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Hans Schlegel spaziert durchs All

13.02.2008
Von Handelsblatt 
Als zweiter Deutscher besteht Hans Schlegel derzeit seinen Außeneinsatz gemeinsam mit seinem US-Kollegen Rex Walheim. Die Astronauten merken nichts von dem immensen Tempo von 27 000 Stundenkilometern, mit dem sie und die Internationale Raumstation ISS um die Erde kreisen.

WASHINGTON. Gemeinsam haben die beiden Austronauten den Auftrag, einen neuen Stickstofftank für das äußere Kühlsystem der ISS installieren. Der Einsatz sollte rund sechseinhalb Stunden dauern.

Offiziell begann der Außeneinsatz nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) acht Minuten früher als geplant um 15.27 Uhr MEZ, als die Astronauten an ihren Raumanzüge die Batterieversorgung einschalteten. Mithilfe eines riesigen Roboterarmes holten die beiden Raumfahrer den neuen Stickstofftank aus der Ladebucht der Raumfähre "Atlantis". Rex Walheim, kopfüber am Roboterarm hängend, löste den vollen Tank, während Schlegel bereits den Austausch des leeren Tanks vorbereitete. Dieser sollte dann in der Ladebucht verstaut werden, um ihn beim Rückflug mit zur Erde zu nehmen.

Kurz vor 16.00 Uhr machte Shuttle-Pilot Alan Poindexter Schlegel aufmerksam: "In fünf Minuten fliegen wir genau über Köln und Aachen hinweg." Schlegel, der in Aachen gelebt hatte, antwortete nach DLR- Angaben: "Danke, ich werde hinschauen". Viel Zeit für den ergreifenden Blick auf die Erde blieb ihm nicht. Denn bei extremer körperlicher Anstrengung ist jeder Handgriff auf die Minute geplant. "Ein Weltraumspaziergang ist kein Spaziergang", sagt der Chef des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums in Oberpfaffenhofen bei München, Klaus Wittmann.

Grelles Sonnenlicht und dunkler Schatten wechseln auf den Live- Bildern der NASA von außerhalb der Raumstation. Mit langsamen Bewegungen hangeln die Astronauten an der ISS entlang. Jedes Werkzeug, das sie mit ungelenk wirkenden Bewegungen in ihren riesigen Handschuhen bedienen, ist mit einem Seil angebunden - andernfalls könnte es in der Schwerelosigkeit davonschweben. Auch die Astronauten sind mit einem Stahlseil mit der ISS verbunden. Teilweise sind sie auch mit den Füßen auf einer Halterung am Roboterarm fixiert. Bis zum Abend lief alles nach Plan. "Ich bin zufrieden", sagte Schlegel über Funk. Jeden Handgriff haben die Astronauten vorher auf der Erde geübt. Trainiert wird im Wasserbecken: Mit einem dafür geeigneten Raumanzug gehen die Astronauten mehrfach auf Tauchstation, damit der Einsatz im All dann ohne Fehler klappt.

Wegen gesundheitlicher Probleme war Schlegel bei dem ersten Einsatz am Montag zum Andocken des europäischen Weltraumlabors "Columbus" durch einen US-Kollegen ersetzt worden. Für den zweiten Außeneinsatz der Mission - in der Astronautensprache EVA (Extra- Vehicular Activity) genannt - gaben die Ärzte dann grünes Licht. "Ich fühle mich fit und freue mich auf den Außenbordeinsatz", sagte Schlegel am späten Dienstagabend laut DLR.

Schon eineinhalb Stunden vor dem Außeneinsatz hatten sich die beiden Astronauten bereitgemacht. In einem kleinen Raum neben der Luftschleuse legten sie ihre weißen Raumanzüge an - allein das ist nach den Worten des Astronauten Thomas Reiter ein "kleines Erlebnis". Reiter war vor Schlegel der erste Deutsche, der je im Raumanzug in den Weltraum schwebte. "Bis man da drin steckt und den Helm aufhat, vergeht schon eine halbe Stunde", sagt der DLR-Raumfahrtvorstand. Als erster Mensch schwebte vor mehr als 40 Jahren der russische Kosmonaut Alexei Leonow im All. Am 18. März 1965 verließ er die Raumkapsel für fast eine halbe Stunde - und wäre beinahe nicht zurückgekommen. Denn sein Raumanzug blähte sich im Vakuum des Alls so auf, dass er nicht mehr durch die Luke in die Kapsel passte. Durch ein Druckventil gelang es ihm schließlich, so viel Luft abzulassen, dass er zurückkehren konnte.