausgeliefert worden ist.

Radikale Kursänderungen der Hersteller

Computer-Hersteller überall in der Welt unternehmen nicht nur Anstrengungen, dem Wettbewerbsdruck durch Erweiterungen ihres Produktangebotes zu begegnen: Darüber hinaus haben sie radikale Kursänderungen vorgenommen, um ihren sorgfältig bedachten Rollen im Computermarkt der Zukunft besser gerecht zu werden. Das oberste Ziel dabei ist es, bereits prognostizierte Umsatz- und Rentabilitätsziele zu erreichen - keine einfache Aufgabe - in einem technologischen Markt mit einem so rassanten Innovationstempo. Die Hersteller müssen auch noch mit einer wachsenden Anzahl von "Trittbrettfahrer"-Unternehmen fertig werden, die die jeweils neuesten Forschungsergebnisse ausnutzen, ohne selbst zu diesen Ergebnissen beizusteuern, und dabei mitunter spektakuläre Ergebnisse aufweisen.

Wird fortgesetzt