Hardware-Preissenkungen mit Pferdefuß?

25.05.1979

Obwohl die Hersteller um die drastisch gesenkten Hardwarepreise ein regelrechtes Ballyhoo veranstalten, trauen die Anwender dem Preisfrieden offenbar nicht so recht. Noch sei nämlich nicht ausgemacht, argwöhnen sie, daß die Datenverarbeitung insgesamt wirtschaftlicher werde. Zumal sich in vielen Fällen noch nicht abschätzen läßt, wie viel Lizenzprogramme in Verbindung mit der neuen Hardware (IBM 4300, Siemens 7.500) benötigt, weiche Kosten also auf der Weichware-Seite zukünftig anfallen werden. Einen weiteren Unsicherheitsfaktor in der Wirtschaftlichkeitsrechnung stellt die neue Wartungsphilosophie der Hersteller dar, die von einer stärkeren Beteiligung der Anwender ausgeht. Überdies kann noch niemand sagen, welcher Schulungsaufwand erforderlich ist, um das eigene DV-Personal auf die neue Betriebssoftware (DOS/VSE) zu trimmen. Einen Kostenblähungseffekt ganz anderer Art sieht Dieter Schmidtsdorf, Leiter der Datenverarbeitung und Organisation bei Sprengel, Hannover: "Das günstige Preis-/Leistungsverhältnis verleitet dazu, Anwendungen einzuführen, die mit den alten Maschinen nicht durchführbar waren." de

Hermann Kresse Abteilungsleiter Systemanalyse und Programmierung,

MAK Maschinenbau Kiel

Bislang mußte die Rechnerkapazität aus Kostengründen sehr vorsichtig geplant und erweitert werden. Unvermeidlich auftretende Kapazitätsengpässe durch erhöhte Leistungsanforderung beeinträchtigte als erstes den Testbetrieb und damit die Phase der Entwicklung. Dies wiederum führte zu erhöhten Personalkosten für die zu entwickelnden Projekte.

Mit wesentlich kostengünstigerer Hardware und damit leichter anzupassender Maschinenkapazität (kostenmäßig und technisch) erwarten wir vor allem, daß der Softwareentwicklung - auch über einen längeren Zeitraum - ausreichende Kapazität zur Verfügung steht. Gerade bei der Entwicklung von TP-Projekten und bei Datenbank-Einsatz werden hohe Anforderungen an die Testkapazität gestellt. Darüber hinaus sollen neue Projekte nach Möglichkeit auf einer separaten Maschine getestet werden, um die Produktion nicht zu beeinträchtigen.

Für den weiteren Ausbau der Online-Programmierung durch effektive Hilfsmittel wie Checkout-Compiler erwarten wir insgesamt gesehen eine bessere Nutzung der Personalkapazität und damit niedrigere Entwicklungskosten. So werden durch ein günstigeres Preis-/ Leistungsverhältnis, das für sich gesehen ja nie verkehrt sein kann, indirekt auch Personalkosten gesenkt.

Hans Oehmann Kaufmännischer Leiter, Keller & Co, Diamantschleiferei und Juwelenatelier, Hanau

Es ist zweifelsohne eine Tatsache, daß bei abnehmenden Hardware-Kosten Personalkosten und sonstige EDV-Kosten stark steigen. Nicht unbedingt in Zusammenhang bringen möchte ich dies allerdings mit dem Einsatz der neuen Maschinen, die IBM und Siemens auf den Markt gebracht haben.

Ich führe diese Tatsache generell darauf zurück, daß vor allem der Personalmarkt heute unheimlich angespannt ist; die Leute wissen, was sie wert sind und können folglich entsprechend viel verlangen. Meines Erachtens ist die Technologie und Architektur dieser neuen Maschinen nicht komplizierter, sondern eher einfacher als die der bis heute installierten Rechner. Zur Bedienung der neuen Maschinen braucht man sicherlich weniger Personal. Der Trend geht meiner Meinung nach bei der gesamten Entwicklung hin zu einer einfacheren Bedienung, auch hin zu einer einfacheren Handhabung in Richtung Anwendung. Dafür wird jedoch die Systemprogrammierung schwieriger, obwohl das neue IBM-Betriebssystem eine Weiterentwicklung des DOS/VS sein soll.

An den Kosten allein kann man den wirtschaftlichen DV-Einsatz heute nicht mehr messen. Meßbar ist allenfalls das Kosten-/Leistungsverhältnis. Sollten wir uns zum Beispiel für ein neues System entscheiden - zur Diskussion stehen zwei Anbieter -, könnten wir etwa 15 000 Mark monatlich an Hardwarekosten einsparen. Zudem wäre es möglich, von derzeit zwei Schichten auf ein- bis eineinhalb Schichten herunterzugehen - bei gleichen Anwendungen. Hinzurechnen kann man zudem die Rationalisierungseffekte in der Programmierung.

Die Entscheidung, für welches System wir uns letztlich entschließen, hängt ganz sicher nicht vom "Blechkasten" ab. Wichtig ist vielmehr die Systemsoftware und mit welchem Hersteller wir unsere organisatorischen Probleme am besten in den Griff bekommen - also welcher Anbieter am ehesten in der Lage ist, uns dabei zu helfen. Derzeit fahren wir noch eine 370/125 Modell 2 mit 256 KB.

Über die Hardware kann heute kaum noch ein Hersteller verkaufen, sondern höchstens über den Preis und über die Systemsoftware, wobei ich den Punkt "Sicherheit" als Auswahlkriterium ganz nach vorne stellen würde. Entscheidend ist auch die Flexibilität der Systemsoftware, die standardmäßig so viel bringen muß, daß der Anwender nicht noch zusätzlich Geld zu bezahlen hat.

Wann die enormen Software-Kosten in den Griff zu bekommen sind, liegt meines Erachtens nach bei den Herstellern. Nachdem mit der Hardware nicht mehr viel Geld zu verdienen ist, müssen sie eben versuchen, die Ertragseinbußen über die Software zu kompensieren, vor allem weil sie wissen, daß ihre Kunden auf gute Software angewiesen sind. Denn Selbermachen wird noch teuerer.

Dieter Schmidtsdorf Leiter der Datenverarbeitung und Organisation, B. Sprengel & Co, Hannover

Die EDV-Personal- und sonstigen DV-Kosten steigen meiner Meinung nur dann stark an, wenn der Anwender durch den Einsatz eines neuen, preisgünstigen Systems auch neue Anwendungen einführt, wie zum Beispiel Online-Verarbeitung. Plötzlich hat er TF- und Datenbank-Philosophie im Haus, die zu bewältigen ein anderes Know-how erfordert. Für die Programmentwicklung braucht er qualifizierteres Personal, ebenso für die Systemprogrammierung. Es erscheint also logisch, daß die Qualifikation des EDV-Personals und damit zwangsläufig die Personalkosten steigen, wenn man sich mit der neuen Hardware auch neue Anwendungen ins Haus holt.

Die Kosten steigen auch durch den Ankauf neuer Softwaresysteme und entsprechender Peripherie (wie etwa Bildschirme für die Sachbearbeiter).

Das günstige Preis-/Leistungsverhältnis der neuen Rechner verleitet allerdings viele dazu, Anwendungen einzuführen, die mit den alten Maschinen nicht durchführbar waren. Hier gibt es ganz einfach eine Verschiebung in den Kostenarten: Reine Hardware gegen Software und qualifizierteres Personal. Und wie schlecht oder zu welchen Gehältern heute EDV-Personal zu bekommen ist, weiß jeder.

Wir haben auch eine IBM 4341 bestellt und erwarten uns auf alle Fälle eine erhebliche Kostenreduzierung gegenüber unseren derzeitigen DV-Kosten. Das SPMO für unsere Online-Programmierung ist auf alle Fälle teurer als das neue System. Die Kosten für CICS und DL/1 haben wir sowieso, ebenso einen guten Systemprogrammierer, der sich in den meisten Fällen selber weiterhelfen kann.