Hannover-Messe: Sozusagen Pflicht

27.03.1981

Das Problem könnte sich allenfalls von selbst lösen. Etwa derart, daß nach Firmenfusionen Plätze frei werden. Denn fusioniert wird in dieser Branche.

Vielleicht sieht sich in den kommenden Jahren auch der eine oder andere Alles-Anbieter gezwungen, seine Zweitstände für kränkelnde Unternehmensbereiche aufzugeben. Univac hat das heuer vorexerziert; Basis-Datenverarbeiter und DV-Vollakademiker der Sulzbacher sind 1981 im CeBIT wieder in einer gemeinsamen Kulisse vereint.

Dieser halbe Rückzug zeigt das Dilemma, in dem viele Aussteller der DV- und Büro-Branche stecken: Man beklagt die Gigantonomie und Unübersichtlichkeit des CeBIT-Spektakels, kommt aber andererseits "nicht vorbei an Hannover" - hält zumindest aus Prestige-Gründen die Teilnahme sozusagen für Pflicht.

In der Tat ist es nahezu unmöglich, namhafte und potente DV-Anbieter zu nennen, die sich zur strikten CeBIT-Abstinenz bekennen. Memorex wäre so ein Fall. Dann beißt's aber auch schon aus.

Von seiten der Aussteller droht also keine Gefahr, daß die Hannover-Messe AG ihr Konzept für das "Welt-Centrum der Büro- und Informationstechnik" neu überdenken müßte.

Wer draußen vor der Tür steht, den schrecken selbst kräftige Mieterhöhungen nicht. Zu stark wirkt der Club-Effekt. Gäbe es längerfristige Verträge, die Hallen 1, 2 und 18 wären - konservativ geschätzt- bis zum Jahre 1991 ausgebucht. Nein, der Änderungsdruck muß vom hochverehrten Publikum kommen. Genauer: Vom einem Teil des Publikums.

Das ist ja das Verwirrende: Als aktiv oder passiv im OEM-Geschäft Tätige sind die Hersteller von Computer-Komponenten und Software-Unternehmen daran interessiert, das Angebot ihrer Mitbewerber und potentiellen Zwischenprodukt-Lieferaten kennenzulernen. In Hannover hat man sie alle schön dicht beieinander.

CeBIT eine OEM-Messe? Warum nicht. Der Bedarf für eine derartige Veranstaltung, bei der die technische Innovation auf dem Datenverarbeitungssektor- nicht ein ohnehin fragwürdiger Anwendungsnutzen - im Vordergrund steht, ist sicher vorhanden.

Die "Systems" in München wird bekanntlich diesem Anspruch längst nicht mehr gerecht, auch wenn sich das in der Selbstdarstellung der Verantwortlichen - Parallele zu Hannover anders ausnimmt. Tatsache ist: Der OEM-Anteil wurde zurückgedrängt.

Was nun Hannover betrifft, so sieht es eher so aus, als ob sich CeBIT vollends zu einer Büromesse für die Zielgruppe "kleinere und mittlere Unternehmen" entwickelt. Besucherstatistiken bestätigen dies. Damit bietet sich CeBIT denjenigen Anbietern als Kontaktschuppen an, die sich auf den "Small Business Systems"-Bereich sprich: die Klein-EDV-spezialisiert haben. Erfolgreich (siehe oben): Wer im "Small Business" bleiben will, greift nach jedem Strohhalm, durch den man Erstanwender-Umsatz ziehen kann. In der Funktion als Anmache-Center steht Hannover freilich in Konkurrenz zu den diversen lokalen Büromessen. Und auch branchenbezogene Ausstellungen gewinnen für den Klein-EDV-Anbieter unter dem Aspekt der Marktdurchdringung zunehmend an Bedeutung.

Bleibt zu fragen, ob sich CeBIT als "niedersächsische Bürofachmesse" so unangefochten wie bisher behaupten kann. Nachdenkliche Töne klingen in einer Produktanzeige der Data 100 GmbH an. Da heißt es: Hannover bringt nichts. Oder? Nach dem 8. April werden alle klüger sein.