Unix-Lösungen nagen an den Marktanteilen

Hardware-Preisverfall trifft proprietäre Mehrplatz-Systeme

06.09.1991

MÜNCHEN (IDG/CW) - Ein harter Verdrägungswettbewerb im Bereich kleiner und mittlerer Mehrplatz-Systeme und ein Boom für Unix-PCs mit Intel-486-Prozessor sorgen dafür, daß mit proprietären Midrange-Systemen immer weniger Geld verdient wird. Zu diesem Ergebnis kamen, unabhängig voneinander, die beiden Marktforschungsunternehmen Ideas International, Sydney, und IDC, Frankfurt.

Binnen eines Jahres, so behaupten die australischen Marktforscher, sind die Kosten von Unix-Plattformen um durchschnittlich 32 Prozent gefallen, während die Performance Rate im gleichen Zeitraum um rund 42 Prozent anstieg. Im Sog dieses rasanten Preisverfalls sollen auch die proprietären Midrange-Systeme deutlich preiswerter geworden sein: Ideas spricht von einer Kostensenkung um durchschnittlich 27 Prozent.

Die Analysten aus Sydney haben die wichtigsten am Markt erhältlichen Systeme je nach Ausbaustufe in unterschiedliche Klassen eingeteilt. Dabei stellte das Unternehmen fest, daß über alle Größenordnungen hinweg die proprietären Lösungen durchschnittlich um etwa 53 Prozent teurer waren als die entsprechenden Unix-Angebote. Die geringste Kostendifferenz gab es bei der kleinsten Klasse von Mehrplatz-Systemen - Ideas ordnet dieser Kategorie Rechnermodelle zu, die mit 20 Arbeitsplätzen konfiguriert sind. Hier waren die proprietären Systeme um etwa 45 Prozent teurer als entsprechende Unix-Pendants. Bei den mittleren Systemen mit 40 Anwendern lag der Unterschied bereits bei 61 Prozent.

Die Kostendifferenz zwischen den "billigen" Unix-Systemen womit in erster Linie Workstations mit 486-Prozessor gemeint sind, und proprietären Lösungen weist laut Ideas auf ein Dilemma hin, in dem sich Unternehmen wie Bull, Data General DEC, IBM, Prime, Unisys oder Wang befinden. Diese Unternehmen müssen einerseits ihre Preispolitik im Open-Systems-Markt dem starken Wettbewerb anpassen. Auf der anderen Seite sind sie gezwungen, ihre proprietären Systeme deutlich teurer als die offenen Lösungen zu verkaufen, wenn in diesem Geschäft überhaupt noch Profit erzielt werden soll.

RISC-Maschinen sind am teuersten

Erstmals ist in der diesjährigen Midrange-Studie von Ideas auch der Versuch gemacht worden, bei der Einschätzung von Systemen die potentiellen Softwarekosten mit zu berücksichtigen. Diese gestalten sich je nach Systemumgebung völlig unterschiedlich: Die geringsten Kosten verursachen im Unix-Bereich Rechner mit 486-Prozessor, die weitaus höchsten wurden bei RISC-Maschinen registriert.

Vor allein beim Einsatz von Datenbanken und Büroautomations-Systemen erwiesen sich die proprietären Rechner insbesondere die AS/400 von IBM - als preiswert. Über die Funktionalität der eingesetzten Software in den unterschiedlichen Systemumgebungen macht der Bericht allerdings keine Angaben.

Die Entwicklung der mittleren Mehrplatz-Systeme, speziell in Europa, hat das Marktforschungsinstitut IDC untersucht. Wie bei Ideas wurden auch hier die Multiuser-Systeme in die Kategorien klein, mittel und groß eingeteilt, wobei die IDC-Klassifizierung nur geringfügig von der Gruppierung der australischen Marktauguren abweicht. Zu den mittleren Mehrplatz-Systemen zählen laut IDC Minicomputer der oberen und Großrechner der unteren Leistungsklasse mit 16 bis 128 Arbeitsplätzen. Die Anschaffungskosten für diese Geräte, die auch als Midrange-Computer bezeichnet werden, liegen zwischen 200 000 und zwei Millionen Mark - ohne Software. Zu den typischen Rechnern dieser Gruppe gehören nach Einteilung der Analysten die DEC-Modelle VAX 8200, 8250, 8300, 8350, 8500, 8530 sowie die IBM-Anlagen 4331, 4361, 8100, 9370, /38, AS/400-50 oder ES/ 9000-190, -210, -260, -320, -440 und -480.

Legt man bei der im Juli 1990 veröffentlichten IDC-Studie die Entwicklung des Bestands in Europa zugrunde, stand IBM 1989 mit 27 550 von 145 570 Einheiten und einem Marktanteil von 18,9 Prozent europaweit an der Spitze, gefolgt von Digital Equipment, die zu diesem Zeitpunkt 20 840 Einheiten (Marktanteil: 14,3 Prozent) an den Mann bringen konnten.

Die Hersteller kamen sich dennoch nicht in die Quere, da beide in unterschiedlichen Bereichen tätig waren. IBM scheffelte den Umsatz im kommerziellen Anwendungsbereich, DEC agierte vornehmlich im technisch-wissenschaftlichen Sektor und konnte hier die Spitzenreiter-Position in Anspruch nehmen. Digital muß gegen Konkurrenten wie Prime (1989: 3930 Einheiten, 2,7 Prozent), Data General (2489 Einheiten, 1,7 Prozent) oder Tandem (1441 Einheiten, ein Prozent) antreten, wogegen die Bull S.A. (9957 Einheiten, 6,8 Prozent) oder Siemens (9005 Einheiten, 6,2 Prozent) die Übermacht von Big Blue zu spüren bekommen.

Weitere Anbieter im Bereich der kommerziellen Mehrplatz-Systeme waren damals unter anderem Nixdorf (2794 Einheiten 1,9 Prozent), Bull HN (8854 Einheiten, 6,1 Prozent), Unisys 5325 Einheiten, 3,7 Prozent) oder HP mit 7829 Einheiten (5,4 Prozent). Auf nur eine geringe Basis konnten die Japaner verweisen, so etwa Fujitsu mit 200 Einheiten, Was einem Anteil am europäischen Markt von 0,1 Prozent entspricht.

Ebenso wie die australischen Analysten, die den weltweiten Markt betrachteten, rechnet IDC auch innerhalb Europas damit, daß die Bestandskurve der mittleren Mehrplatz-Sytsteme nur langsam nach oben steigen wird. Selbst IBM habe bisher mit ihren proprietären AS/400- und 3090S-Modellen diese Entwicklung bezüglich der eigenen Marktanteile nicht aufhalten können, so die Frankfurter Marktforscher.